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Jetzt rumpelt's in der SPÖ

Ludwig setzte sich gegenüber Schieder durch.
Ludwig setzte sich gegenüber Schieder durch. ©APA/HERBERT PFARRHOFER
Gastkommentar von Johannes Huber: Die SPÖ gibt sich gegenüber der Rechten geschlagen, Kern wird zur Marionette – und Kurz darf sich freuen. 


57 Prozent. Es war kein knapper, sondern ein sehr, sehr deutlicher Sieg, den Michael Ludwig da in der Kampfabstimmung gegen Andreas Schieder um die Nachfolge von Michael Häupl als SPÖ-Wien-Chef und damit de facto auch Bürgermeister eingefahren hat. Dass Häupl das schmerzen muss, ist vollkommen nebensächlich; ein Stück weit hat er es ja auch provoziert, nachdem er die Partei zu lange nur launisch dahingeführt – und spätestens nach der Gemeinderatswahl 2015 nicht und nicht erneuert hat. Ihn kann es unter diesen Umständen zuletzt wundern, dass ihm die Dinge entglitten sind.

Und wie sie sich verselbstständigt haben. So sehr, dass es jetzt richtig rumpelt. In Wien und darüber hinaus, auf bundespolitischer Ebene nämlich. Doch eines nach dem anderen. 57 Prozent für Ludwig und seinen Kurs heißen, dass man sich in den sozialdemokratischen Flächenbezirken geschlagen gibt gegenüber den Freiheitlichen. Dass man jetzt halt auch mit dieser gewissen Zunge spricht. Wie es Ludwig in den vergangenen Wochen schon getan hat: Zuwanderer sollen sich wie bei der Supermarktkassa hinten anstellen. Und so: Wiener zuerst!

Ein bisschen muss man sich über diese klare Richtungsentscheidung dennoch wundern: Gerade in Wien hat es in den vergangenen Jahren auch eine andere Entwicklung gegeben, die einen neuen Weg für die Sozialdemokrat hätte eröffnen können: In den zentrums- und gürtelnahen Bezirken 15, 16, 17 haben die Freiheitlichen trotz hoher Migrantenanteile ihre besten Zeiten hinter sich; dort leben besonders viele junge Menschen, die Wien cool und vor allem lebenswert finden. Und überhaupt: In Wien sind die Akademiker unter den 25- bis 64-Jährigen seit Kurzem keine Minderheit mehr, die man laut Hans-Peter Doskozil vernachlässigen kann, sondern eine Mehrheit. Daraus hätte sich etwas manchen lassen.

Womit wir zur Bundespolitik kommen müssen: Gerade diese Zielgruppe hat Christian Kern bei der Nationalratswahl zumindest knapp 27 Prozent beschert. Was kein Zufall war: Nach allen möglichen inhaltlichen und strategischen Wendungen hat er sich in den Tagen vor dem Urnengang doch noch authentisch positioniert; als einer, der ein moderner Sozialdemokrat sein möchte und als einer, der sich gegen Mitte-Rechts-Parteien stellt. Damit hat er Punkte gemacht.

Seither macht Kern das einmal gar nicht (Warnung vor 150.000 Zuwanderern), einmal ein bisschen und ein anderes Mal stärker (Causa Landbauer). Doch das kann er sich jetzt im Grunde genommen ohnehin sparen. Denken wird er sich es sehr wahrscheinlich eh; aber es gehört auch geschrieben: Wenn Ludwig die Wiener SPÖ führt und die Arbeitnehmervertreter dabei bleiben, Überholtes und Schikanöses, von zu laschen Zumutbarkeitsbestimmungen bis hin zum Schaffen übereifriger Arbeitsinspektoren, zu bewahren, dann ist für Kern kein Platz mehr in der Sozialdemokratie; dann kann er exakt null weiterentwickeln oder auch nur graduell in eine andere Richtung bewegen. Sorry, er können als Statthalter von Ludwig und Co. bleiben. Oder gehen.

Bei alledem gibt es einen lachenden Dritten: Sebastian Kurz. Bei dieser SPÖ tun sich ja ganz neue Optionen auf für ihn. Kaum zu fassen: Dass Ludwig Rot-Grün nach der nächsten Gemeinderatswahl fortführt, ist sehr unwahrscheinlich; darauf wetten sollte man jedenfalls nicht. Eher möglich wird eine Zusammenarbeit der alten SPÖ mit der neuen Volkspartei. Und das beste (für Kurz) ist: Diese SPÖ taugt auch für eine Koalition auf Bundesebene.

Schon die burgenländischen Sozialdemokraten halten erstens nichts von Opposition und sind für Rechtsbündnisse zu haben. Die Gewerkschafter hätten wohl auch kein Problem damit; ganz zu schweigen die Arbeiterkämmerer, die so zumindest die Pflichtmitgliedschaft retten könnten. Und jetzt wäre dann wohl auch die Wiener SPÖ dabei, wenn die Macht in den Ministerien lockt. Was angesichts des Zustandes der FPÖ und der unberechenbaren weiteren Entwicklungen dieser Partei immer gut zu wissen ist für Sebastian Kurz: Er hat eine Koalitionsoption gewonnen. Die er nicht nützen muss. Aber kann. Falls er sie braucht.

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