AA

Koalition: Erste Forderungen werden bereits laut

Bereits vor der Regierungsbildung ist die zukünftige Regierung mit Forderungen konfrontiert.
Bereits vor der Regierungsbildung ist die zukünftige Regierung mit Forderungen konfrontiert. ©APA/AFP/JOE KLAMAR
Anlässlich des Starts der Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und Grünen werden bereits die ersten Forderungen laut.

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace fordert etwa das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens ohne Kompromisse umzusetzen. Die kommende Regierung müsse dafür während ihrer Legislaturperiode jährlich 2,5 Millionen Tonnen Treibhausgase im Vergleich zum Vorjahr einsparen.

Weiters fordert Greenpeace in einer Aussendung ein Klimabudget von mindestens zwei Milliarden Euro, eine ökosoziale Steuerreform sowie ein Superministerium für Klimaschutz mit Umwelt, Klima, Energie, Landwirtschaft, Verkehr und Infrastruktur in einer Hand. "Die ÖVP muss jetzt beweisen, dass sie Klimaschutz kann. Österreich braucht eine 'Regierung for Future'. Dafür reichen türkise PR-Gags nicht aus. Die ÖVP muss zu einer ernsthaften Klimapolitik umschwenken", forderte Greenpeace-Geschäftsführer Alexander Egit.

Mutige Klimapolitik gefordert

Auch Katharina Rogenhofer, Sprecherin des Klimavolksbegehrens, bekräftigte die Forderung nach einer "mutigen Klimapolitik". Eine solche lebe nicht von heißer Luft, "hier muss ein klarer Plan vorgelegt werden".

Die Industriellenvereinigung fordert die Regierungsverhandler wiederum auf, einen wettbewerbsfähigen Standort in den Fokus zu rücken. "Ein starker, attraktiver Wirtschaftsstandort ist das Fundament für sichere, qualitativ hochwertige Arbeitsplätze, allgemeinen Wohlstand, Lebensqualität, Innovation und letztlich auch für den Klimaschutz", argumentierte IV-Generalsekretär Christoph Neumayer. Er verlangte, den Weg der Entlastung fortzusetzen.

AHS-Lehrer wollen mehr Geld und keine Gesamtschule

Der konservative AHS-Lehrerverband ÖPU (Österreichische Professoren Union) sowie die Christgewerkschafter an den AHS verlangen in einen Offenen Brief an ÖVP-Chef Sebastian Kurz und Grünen-Bundessprecher Werner Kogler mehr Geld für das Schulwesen. Diskussionen über Strukturfragen wie eine Gesamtschule sollten sich die Koalitionsverhandler dagegen sparen.

Stattdessen solle ein umweltpolitischer Schwerpunkt gesetzt werden, heißt es in dem Schreiben an die beiden Parteichefs.

Die fünf "Herausforderungen"

Thematisch haben ÖVP und Grüne bereits Themen definiert, die in den nun bevorstehenden Koalitions-Verhandlungen wohl im Zentrum stehen dürften. Bei den Sondierungen hatten ÖVP-Chef Sebastian Kurz und Grünen-Bundessprecher Werner Kogler von fünf "Herausforderungen" gesprochen. Dabei handelt es sich um die Klimakrise, die Themen Migration, Bildung und Transparenz sowie den Wirtschaftsabschwung.

Im Folgenden eine Zusammenfassung der Positionen zu den jeweiligen Themen.

MIGRATION:

Beim Spaltpilz Migration haben die beiden künftigen Koalitionsverhandler zwar durchaus unterschiedliche Positionen, Kompromisse scheinen aber nicht ausgeschlossen. Einig ist man sich im Wesentlichen, dass die wichtigsten Fragen in diesem Bereich auf EU-Ebene zu lösen sind. Die ÖVP sprach in ihrem Wahlprogramm "100 Projekte für Österreich" davon, dass illegale Migration bekämpft werden müsse. Bei einer Reform auf EU-Ebene soll nicht mehr die Frage der Flüchtlings-Verteilung, sondern jene des Außengrenzschutzes im Mittelpunkt stehen. Die Grünen forderten in ihrem Wahlprogramm ein gemeinsames Asylsystem innerhalb der Europäischen Union. Daneben gelte es, die Fluchtursachen zu bekämpfen und Unterstützung vor Ort zu leisten. Zustimmung findet sich im grünen Wahlprogramm zu Grenzkontrollen an den europäischen Außengrenzen. Einschränkung: Es müsse sichergestellt werden, dass dort Asylanträge gestellt werden können.

