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Kein Phantombild vom US-Heckenschützen

Der unheimliche Heckenschütze von Washington bleibt nur eine schemenhafte Gestalt. Die Hoffnungen auf ein Phantombild haben sich zerschlagen.

Über 1.000 Beamte setzten am Donnerstag die Jagd nach dem Unbekannten fort, der seit über zwei Wochen die Menschen in der Umgebung der US-Hauptstadt terrorisiert. Drei Tage nach dem neunten Mord lebten die Menschen der Region in ständiger Sorge, dass der Täter in Kürze wieder zuschlagen könnte.

Nach dem jüngsten tödlichen Anschlag auf eine 47 Jahre alte Mitarbeiterin der Bundeskriminalpolizei FBI hatten sich erstmals mehrere Augenzeugen mit einer Täterbeschreibung gemeldet. Doch ihre Angaben wichen zu stark voneinander ab, um ein klares Bild zeichnen zu können. Ein Zeuge glaubt auch, die Tatwaffe identifiziert zu haben: ein AK-74-Schnellfeuergewehr russischer Bauart. Die Polizei schließt eine Verwechslung mit ähnlichen Gewehren aber nicht aus.

„Das einzige, was bisher fest steht: Er ist männlich“, sagte eine Polizeisprecherin über den mysteriösen Heckenschützen, der morgens, mittags und abends meist in der Nähe belebter Verkehrsknotenpunkte mit tödlicher Präzision seine Opfer traf. Sie gab potenziellen Zeugen Ratschläge, wie sie auf neue Schüsse reagieren sollten: „Geh in Deckung. Schaue in die Richtung des Schussgeräusches, nicht des Opfers. Merke dir Autos in der Nähe. Schreibe die Beobachtungen sofort auf.“

Der Gouverneur des Staates Maryland, Parris Glendenig, verschob die Jagdsaison auf Rotwild in den vier Bezirken, in denen der „Sniper“ gelauert hat. „Wir wollen nicht, dass unsere Beamten falschen Schuss-Alarmen nachjagen“, sagte ein Beamter.

Rund 70.000 telefonische Hinweise, die allein in den ersten 24 Stunden nach dem Mord an der Frau eingegangen waren, brachten bisher keinen Durchbruch. Am Tatort des neunten Mordes, dem Parkplatz eines Einkaufszentrums, wurden zur Enttäuschung der Polizei keine Munitionsspuren gefunden. Die Überwachungskameras haben zunächst ebenfalls nichts ergeben.

Fachleute glauben aber, dass der Täter auf irgendeinem der Videobänder zu sehen sein wird, die aus Kameras von Banken, Läden und anderen Gebäuden nahe der Schauplätze seiner Mordtaten stammen und ausgewertet werden. Doch dazu müssen die Fahnder erst einmal wissen, wie er aussieht. Das mutmaßliche Fluchtauto, ein weißer oder cremefarbener Lieferwagen, könnte von Straßenüberwachungs- und Streifenwagen-Kameras festgehalten worden sein.

Die Polizei hofft nun, dass ihr militärische Unterstützung weiterhilft. Das Pentagon hat mehrere Aufklärungsflugzeuge zur Verfügung gestellt. Sie könnten dazu beitragen, dass der Täter nach einem befürchteten weiteren Anschlag auf der Flucht gestellt wird. Die Maschinen sind mit besserer Technologie als Polizeihubschrauber ausgestattet.

Weil eine direkte Beteiligung des Militärs bei der Strafverfolgung in den USA seit 1878 gesetzlich verboten ist, sollen die Maschinen zwar von Militärpiloten geflogen werden. Die Ermittlungsarbeit an Bord wird aber von FBI-Beamten erledigt.

Der unheimliche Schütze hat bisher neun Menschen erschossen und zwei schwer verletzt. US-Präsident George W. Bush hatte trotz der Mordserie zunächst eine Verschärfung der Waffengesetze abgelehnt und Forderungen nach einem ballistischen Fingerabdruck für alle in den USA verkauften Waffen eine Abfuhr erteilt. Es gebe Experten, die dies für nicht genügend aussagekräftig hielten, sagte Bush-Sprecher Ari Fleischer. Dann änderte der Präsident jedoch seine Meinung. Bush will überprüfen lassen, ob die Technologie und die Einrichtung einer Datenbank Erfolg versprechend ist.

Bei dem ballistischen Fingerabdruck handelt es sich um eine Methode, bei der mit Hilfe der winzigen Unterschiede und Merkmale im Lauf eines jeden Gewehrs die Kugeln zu einer Waffe zurückverfolgt werden können. Dafür müssen aber alle Waffen registriert werden. Auch in Deutschland ist eine Diskussion im Gange, ob nicht alle Schusswaffen des Landes kriminaltechnisch erfasst werden sollen.

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