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Keine Ruhe bei SPÖ: Kritik nach abgesagter Organisationsreform

In der SPÖ kehrt nach wie vor keine Ruhe ein.
In der SPÖ kehrt nach wie vor keine Ruhe ein. ©APA/Helmut Fohringer
Nach den turbulenten letzten Wochen bei der SPÖ kehrt noch immer keine Ruhe ein. Nachdem die Organisationsreform am Sonntag abgesagt wurde, regt sich erste Kritik.

Innerhalb der SPÖ regt sich erste Kritik an der bei einer Präsidiumsklausur am Sonntag beschlossenen Absage der Organisationsreform. Ursprünglich sollten die Pläne zur Öffnung der Partei und Stärkung der Mitgliedermitbestimmung beim Parteitag Ende November abgesegnet werden, nun soll die Reform auf Druck der Wiener SPÖ überarbeitet und erst am nächsten Parteitag in zwei Jahren umgesetzt werden.

“Sektion 8” übt Kritik an “machtpolitischen Spielen”

Erste Kritik an diesem Vorgehen, das am Sonntag still und heimlich über die Bühne ging und bei einer anschließenden Presseerklärung von SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner und Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda auch nicht zur Sprache kam, gibt es aus der Wiener SPÖ-“Sektion 8”.

“Nichts wurde in der SPÖ so lange und breit diskutiert, wie Organisationsreformen. Es gibt keinen inhaltlichen oder organisatorischen Grund, diesen Minimalkompromiss zu kübeln. Es gibt nur einen machtpolitischen und, mit Verlaub, den haben wir satt”, erklärte die notorisch kritische SPÖ-Sektion via Twitter.

Die Reform sei demnach ein Kompromiss gewesen, den der bisherige Bundesgeschäftsführer Max Lercher nach viel Einsatz allen Beteiligten abgerungen habe. Der Vorschlag habe durchaus Luft nach oben, allerdings sei die Forderung nach einer Urabstimmung von Koalitionsverträgen bahnbrechend. “Quasi eine Versicherung gegen den Gusenbauer-Effekt 2007.” Dem früheren SPÖ-Chef und Bundeskanzler Alfred Gusenbauer war damals vorgeworfen worden, bei den Koalitionsverhandlungen von der ÖVP über den Tisch gezogen worden zu sein.

Die “Amtszeit-Klausel”, gegen die sich vor allem der Wiener SPÖ-Chef Michael Ludwig wehrt, wird laut “Sektion 8” nur “symbolischen Effekt” haben. 66 Prozent seien ja keine echte Hürde, wenn es, wie in der SPÖ üblich, nur einen Kandidaten für eine Position gibt. “Es geht also um etwas prinzipielles. Nichts soll sich ändern. Niemand soll sich ändern müssen. Niemand will Macht abgeben, am wenigsten an die Mitglieder”, so die kritischen Genossen.

SPÖ: Interne Kritik an Personaldiskussionen

Die SPÖ operiere 2018 mit einer 130 Jahre alten Struktur. “Personaldiskussionen fallen hinter verschlossenen Türen, völlig unnachvollziehbar und mitunter ohne irgendeine erkennbare Strategie. Die, die hinter geschlossenen Türen entscheiden, verlangen aber blinde Loyalität von allen anderen.

Vor allem von den Mitgliedern, die Beiträge zahlen, Hausbesuche machen und Überzeugungsarbeit leisten. So geht das nicht mehr. Wir fordern, die SPÖ vom Kopf auf die Füße zu stellen. KandidatInnenlisten, Parteivorsitzende und Vorstandsmitglieder müssen sich einem Votum der Mitglieder stellen. Wir fordern ein Ende der Einheitslisten. Wir fordern noch vieles mehr.” Kritisch wird von der “Sektion 8” auch angemerkt, dass das Abstimmungsergebnis der Mitgliederbefragung “als bedeutungslos” beiseite geschoben werde.

Kritik gab es aber auch aus anderen Teilen der SPÖ-Basis. “Zählen tausende Parteimitglieder gar nix mehr”, fragte etwa der Vorsitzende einer oberösterreichischen SPÖ-Sektion nach Bekanntwerden der Reformvertagung via Twitter die Parteispitze. Von den SPÖ-Mitgliedern gab es für die Vorhaben im Rahmen einer Mitgliederbefragung vor dem Sommer bereits grünes Licht. Über 70 Prozent der rund 38.000 Teilnehmer stimmten für die im Fragebogen abgetesteten Organisationsthemen. Auch die Parteigremien segneten die Pläne ab.

Die Organisationsreform beinhaltete Zwei-Drittel-Schwelle für öffentliche Ämter, wenn das entsprechende Mandat bereits zehn Jahre ausgeübt wurde. Der Wiener SPÖ-Chef Michael Ludwig sprach sich mehrfach gegen eine solche Zehnjahresfrist aus. Im letzten Entwurf war die Zwei-Drittel-Schwelle deshalb nur für Nationalrats- und EU-Abgeordnete der SPÖ vorgesehen, Bundesräte und die Landesebene waren ohnehin bereits ausgenommen. Weitere Punkte betrafen eine Mitglieder-Abstimmung über Koalitionsabkommen, niedrigere Quoren für die Initiierung von Mitgliederbefragungen sowie die Einschränkung der Anhäufung von Ämtern – Mehrfachbezüge durch Mandate sollten durch höhere Solidaritätsabgaben zurückgedrängt werden.

Vorarlberger sehen keinen Grund zur Eile

Für den Vorarlberger SPÖ-Landesvorsitzenden Martin Staudinger ist es “klar”, dass die Statutenreform noch einmal besprochen wird, zumal sich in den vergangenen Tagen personell viel in der Partei geändert hat. Es bestehe zudem keine Eile, sagte er gegenüber der APA. “Bis zur nächsten Nationalratswahl 2022 haben wir die Organisationsreform auch drin”, so Staudinger.

Er sehe keinen Nutzen darin, ob man die Reform beim kommenden Parteitag am 24. und 25. November beschließe “oder nächstes, übernächstes Jahr”, bekräftigte der Vorarlberger Landesparteichef. Einen Rückschritt sieht Staudinger darin definitiv nicht: “Wir haben eine Modernisierung und ein neues Parteiprogramm. Die internen Spielregeln sind nur ein Teil davon und den haben wir verschoben.”

Staudinger erklärte die Verschiebung auch mit zeitlichen Problemen. Für den kommenden Parteitag habe die SPÖ die Wahl der neuen Vorsitzenden und den Beschluss der EU-Liste in den Mittelpunkt gestellt. Die Organisationsreform in den zwei Tagen ausreichend zu besprechen, sei zeitlich kaum möglich. Das und der Wunsch der Wiener SPÖ, einige Punkte der geplanten Strukturreform noch einmal zu überdenken, habe zu der Verschiebung geführt, erwähnte Staudinger indirekt den Wiener SPÖ-Chef Michael Ludwig als einen der Initiatoren. Ludwig hatte mehrfach gegen die Zwei-Drittel-Schwelle für öffentliche Ämter opponiert, wenn das entsprechende Mandat bereits zehn Jahre ausgeübt wird.

Heinisch-Hosek verteidigt Absage

SPÖ-Frauenvorsitzende Gabriele Heinisch-Hosek hat am Montag die Absage der Organisationsreform ihrer Partei verteidigt. Beim Parteitag im November werde man vor allem Themen diskutieren, “die die Leute draußen betreffen”, sagte sie in einer Pressekonferenz. Um die interne Organisation werde es dann “leicht verändert vermutlich” beim Parteitag 2020 gehen.

Sie finde die Schwerpunktsetzung auf die neue Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner, auf Inhalte und den EU-Wahlkampf “total gut”, sagte sie auf die Frage, ob sie die Absage für gescheit halte: “Zwei Jahre Verschiebung tangieren uns nicht.” Es gebe bei der Organisationsreform noch einiges zu diskutieren, etwa was Urabstimmungen oder die Zehnjahresfrist bei den Parteiämtern betrifft, das habe sich in der Präsidiumsklausur gezeigt.