Schwieriger könnte es jedoch beim Thema Mindestsicherung werden, denn die Volkspartei will an dem (auch von den Grünen scharf kritisierten) Sozialhilfe-Grundsatzgesetz (Mindestsicherung neu) festhalten. Türkis-Blau hatte die Kürzungen für kinderreiche Familien ja damit begründet, "Zuwanderung ins Sozialsystem" hintanhalten zu wollen. Die Grünen haben sich zum Ziel gesetzt, die Kinderarmut zu bekämpfen und fordern etwa eine entsprechende Adaption der Richtsätze bei den Kinderzuschlägen in der Mindestsicherung. Schwierig scheint auch das Thema Kopftuchverbot, das die ÖVP für Kinder bis 14 Jahre und auf Lehrerinnen an Schulen ausweiten will. Die Grünen äußerten sich dazu bis dato kritisch.

BILDUNG:

Knackpunkte könnte es auch im Bildungsbereich geben. Die Grünen sprachen noch in ihrem Wahlprogramm von "rückwärtsgewandten Symbolmaßnahmen" unter Türkis-Blau, etwa mit Blick auf die Wiedereinführung von verpflichtenden Ziffernnoten und des Sitzenbleibens in der Volksschule. Als ihre Ziele nannten die Grünen u.a. mehr leistbare Plätze in Krippen und Kindergärten, ein zweites kostenloses Pflicht-Kindergartenjahr und die gemeinsame Schule für Kinder von sechs bis 14 Jahren. Auch wollen die Grünen einen verbindlichen gemeinsamen Ethik-Unterricht für alle, die ÖVP hingegen nur für jene, die sich vom konfessionellen Religions-Unterricht abgemeldet haben.

Einig sind sich Grüne und ÖVP, dass Lehrer durch mehr Unterstützungspersonal entlastet werden sollen. Festhalten will die ÖVP an den im vergangenen Schuljahr eingeführten Deutschförderklassen. Und mittels "Bildungspflicht" soll die Pflichtschule soll erst dann abgeschlossen werden können, wenn ausreichende Grundkenntnisse in den Hauptfächern sichergestellt sind. Unterschiedliche Zugänge gibt es im Hochschulwesen: Die Grünen lehnen Studiengebühren nach wie vor ab, die ÖVP tritt hingegen für "moderate Finanzierungsbeiträge" ein.

TRANSPARENZ:

Angesichts der Ibiza-Affäre hat das Thema der sauberen Politik starkes Gewicht bei den bevorstehenden Verhandlungen. Sowohl Kurz wie auch Kogler nannten bereits während der Vorgespräche den Skandal als unmittelbaren Anlass, Maßnahmen für ein korruptionsfreies Österreich einzufordern. Die Grünen forderten in ihrem Wahlprogramm u.a. mehr Transparenz bei öffentlichen Auftragsvergaben. Eine Manipulation durch Funktionsträger bei Staatsaufträgen dürfe nicht möglich sein, hieß es mit Verweis auf die Ibiza-Affäre.

Hinsichtlich der Parteifinanzen haben sich sowohl Grüne wie auch ÖVP vor der Wahl für die Kontrolle durch den Rechnungshof ausgesprochen, wenn auch in unterschiedlicher Intensität. Während die Grünen diesem Thema breiten Raum in ihrem Wahlprogramm einräumten, fand sich in jenem der ÖVP dazu nichts. Die Grünen forderten u.a., dass der Rechnungshof volle Kontroll- und Einschau-Rechte in die Gebarung der Parteien erhalten soll und dass alle Ausgaben für Wahlkämpfe ab dem Stichtag vierzehntägig gegenüber dem Rechnungshof offengelegt und von diesem veröffentlicht werden müssen. Einig sind sich ÖVP und Grüne darin, dass es ein neues Informationsfreiheitsgesetz braucht.

