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Julia Herr im Vienna.at-Interview: "Wir müssen die Partei wieder vereinen"

Nationalratsabgeordnete Julia Herr: "Die Sozialdemokratie muss jetzt aufhören zu streiten."
Nationalratsabgeordnete Julia Herr: "Die Sozialdemokratie muss jetzt aufhören zu streiten." ©APA/HELMUT FOHRINGER
Kommenden Montag, am 24. April 2023, startet die SPÖ-Mitgliederbefragung zur Wahl einer neuen oder eines neuen Parteivorsitzenden. Vienna.at hat mit der SPÖ-Nationalratsabgeordneten Julia Herr zu dem Thema gesprochen.
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Vier Auswahlmöglichkeiten haben die SPÖ-Mitglieder bei der Mitgliederbefragung am Montag: Die amtierende Parteivorsitzende Pamela Renid-Wagner, den burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, den Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler oder niemanden dieser Kandidaten. Vienna.at hat Nationalratsabgeordnete Julia Herr zur Stimmung in der Partei interviewt.

Julia Herr: "Wir müssen die Partei wieder vereinen"

Vienna.at: Wie schätzen Sie die Stimmung in der SPÖ ein? Wird eher Pamela Rendi-Wagner, Hans Peter Doskozil oder Andreas Babler die Mitglieder überzeugen können?

Nationalratsabgeordnete Julia Herr (SPÖ): Ich nehme sehr viel Zuspruch für Andreas Babler wahr. Gleichzeitig sehe ich auch Menschen, die unterstützen Hans Peter Doskozil oder Pamela Rendi-Wagner. Ich glaube, dass niemand genau sagen kann, wie die Befragung ausgehen wird, vor allem, weil wir zehntausende Mitglieder haben, die nicht aktiv zu jedem Bezirksausschuss kommen, sondern einfach Teil der Gesinnungsgemeinschaft sind, weil ihnen die Werte der Sozialdemokratie wichtig sind. Wie sie genau abstimmen werden, weiß niemand.

Sie haben sich in einem Interview (mit der Sonntagskrone) für den Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler als SPÖ-Parteivorsitzenden ausgesprochen. Abgesehen davon, dass Sie gesagt haben, er ist quasi ein neutraler Kandidat - Warum?

Neutral ist Andreas Babler nicht, er war aber nicht Teil des Konflikts der letzten Jahre. Deshalb kann er diesen Konflikt sehr gut lösen und das will er auch tun und das verspricht er glaubwürdig. Das finde ich wichtig. Die Sozialdemokratie muss jetzt aufhören zu streiten. Wir müssen die Partei wieder vereinen. Und ich glaube Andreas Babler kann das am ehesten, einfach, weil er unbeteiligt war bei den Streitigkeiten im Präsidium. Er überzeugt mich auch inhaltlich und ich glaube ganz viele andere Menschen auch. Bei seiner Tour durfte ich teilweise dabei sein. Da ist wirklich Begeisterung und Hoffnung bei den Terminen spürbar und das hat mich bewegt.

Was genau hat sie inhaltlich von Andreas Babler überzeugt?

Ich glaube Vieles hat er schon in Traiskirchen umgesetzt und will es jetzt bundesweit angehen: Ein warmes Mittagessen für alle Kinder, unabhängig davon wie dick die Geldbörse der Eltern ist, oder aber auch, dass man Gleichberechtigung für Frauen und Männer ermöglicht. Ich finde auch die Forderung nach einer Strafe für alle Unternehmen gut, die keinen fairen Lohn für Frauen und Männer zahlen – das isländische Modell, das er (Anm.: Andreas Babler) beispielsweise anspricht und fordert. Ich habe die Ansage von ihm gut gefunden, dass wir keine Bittsteller sind und dass wir Rechte haben. Wir haben ein Recht darauf binnen 14 Tagen einen Termin beim Facharzt zu bekommen. Das ist ein ganz wichtiges Thema, das er anspricht: Die Zwei-Klassen-Medizin, die sich immer weiter ausbaut und mit der man endlich Schluss machen muss.

Herr: "Habe nicht vor die Eine oder den Anderen zu kritisieren"

Sie sind selbst Burgenländerin, wie stehen Sie zur Kritik des Burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil an der Parteivorsitzenden Pamela Rendi-Wagner?

Ich habe bis ich 18 Jahre alt war im Burgenland gewohnt, jetzt bin ich Wienerin und bin auch in der SPÖ Wien aktiv. Ich kenne alle drei Kandidaten, ich schätze sie alle drei persönlich und ich habe auch Respekt vor ihrer politischen Arbeit. Ich habe nicht vor die Eine oder den Anderen zu kritisieren oder schlecht zu reden. Ich habe mich für Andreas Babler ausgesprochen, weil ich ihn am überzeugendsten gefunden habe. Ich glaube aber, dass es der SPÖ nicht hilft, wenn man jetzt beginnt unsere Spitzenkandidaten zu kritisieren. Das werde ich nicht machen, das habe ich auch nicht vor und das macht auch Andreas Babler nicht.

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig hat sich immer deutlich hinter Pamela Rendi-Wagner gestellt, halten Sie das von seiner Seite für einen Fehler?

