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Jugendstrafvollzug: Missstände bereits im Jahr 2009 "prophezeit"

Die Missstände in der Justizanstalt Josefstadt sollen bekannt gewesen sein
Die Missstände in der Justizanstalt Josefstadt sollen bekannt gewesen sein ©APA
Neue Vorwürfe in Sachen Jugendstrafvollzug wurden nun unter Bezugnahme auf interne Akten aus dem Justizministerium laut. Demnach sollen Spitzen des Ministeriums bereits 2009 von Beamten von schweren Missständen im Jugenddepartement der Wiener Justizanstalt Josefstadt informiert worden sein - und nicht reagiert haben.
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Diese Vorwürfe erhebt die Wiener Wochenzeitung “Falter”, was ein Sprecher von Ressortchefin Beatrix Karl (ÖVP) am Dienstag nicht kommentieren wollte. Damals sei als Justizministerin noch Vorgängerin Claudia Bandion-Ortner (ÖVP) im Amt gewesen, außerdem sei in erster Linie die Strafvollzugsdirektion angesprochen.

Jugendstrafvollzug: Missstände intern bekannt

Die eigenen Beamten berichten laut “Falter” in vertraulichen Aktenvermerken von Gewalt und sexuellen Übergriffen. Die Leiterin der Wiener Jugendgerichtshilfe, Christa Wagner-Hütter, habe in der Akte “Jugendvollzug Josefstadt” die Ergebnisse einer der vielen internen Besprechungen zusammengefasst. Ihr Schreiben ging an Spitzenbeamte der Vollzugsdirektion.

Darin würden die schließlich aufgetretenen Missstände de facto intern prophezeit. Der Nachtdienst beginne unter der Woche um 15.00 Uhr, an Sonn- und Feiertagen bereits um 13.00 Uhr, ebenso an manchen Freitagen. Bis zu 18 Stunden seien die Zellen geschlossen. Die Jugendlichen kämen auf “blöde Ideen”, die “des Öfteren in sadistischen Handlungen gipfeln”, so die Leiterin der Jugendgerichtshilfe.

Misshandlungen im Gefängnis geschildert

Jugendliche Häftlinge würden, “sehr authentisch über ihre durch Mitinsassen erlittenen, psychischen, physischen und sexuellen Misshandlungen, die sich vorwiegend im Nachdienst (ab 15 Uhr) und zum Wochenende ereignet haben” erzählen, schreibt Wagner-Hütter laut “Falter”. “Jugendliche, die zu dritt oder zu viert in Hafträumen untergebracht sind, seien besonders gefährdet.”

Bei einem Hintergrundgespräch vergangene Woche zum Thema Jugendstrafvollzug habe Beatrix Karl laut “Falter” erklärt, dass sie von den schriftlich dokumentierten Vorwürfen der eigenen Beamtenschaft noch nichts gehört habe.

Schwere Kritik von SPÖ und Grünen

Schwere Kritik am Jugendstrafvollzug hat es am Dienstag nach dem “Falter”-Bericht über die dort herrschenden Missstände seitens der SPÖ und den Grünen gehagelt. SP-Justizsprecher Hannes Jarolim zeigte sich “entsetzt” und forderte “aufgrund der unerträglichen Haftbedingungen die sofortige Verlegung der Jugendlichen aus der Justizanstalt Josefstadt”. Verwundert über die “Kehrtwende” von Justizministerin Beatrix Karl (V) zeigte sich hingegen der Justizsprecher der Grünen, Albert Steinhauser. Er sieht die “Verteidigungsstrategie” der Ministerin “am Zusammenbrechen”.

Jarolim nahm auch den ehemaligen Justizminister Dieter Böhmdorfer in die Pflicht. Dieser “hatte entgegen dem Rat sämtlicher Experten den Jugendgerichtshof, der europaweit eine Vorzeigeinstitution mit den geringsten Rückfallquoten war, aufgelöst. Von diesem Schlag hat sich die Jugendgerichtsbarkeit bis heute nicht erholt.” Zwar sei unter Maria Berger (S) ein Plan ausgearbeitet worden, um diesen Fehler zu beheben, nämlich das Jugendgerichtszentrum Baumgasse. “Dieser wurde aber von Justizministerin Bandion-Ortner zu Grabe getragen.”

Beatrix Karl will nichts gewusst haben

Die Kritik der Grünen richtet sich vor allem gegen die Person der Justizministerin: “Vor Tagen hat sie noch erklärt, dass sie über den Strafvollzug bestens informiert ist. Heute will sie von den zahlreichen, durch Mitarbeiter im Ministerium deponierten Missständen nichts gewusst haben”, sagte Steinhauser.

“Das Schönbeten hat nicht funktioniert. Unser Vertrauen in diese Justizministerin geht gegen null”, so der Sprecher über die Aussagen von Beatrix Karl zu den Zuständen im Jugendstrafvollzug.

(apa/red)

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