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Salzburger EU-Gipfel verschiebt Brexit-Einigung auf November

Keine Einigung in Salzburg
Keine Einigung in Salzburg ©APA
Bewegung in Gesprächen mit nordafrikanischen Ländern, eine mögliche Einigung beim Ausbau des Außengrenzschutzes und der Grenzschutzagentur Frontex bis Jahresende, Stillstand bei der ungelösten Frage der Flüchtlingsverteilung und die Einigung auf einen finalen Brexit-Gipfel im November - das sind die wesentlichen Ergebnisse des informellen EU-Gipfels unter Österreichs EU-Vorsitz in Salzburg.

Die EU wird am 17. und 18. November in Brüssel einen Brexit-Sondergipfel abhalten. Dies war beim Salzburger EU-Gipfel aus Diplomatenkreisen zu hören. Bei dem Treffen der Staats- und Regierungschefs wird es um die noch offenen und finalen Fragen rund um den Austritt Großbritanniens aus der EU gehen.

May unter Druck

In letzter Minute soll dabei entschieden werden, ob es einen Deal zum britischen Ausstieg gibt oder es Ende März 2019 zu einem harten Brexit kommt. Großbritanniens Premierministerin Theresa May hatte in Salzburg angekündigt, dass der Brexit durchgezogen werde, egal ob es eine Einigung gibt oder nicht. Ein zweites Referendum komme für Großbritannien nicht infrage.

Zur strittigen Grenzfrage zwischen Irland und Nordirland kündigte May ergänzende Vorschläge an. May steht zuhause unter Druck ihrer Partei und dürfte wohl erst nach dem Tory-Parteitag Ende September zu weiteren Zugeständnissen bereit sein. Von der EU forderte May mehr Flexibilität.

Die EU-27 bestehen indes weiter auf einer harten Linie in den Brexit-Verhandlungen. Der Zusammenhalt des EU-Binnenmarktes und die Frage der irischen Grenze seien wichtiger, meinte etwa Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. “Es wird sehr eng”, meinte Luxemburgs Premier Bettel. Der maltesische Regierungschef Joseph Muscat ließ mit einer Stellungnahme aufhorchen, wonach die EU-27 ein zweites Referendum in Großbritannien befürworten würden. “Wir wollen, dass das beinahe Unmögliche passiert, dass das Vereinigte Königreich ein weiteres Referendum abhält”, sagte Muscat. May schloss dies aber dezidiert aus.

Kurz mit Gesprächen zufrieden

Gastgeber und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zeigte sich mit den Gesprächen beim zweitägigen Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs zufrieden. Österreich hatte im Vorfeld des Gipfels das Thema Migration ganz oben auf die Agenda gesetzt. Die EU-Länder kommen hier seit Jahren auf keinen wirklichen gemeinsamen Nenner, zu unterschiedlich sind die Interessen. Kurz, der die Frage der Flüchtlingsverteilung für nicht lösbar hält, richtete den Fokus deshalb einmal mehr auf den Schutz der Außengrenzen. Mehrere EU-Vertreter konstatierten in Salzburg vor allem Fortschritte bei Gesprächen mit Ländern in Nordafrika.

Dort ruhen die Hoffnungen der EU nun vor allem auf Ägyptens Staatschef und Militärmachthaber Abdel Fattah al-Sisi . Mit ihm hofft man ein ähnliches Abkommen zustande zu bringen wie mit der Türkei. Offiziell ist von einer “vertieften Zusammenarbeit” bei Wirtschaft und Migration die Rede, Ägypten sei zu solchen Gesprächen auch bereit, hieß es am Rande des EU-Gipfels. Im Februar soll es mit der Arabischen Liga einen Gipfel in Ägypten geben. Ratspräsident Donald Tusk trifft dazu kommenden Sonntag am Rande der UNO-Vollversammlung in New York den ägyptischen Präsidenten zu Gesprächen.

Chancen nützen

Der Vorschlag, mit “Ägypten und anderen” in Gespräche zu treten, sei von allen EU-Staats- und Regierungschefs unterstützt worden, sagte Kurz in Salzburg. Man sollte die Chance der Zusammenarbeit mit Ägypten nutzen, so der Bundeskanzler. Über die Auseinandersetzung um die Flüchtlingsverteilung in Europa werde man die Migrationsfrage nämlich nicht lösen, so Kurz.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel bezeichnete die Beziehungen zu Afrika in Salzburg als “Schlüsselbeziehungen” für die Europäer. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erwartet, dass sich die EU noch dieses Jahr auf einen besseren Außengrenzschutz verständigen wird. Bei den Beratungen in der Felsenreitschule gab es in Sachen Frontex oder bei der Flüchtlingsverteilung aber “keine nennenswerten Fortschritte”. Die EU tritt auf der Stelle.

Der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte bekräftigte Italiens Forderung nach einem gesamteuropäischen System zur Flüchtlingsverteilung. “Wir arbeiten derzeit an einem Mechanismus, der wahrhaft europäisch ist”, meinte Conte. Der ungarische Premier Viktor Orban kündigte einen eigenen Vorschlag für das Frontex-Mandat an. Der polnische Premier Mateusz Morawieczki betonte, dass die EU-Staaten weiterhin “das entscheidende Wort” beim Grenzschutz haben müssten.

Flüchtlingszahlen niedriger als 2007

Tusk und Luxemburgs Premier Xavier Bettel betonten, dass die Flüchtlingszahlen inzwischen massiv zurückgegangen seien und niedriger als 2007 seien. “Wir haben eine politische Krise, keine Flüchtlingskrise”, meinte Bettel deshalb. “Wenn es so weiter geht, dass wir bei jedem EU-Gipfel Meinungsverschiedenheiten bei der Migration austauschen, werden die Rechtspopulisten weiter gestärkt”, meinte ein hoher EU-Vertreter. Rechtspopulistische Regierungen wie jene in Italien hätten aber ein Interesse daran, die Diskussion weiter am Köcheln zu halten.

Der tschechische Premierminister Andrej Babis ließ sich durch solche Mahnungen aber nicht irritieren und zeigte sich “enttäuscht” über den Verlauf der Migrationsdebatte. “Wenn gesagt wird, dass wir die Ankünfte illegaler Migranten auf Booten und ihre Verteilung schon regeln können, dann ist das natürlich eine Einladung an die Schlepper”, kritisierte Babis. Unterstützung signalisierte er hingegen für die Stärkung von Frontex. “In einer Notsituation, würde Frontex als eine Art europäische Ersatzpolizei eingesetzt, das verstehe ich.”

Bei der österreichischen Opposition stießen die derzeitige österreichische EU-Ratspräsidentschaft wie auch der informelle EU-Gipfel in Salzburg auf einhellige Kritik. Bei wichtigen Themen produziere der Ratsvorsitz “nur heiße Luft”, bemängelte SPÖ-Europasprecher Jörg Leichtfried.

“PR-Show der EU-Spalter”

Der Grüne EU-Abgeordnete Michel Reimon formulierte wiederum: “Dieser informelle Gipfel ist eine PR-Show der Rechtspopulisten und EU-Spalter.” Die Staatsspitzen mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) beschäftigten sich “statt (mit dem ungarischen Regierungschef Viktor) Orban oder Brexit” mit “ihrem Lieblingsthema Migration (…) Das drängendste Thema Brexit wird einfach auf einen Sondergipfel im November verschoben, damit die Inszenierung nicht gestört wird”. Der Grünen EU-Abgeordneten Monika Vana fehlen Themen wie Klimaschutz oder Soziale Sicherheit auf der Agenda des Gipfels.

Liste-Pilz-Klubobmann Bruno Rossmann warf seinerseits Kurz vor, beim Thema Migration “uns in einen Teufelskreislauf hineingeritten” zu haben: “Die ständige Problematisierung und Dramatisierung der Migration schürt nur Feindseligkeiten und unbegründete Ängste.” Er vermisste eine “sachliche Debatte” über diese Frage.

Die NEOS hatten am Vortag in einer Pressekonferenz in Wien ausführlich die EU-Politik der Regierung bemängelt. Insbesondere forderten sie ein einheitliches EU-Asylwesen zur Lösung des Migrationsproblems. Am heutigen Donnerstag waren sie mit Fahrrädern in Salzburg unterwegs, um mit vier, an den Fahrzeugen montierten Plakatsujets – zu Migration, Klimaschutz, EU-Freiheiten und Schutz der liberalen Demokratie – Kritik an der Linie von Türkis-Blau zu üben.

(APA)

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