Dass damit alles, was in den vergangenen zwei Jahren SPÖ-intern angestoßen und per Mitgliederbefragung abgesegnet wurde, zurückgenommen werde, wertete sie nicht als negativ. “Ich sehe es als Rückkehr zum Konsens, zum Zuhören”, so Heinisch-Hosek. Rendi-Wagner nehme Rücksicht darauf, was einzelne “in unserer großen Familie” zu sagen hätten. Es könnte auch “eventuell noch einmal” zu einer Befragung der Mitglieder kommen.

Ganz ähnlich sah das SPÖ-Sozialsprecher und Bau-Holz-Gewerkschaftschef Beppo Muchitsch. “Aufgeschoben ist nicht aufgehoben”, meinte er.

Drozda: Parteireform “ohne Zeitdruck”

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda verteidigte am Montag die Verschiebung der SPÖ-Organisationsreform via “Parteipost” an die Mitglieder. “Die Parteiorganisationsreform wird nicht mit einem Wurf vollendet sein. Wir werden sie weiter fortsetzen – allerdings ohne Zeitdruck. Selbstverständlich ist dabei das Ergebnis unserer Mitgliederbefragung Richtschnur unserer Entscheidung”, schrieb Drozda.

Am Parteitag am 24. und 25. November in Wels werde es neben der Wahl der designierten SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner vor allem um das neue Parteiprogramm und die inhaltlichen Schwerpunkte der kommenden Zeit gehen. Der zweite Tag wird laut Drozda ganz dem Thema Europa gewidmet, weil die kommende EU-Wahl eine der wichtigsten politischen Auseinandersetzungen der kommenden Zeit ist.

Den Umstand, dass die Parteireform auf Drängen der Wiener SPÖ versenkt wurde, kommentierte der SPÖ-Bundesgeschäftsführer nicht.

Für den Traiskirchner SPÖ-Bürgermeister Andreas Babler ist die Verschiebung der Parteireform indes noch nicht vom Tisch. “Wenn die Bundespartei den Antrag zum neuen Parteistatut nicht einbringen will, wird es halt wer anderer tun. Das ist eine Frage des Respekts gegenüber 37.000 Parteimitgliedern, die in dieser Frage bereits aktive Mitbestimmung gelebt haben”, erklärte Babler am Montag via Twitter.

Rendi-Wagner: Statutenreform nur verschoben

Die plötzliche Absage der SPÖ-Organisationsreform ist für viele Mandatare bis hin zur Spitze offenbar nicht dramatisch. “Es ist ein Verschieben”, sagte die neue Parteichefin Pamela Rendi-Wagner am Montag vor der Sitzung des Parlamentsklubs, bei der sie zur Klubchefin gewählt werden soll.

SPÖ-Jugendorganisationen kündigen Widerstand an

Die SPÖ-Jugendorganisationen üben in einem Schreiben an den SPÖ-Bundesparteivorstand heftige Kritik an der Verschiebung der geplanten Parteireform und kündigen Widerstand in den SPÖ-Gremien an. Das Vertrauen der Mitglieder dürfe nicht aufs Spiel gesetzt werden. “Nach 6 Jahren ist es nun an der Zeit, die Reformen endlich zu beschließen”, so die jungen Roten in einem der APA vorliegenden Schreiben.

Alle vier Fragen zur Organisationsreform wurden mit über 70 Prozent Zustimmung von knapp 38.000 Mitgliedern mit Ja beantwortet. Das seien deutlich über 20 Prozent der SPÖ-Mitglieder, daran könne man nicht vorbeigehen. “Diese vier Punkte sind somit in Stein gemeißelt und dürfen nicht mehr zur Diskussion stehen. Die Mitglieder der SPÖ sind ihr Rückgrat, und dieses Rückgrat darf nicht gebrochen werden. Wer seine Mitglieder befragt, nur um deren Meinung dann zu ignorieren, schwächt seine eigene Glaubwürdigkeit.”

“Die Mitglieder der SPÖ sind unser größter Trumpf. Sie brennen und laufen für die Werte der SPÖ und verteidigen und werben für sie an jedem Stammtisch und bei jedem Treffen mit Freunden oder Familie. Ihre Meinung muss in unserer Partei endlich zählen.” Im Parteivorstand wollen sich die Jugendorganisationen deshalb für ein Ja zur Organisationsreform einsetzen. Es sei Aufgabe des Bundesparteivorstands, die Basis der SPÖ zu vertreten.

(APA/Red)

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