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Japan an der Kippe: Stromkabeln sollen Kühlsysteme versorgen

Ein Sarkophag um das zerstörte Atomkraftwerk Fukushima könnte Japan als letzte Möglichkeit vor einer massiven Strahlenverseuchung bewahren.
Bilder I: Gewaltiges Beben
Bilder II: Zerstörung & Chaos
Bilder III: Chaos in Japan
Bilder IV: Tsunami wütete
Bilder V: Unzählige Tote
Bilder VI: AKW-Gefahr
Bilder VII: Super-Gau in AKW
Bilder VIII: 10.000 vermisst
Bilder IX: Schock sitzt tief
Bilder X: Wettlauf gegen die Zeit
Bilder XI: Zerstörung
Bilder XII: Vorher-nachher
Bilder XIII: In Schutt und Asche
Bilder XIV: Zerstörerische Ausmaße
Bilder XV: Unsagbare Katastrophen
Bilder XVI: Verzweifelter Kampf in Fukushima
Bilder XVII: Schnee behindert Arbeiten
Bilder XVIII: Lage außer Kontrolle
Tschernobyl: Bilder aus der Todeszone
Video I: Massives Erdbeben
Video II: Erste Aufnahmen
Video III: Tsunami tobt
Video IV: Trifft auf Küste
Video V: Häuser weggespült
Video VI: Erster Werktag
Video VII: Amateuraufnahmen
Video VIII: "Kein zweites Tschernobyl"
Video IX: Strahlenschutzexperte

Die Methode, die bereits 1986 in Tschernobyl eingesetzt wurde, sei ein letzter Ausweg, teilten Ingenieure des Betreibers Tepco am Freitag mit. Derzeit werde aber alles daran gesetzt, einen Super-GAU durch die Kühlung der Reaktoren noch zu verhindern. Die japanische Atombehörde stufte den Störfall der Reaktoren eins, zwei und drei unterdessen auf die Kategorie fünf hoch – die gleiche Kategorie wie der schwere Störfall im US-AKW Three Mile Island 1979. In Tschernobyl war die höchste Stufe sieben erreicht worden.

Die Ankündigung des Unternehmens, das gesamte Kraftwerk möglicherweise unter einem Sarg aus Sand und Beton zu begraben, könnte ein Hinweis darauf sein, dass Tepco ein Scheitern aller Rettungsversuche in Betracht zieht. Doch auch ein Sarkophag wäre keine saubere Lösung, sondern könnte einen Teil des Landes für Jahrzehnte als radioaktiv verseuchte Brache zurücklassen. Außerdem ist der Reaktor derzeit noch so heiß, dass aus Sand theoretisch Glas werden könnte und auch die Aufschüttung einer einer stabilen Betonhülle die nächsten Wochen oder gar Monate scheitern würde. Der Sarkophag in Tschernobyl setzte sich nicht richtig und bekam Risse, so dass Strahlung die Luft und das Wasser verseuchte.

Im AKW Fukushima arbeiteten unterdessen rund 300 Techniker in Schutzanzügen weiter mit Hochdruck daran, eine Starkstromleitung zu zwei der sechs Reaktoren zu verlegen. Mit der neuen Energieversorgung könnten die Wasserpumpen zur Kühlung der überhitzten Brennstäbe vielleicht wieder gestartet werden. Der Strom zu den Unglücksreaktoren eins und zwei und vielleicht vier könnte bis Samstag wieder fließen, erklärte die Atomaufsicht. Einen Tag später könnte auch der Reaktor drei wieder mit Elektrizität versorgt sein. Allerdings war unklar, ob die Wasserpumpen nicht durch das Erdbeben, den Tsunami und die späteren Explosionen im AKW beschädigt wurden.

Inzwischen wurden die Reaktoren weiter mit Wasser besprüht. Die Arbeiter konzentrierten sich dabei auf Reaktor drei, von dem die größte Gefahr ausgeht. Er wurde mit Mischoxid-Brennstäben betrieben, die sowohl Uran als auch das hochgiftige und krebserregende Plutonium enthalten.

Eine weiteres Problem stellen alte Brennstäbe des Reaktors vier dar, die noch in einem Abklingbecken gekühlt werden müssen. Unklar war, ob die Brennstäbe bereits trocken lagen.

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht von dem stark beschädigten Kraftwerk derzeit keine unmittelbare gesundheitsschädliche Strahlenbelastung für die Menschen im weiteren Umland aus. “Zu diesem Zeitpunkt gibt es weiterhin keinen Hinweis darauf, dass sich bedeutende Strahlung über das Gebiet direkt an den Reaktoren hinaus ausbreitet”, sagte der WHO-Vertreter in China, Michael O’Leary, am Freitag. Allerdings müsse die Lage genau beobachtet werden. “Dinge können sich offensichtlich ändern und haben sich in dieser letzten Woche geändert.”

Bei einem Störfall der Kategorie fünf wird von einer begrenzten Freisetzung radioaktiver Strahlung außerhalb der betroffenen Anlage ausgegangen. Nach Angaben der Atombehörde lag die Strahlung innerhalb des Atomkomplexes bei 20 Millisievert pro Stunde. Der Mensch ist normalerweise einer natürlichen Strahlung von zwei Millisievert pro Jahr ausgesetzt. Rund um Fukushima ist eine Evakuierungszone von 20 Kilometern eingerichtet worden. In einem Radius von weiteren zehn Kilometern wurden die Menschen angewiesen, sich nicht im Freien aufzuhalten. Die japanische Atomaufsicht erklärte, derzeit sei es nicht nötig, die Evakuierungszone auszuweiten.

Die Situation bleibe weiterhin sehr ernst, erklärte die Internationale Atomenergie-Behörde (IAEA). Allerdings gebe es keine deutliche Verschlechterung seit Donnerstag. Die Strahlenbelastung in der rund 240 Kilometer entfernten Metropole Tokio sei nicht gefährlich. Die IAEA forderte die japanische Regierung auf, mehr Informationen über das Reaktorunglück zu veröffentlichen. Experten der Organisation wollen sich am Samstag und Sonntag bei einem Besuch des AKW ein Bild von der Lage machen.

Während sich die Aufmerksamkeit auf die Atomkatastrophe von Fukushima richtet, leiden nach wie vor Hunderttausende Menschen unter den Folgen des Erdbebens und des Tsunamis. Sie leben in Notunterkünften oft ohne Heizung und Trinkwasser, während ein Kälteeinbruch Eis und Schnee brachte. Auch die medizinische Versorgung ist nicht gesichert. Die Regierung in Tokio erwog, einen Teil der betroffenen Menschen in andere Landesteile zu bringen, die nicht von Erdbeben und Tsunami betroffen sind. Im Norden Japans waren am Freitag bei Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt immer noch mehr als 300.000 Haushalten ohne Strom.

Ministerpräsident Naoto Kan versuchte am Freitag, seinen Landsleuten Mut zuzusprechen: “Japan als Land wird die Katastrophe überwinden und sich erholen”, sagte er. Die Lage in Fukushima erlaube zwar keinen Optimismus. Sie werde aber “in nicht weiter Ferne” unter Kontrolle gebracht.

Nach neuesten Angaben stieg die Zahl der Toten auf 6.539. Es wird allerdings befürchtet, dass noch weit mehr Menschen der Katastrophe zum Opfer fielen. Weiter werden mehr als 9.000 Menschen vermisst. Dem Fernsehsender NHK zufolge seien mindestens 25 Flüchtlinge schon gestorben. Sie seien meist alt und total entkräftet gewesen – womöglich wären sie ohne den Kälteeinbruch noch am Leben. (APA)

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