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Japan schöpft Hoffnung im Kampf gegen Super-GAU

In Japan steigt die Hoffnung auf einen relativ glimpflichen Ausgang der Atomkatastrophe von Fukushima. Den 300 Ingenieuren in der Gefahrenzone des havarierten Atomkraftwerks gelang es am Sonntag, den Reaktorblock 2 wieder ans Stromnetz anzuschließen.
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Damit sind vier der sechs Blöcke wieder versorgt. Zwar blieb zunächst unklar, ob alle Maschinen und Pumpen in dem durch Erdbeben, Tsunami und Explosionen beschädigten Kraftwerk überhaupt noch funktionieren. Die Betreiber hofften jedoch, Anfang kommender Woche die Wende erzielen zu können.

Allerdings wurde zunehmend Radioaktivität in der Umwelt nachgewiesen. Nahe dem AKW in Fukushima und in der Nachbar-Präfektur Ibaraki wurden Strahlenwerte in Milch und Spinat gemessen, die über den Grenzwerten lagen. Die Regierung untersagte am Sonntag den Verkauf von Rohmilch aus Fukushima. Weitere Einschränkungen wurden erwogen.

In Tokio, 240 Kilometer von dem Reaktor entfernt, wurden sehr geringe Mengen von radioaktivem Jod im Trinkwasser nachgewiesen. Während viele Ausländer und Touristen die Hauptstadt verlassen haben, war keine große Flucht der Japaner selbst zu erkennen. Es gebe nicht viel, das sie tun könne, sagte eine 87-jährige Frau in einem Tokioter Supermarkt. “Ich habe nicht vor, meine Ernährung umzustellen. Und ich trinke nur Wasser aus Flaschen.”

Panzer sollen bei Trümmerräumung in Fukushima helfen

Panzer der japanischen Streitkräfte sollen am Montag helfen, Trümmer auf dem Gelände des beschädigten Atomkraftwerks Fukushima aus dem Weg zu räumen. Dies berichteten japanische Medien unter Berufung auf das Verteidigungsministerium in Tokio. Die dicke Metallhülle der Panzer werde die Soldaten vor der gefährlichen Strahlung schützen, berichtete der Fernsehsender NHK. Mit montierten Bulldozerschaufeln sollen die verstrahlten Trümmer aus dem Weg geräumt werden, um den Helfern den Zugang zu den Reaktorblocks zu erleichtern.

Die Zahl der Opfer stieg unterdessen weiter. Offiziell stand sie am Sonntag bei 8.133 Toten und 12.272 Vermissten. Die Polizei in der Präfektur Miyagi ging jedoch davon aus, dass es allein dort 15.000 Tote gegeben haben dürfte. Eine Viertelmillion Menschen haben weiter keinen Strom, eine Million kein Trinkwasser.

Nach neun Tagen gerettet

Daneben gab es aber auch eine gute Nachricht zu vermelden: In der zerstörten Stadt Ishinomaki wurden Medienberichten zufolge neun Tage nach der Katastrophe eine 80-jährige Frau und ihr 16-jähriger Enkel aus den Trümmern gerettet.

“Ich glaube, die Situation wird Schritt für Schritt besser”, sagte Staatssekretär Tetsuro Fukuyama. Nach den Arbeiten vom Sonntag verfügten die Blöcke 1, 2, 5 und 6 wieder über Strom. Die Lage in Reaktor 3, wo hochgiftiges Plutonium zum Brennstoff gehört, schien sich nach stundenlanger Kühlung mit Hunderten Tonnen Wasser durch Löschzüge ebenfalls zu stabilisieren. Anfang der Woche soll dann Reaktor 4 in Angriff genommen werden. Ein Sprecher des Betreibers Tokyo Electric Power (Tepco) erklärte allerdings, es könne mehrere Tage dauern, bis auch die Blöcke 3 und 4 ans Netz angeschlossen seien.

Sollte die Lage auch dort stabilisiert werden können, wäre dies der Wendepunkt in dem Kampf gegen einen drohenden Super-GAU. Wenn nicht, müssten radikalere Maßnahmen wie der Bau eines Beton-Sarkophags wie nach dem Tschernobyl-Unfall 1986 erwogen werden.

In den von Erdbeben und Tsunami betroffenen Katastrophengebieten haben den Menschen Kälte und Lebensmittelknappheit weiter zu schaffen gemacht. Vor allem die vielen alten Menschen in den Flüchtlingslagern sind erschöpft. Zwar treffen allmählich Hilfsgüter ein, und die Reparaturarbeiten, etwa an Gas- und Wasserleitungen, laufen. Doch oft mangelt es noch an ausreichend Heizöl und Öfen. Dem japanischen Sender NHK zufolge fehlen vielerorts Lebensmittel.

Michio Kobayashi, Arzt im Krankenhaus von Ishinomaki, sagte dem Sender NHK, die Menschen würden nun an den indirekten Auswirkungen des Bebens leiden. Nachdem in den ersten Tagen hauptsächlich Verletzte behandelt worden seien, steige nun die Zahl von Patienten mit Lungenentzündungen, Unterkühlung oder Infektionskrankheiten. “Uns fehlt es an allem,” sagte er NHK. “Wir brauchen dringend medizinische Versorgungsgüter, Essen und vor allem Heizmaterial.”

Das Beben mit der Stärke von 9,0 war das schwerste in Japan seit dem Beginn genauer Aufzeichnungen. Einen Wiederaufbau in dieser Größenordnung musste das Land zuletzt nach dem Zweiten Weltkrieg stemmen. Wirtschaftsminister Kaoru Yosano schätzte den wirtschaftlichen Schaden auf mehr als 20 Billionen Yen (175 Milliarden Euro).

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