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Kann Rendi-Wagner Kanzlerin?

©APA
Gastkommentar von Johannes Huber. Die SPÖ-Vorsitzende geht in die Offensive. Vor dem Start ist sie aber schon einmal gestolpert.

Für Sonntag hat die SPÖ einen großen Auftritt angesagt: Bundesparteivorsitzende Pamela-Rendi-Wagner wird in der Aula der Wissenschaften in Wien eine Grundsatzrede halten. Erwartet werden gleich fünf ehemalige Regierungschefs, allesamt wenig überraschend aus den Reihen der Partei: Franz Vranitzky, Viktor Klima, Alfred Gusenbauer, Werner Faymann und Christian Kern. Die Botschaft ist klar: Rendi-Wagner will sich als Kanzlerkandidatin in Stellung bringen. Sie wartet nicht, bis die türkis-grüne Koalition platzt und es daher zu einer Neuwahl kommt. Sie tut vielmehr so, als wäre die Koalition schon fertig.

Prinzipiell ist sie das: ÖVP und Grüne bringen nicht einmal mehr eine Maskenregelung zeitgerecht zusammen. Johannes Rauch, der dritte Gesundheitsminister im Verlauf der Pandemie, verspätete sich diese Woche um einen Tag. Länder und türkise Regierungskolleginnen wie Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger hatten es ihm unmöglich gemacht, fristgerecht zu liefern.

Das ist eine Vorlage für eine Oppositionsvertreterin wie Rendi-Wagner. Aber kann sie Kanzlerin, wie man umgangssprachlich so sagt? Wer gleich „Nein“ ruft, sollte vorsichtig sein: Sebastian Kurz hatte seine Macht so sehr missbraucht, dass er zurücktreten musste; diverse Chats hatten zu tief blicken lassen. Nachfolger Alexander Schallenberg lieferte ein solches Trauerspiel ab, dass er nach wenigen Wochen wieder Geschichte war. Und Karl Nehammer erweckt nicht den Eindruck, dass er irgendetwas will. Ambitionen, Reformen einzuleiten? Null. Er wirkt eher nur wie ein Verweser, die im Amt ist, bis gewählt wird und die ÖVP Platz eins verliert. Umfragen weisen in diese Richtung.

Gemessen an diesem Niveau könnte Pamela Rendi-Wagner eine passable Kanzlerin ergeben. Aber das reicht nicht. Österreich braucht eine Führungspersönlichkeit, die den Reformstau bei Kinderbetreuung, Bildung, Gesundheit, Föderalismus, Förderungen, Pflege, Pensionen und vielem anderem mehr auflöst. Und die auch außen- und sicherheitspolitisch aufzeigt. Das war ein Bereich, der in der friedlichen Vergangenheit völlig vernachlässigt wurde. Dass Rendi-Wagner außenpolitische Sprecherin der SPÖ ist, fällt bezeichnenderweise erst jetzt auf.

Der Ukraine-Krieg würde den Handlungsbedarf in diesem Bereich aufzeigen. Genau diesbezüglich lässt Rendi-Wagner jedoch aus. Ihre dieswöchige Nicht-Zustimmung, den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vor dem Nationalrat reden zu lassen und das auch noch mit der Neutralitätsausrede zu begründen, war beschämend. Heute weiß man, dass Türkise ähnlich ticken und Blaue eine solche Rede offen ablehnen.

Das macht die Sache nicht besser: Hier geht es nicht um eine Kriegsbeteiligung an der Seite Selenskyjs sondern um eine Solidaritätsbekundung im Sinne einer demokratischen Zukunft in Europa. Das wäre etwas, was gerade auch nachfolgenden Generationen dienen könnte – und daher auch von einer zukünftigen Kanzlerin gefördert werden sollte.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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