Jeder von uns ist Parteimitglied. Jede Stimme ist auch gleich viel wert und ich glaube gemeinsam werden wir eine richtige Entscheidung treffen. Und da darf sich Jede und Jeder positionieren, Jede und Jeder darf sich selbst ein Bild machen und wird dann abstimmen. Und ich glaube gemeinsam – egal was herauskommt – werden wir eine gute Entscheidung treffen.

Nationalratsabgeordnete Herr: Ich werde das Ergebnis respektieren"

Hinter der Entscheidung würden dann auch – egal wie sie ausgeht – alle Mitglieder stehen?

Wenn bei der Mitgliederbefragung ein deutliches Ergebnis herauskommt, dann gehe ich davon aus. Für mich wird das gelten. Ich werde das Ergebnis respektieren.

Die Teuerung und steigende Mietpreise beschäftigen die Menschen gerade sehr stark, das sind auch Kernthemen der SPÖ. Sollte die SPÖ sich nicht momentan um diese Themen kümmern, statt um interne Streitereien?

Das Parteipräsidium hat diese Mitgliederbefragung jetzt ins Leben gerufen und sich dafür entschieden, das haben sich die Mitglieder nicht ausgesucht. Jetzt gibt es die Mitgliederbefragung, jetzt werden wir mitmachen und jetzt wird sie hoffentlich gut verlaufen.

" Es ist noch so viel Monat übrig, aber kein Geld mehr da"

Auf welche inhaltlichen Themen sollte sich die SPÖ in der derzeitigen Lage Ihrer Meinung nach konzentrieren?

Eine Inflation von zehn Prozent, mit der darf man sich einfach nicht abfinden. Offensichtlich hat sich die Bundesregierung jetzt damit schon zufriedengegeben oder findet nicht, dass weitere Maßnahmen notwendig sind, aber wir bekommen wirklich jeden Tag Mails von Menschen, die sagen, dass es sich für sie am Ende des Monats nicht mehr ausgeht. Es ist noch so viel Monat übrig, aber kein Geld mehr da. Man muss beginnen diese Preise wieder in den Griff zu bekommen. Erst gestern gab es wieder einen Bericht darüber, dass die Preise zum Beispiel in der Gastronomie überdurchschnittlich gestiegen sind in Österreich im Vergleich mit anderen EU-Ländern. Wir haben da wirklich viel zu lange zugesehen und mittlerweile sagen viele, dass das Leben nicht mehr leistbar ist. Das können wir als Sozialdemokratie in keiner Weise akzeptieren. Es braucht eine Preiskommission, die sich ansieht warum die Preise so stark gestiegen sind und dort wo sie unverhältnismäßig gestiegen sind, muss man auch Strafen verhängen. Es braucht aber auch ganz klar darüber hinaus Maßnahmen wie einen Mietpreisdeckel. Wir haben jetzt monatelang dafür gekämpft, dass wir diese Mieterhöhung, die jetzt im April stattgefunden hat, abwenden. Leider war das nicht erfolgreich.

Die Teuerung gibt es schon länger. Warum kann die SPÖ ihre Themen nicht nutzen?

Ich glaube auch, dass wir in der Sozialdemokratie viel Spielraum nach oben haben. Ich bin auch nicht ganz zufrieden mit der aktuellen Performance. Ich sitze nicht im Parteipräsidium oder im Parteivorstand, deshalb kann ich das alles nur zur Kenntnis nehmen. Aber ich hoffe doch, dass wir, nach Mitgliederbefragung und Parteitag, uns mit voller Kraft um diese Themen kümmern. Und zwar alle gemeinsam an einem Strang ziehen, dass die Streitereien beendet sind und dass man dann nach vorne schaut und das Ziel, diese Bundesregierung aus den Ämtern zu jagen, so schnell wie möglich angeht. Es ist wirklich eine Situation die ist untragbar. Wir haben eine überdurchschnittlich hohe Inflation, wenn wir das vergleichen mit Spanien, mit Frankreich, das sind alles Länder, die in die Preisgestaltung eingegriffen haben. In Deutschland hat es einen Gaspreisdeckel und in Spanien und Frankreich einen Mietpreisdeckel gegeben. Das sind alles Maßnahmen, die wir seit Monaten fordern. Man hat gesehen, dass die in anderen Ländern wirken. In Österreich hat man hauptsächlich Einmalzahlungen oder Boni verschickt, aber die haben natürlich in die Preisstruktur gar nicht eingegriffen. Deshalb glaube ich auch, dass wir da viel Verbesserungspotenzial haben, weil die Themen wären richtig.

Ist angesichts dessen die Stimmung unter den SPÖ-Mitgliedern getrübt?

Niemand findet interne Streitereien gut, aber die Stimmung ist nicht getrübt. Viele Mitglieder freuen sich tatsächlich darauf abstimmen zu können. Denn das ist das erste Mal, dass tatsächlich mehrere Kandidaten zur Wahl stehen und wir die Mitglieder befragen. Ich finde das auch richtig. Jetzt müssen wir dieses Ergebnis dann auch ernstnehmen, damit sich auch die Mitglieder ernst genommen fühlen. Aber ich sehe da auch große neue Hoffnung aufkommen.

(cor)

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