KLIMAKRISE:

Die Klimakrise ist das für die Grünen zentrales Thema, so haben sie auch die Nationalratswahl zur "Klimawahl" stilisiert. Und hier muss sich wohl die ÖVP auch am meisten bewegen, soll es zu einer gemeinsamen Koalition kommen. Unter anderem wollen die Grünen eine klimaverträgliche und sozial gerechte Steuerumschichtung inklusive CO2-Bepreisung. Auch sollen mit einem "Klimakassasturz" umweltschädliche Subventionen evaluiert und gestoppt, sowie Gesetze einem "Klimacheck" unterzogen werden. Bei der Mobilität sollen ab 2030 keine fossil betriebenen Pkw mehr neu zugelassen werden. Angepeilt wird u.a. in lückenloser Öffi-Verkehr in den Regionen, die Güter-Verlagerung auf die Schiene, eine klimafaire Gestaltung des Pendlerpauschales, ein Ende der Flugverkehrsprivilegien und eine Temporeduktion auf den Straßen. Ziel ist es, Klimaneutralität europaweit bis spätestens 2050 und in Österreich bis 2040 zu erreichen.

Auch bei der ÖVP hat der Klimaschutz im Wahlkampf eine gewichtige Rolle eingenommen, wenn auch mit anderen Zugängen. In ihren 100 Punkten sprach sich die Partei dafür aus, den Klimaschutz - wie bereits den Umweltschutz allgemein - als Staatsziel in der Bundesverfassung zu verankern. Das türkise Konzept sieht vor, dass Österreich bis 2045 gänzlich CO2-neutral wird, also dass entweder kein CO2 mehr ausgestoßen wird oder alle Emissionen kompensiert werden. Eine CO2-Steuer lehnt die ÖVP aber ab. Dafür soll in Österreich bis 2030 Strom zu Hundert Prozent aus erneuerbarer Energie produziert werden. Das Klimaschutzprogramm der ÖVP setzt zudem auf Wasserstoff als alternativen Treibstoff.

WIRTSCHAFT:

In Sachen Wirtschaft haben sowohl Kurz wie auch Kogler einen möglichen Abschwung bereits während der Sondierungen angesprochen. Kurz stellte dabei vor allem die Bewahrung der Arbeitsplätze in den Vordergrund, Kogler betonte die Notwendigkeit einer entsprechenden Armutsbekämpfung. Als Hemmnis bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze sieht die Volkspartei u.a. die Steuerlast. Bei der Lohn- und Einkommensteuer will die ÖVP laut ihrem 100 Punkte-Programm die untersten drei Stufen von derzeit 25/35/42 Prozent auf 20/30/40 Prozent absenken. Weiterhin Ziel der ÖVP ist es, die Steuer- und Abgabenquote in Richtung 40 Prozent zu senken.

Die Grünen treten für die erwähnte "Ökologisierung der Steuerstruktur" ein, der Faktor Arbeit soll entlastet, klimaschädliche Aktivitäten belastet werden. Einig sind sich ÖVP und Grüne, Erleichterungen für die KMU und Ein-Personen-Unternehmer zu schaffen, sowohl in steuerlicher wie auch bürokratischer Hinsicht. Auch setzen die Grünen auf ein "Wirtschaften jenseits des Wachstumszwangs", wie es schon im Wahlprogramm hieß. Statt reiner Orientierung am BIP-Wachstum fordern die Grünen, den Wohlstand an weiteren Indikatoren zu messen, etwa an der Entwicklung der Beschäftigung, der Treibhausgasbilanz oder der Lohnentwicklung (Schere zwischen Mann und Frau) oder am Gini-Index, der Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen misst. Auch wollen die Grünen Maßnahmen zur Verlängerung der Lebensdauer von Produkten und eine Stärkung der regionalen Wirtschaft.

>> Alles zu den Koalitionsgesprächen

(APA/red)

  • VIENNA.AT
  • Österreich
  • Koalition: Erste Forderungen werden bereits laut
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen