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Ja zu Neuwahlen

©APA/HERBERT NEUBAUER
Gastkommentar von Johannes Huber. Infolge der Coronakrise werden viele Richtungsentscheidungen nötig. Die Österreicher haben ein Recht darauf, eingebunden zu werden.

Der Vorarlberger Landeshauptmann bezweifelt, dass das bisherige Regierungsprogramm weiterhin Grundlage der türkis-grünen Koalition sein kann. Immerhin hat sich infolge der Coronakrise sehr viel geändert, wie Markus Wallner in einem Interview mit den Vorarlberger Nachrichten argumentierte. Die Reaktionen waren absehbar: Sie bestanden aus Neuwahlspekulationen. Und auch wenn sie von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) zurückgewiesen wurden, muss man davon ausgehen, dass es schon wieder zu Nationalratswahlen kommen könnte.

Einen starken Grund dafür lieferte Wallner selbst: „Natürlich werden ökologische Fragen weiterhin dazu gehören, aber es wird Verschiebungen geben“, ließ er wissen. Im Klartext bedeutet das weniger Klimaschutz. Und das können die Grünen nicht hinnehmen; es ist das einzige Thema, das ihre Handschrift trägt. Würden sie auch hier nachgeben, könnten sie sich gleich aufgeben.

Zunächst jedoch spricht rein Parteitaktisches für Neuwahlen: Die ÖVP liegt Umfragen zufolge bei 44 Prozent, die Grünen erreichen 19 Prozent. Für beide sind das Traumwerte, die schwer von Dauer sein werden. Immerhin wird nach der Gesundheits- mehr und mehr eine Wirtschafts- und Sozialkrise durchschlagen. Und Hunderttausende Arbeitslose sind auf Dauer kaum zu halten für Regierungsparteien; diese Leute wird es eher zu Protestparteien ziehen.

Bei derzeit 44 Prozent kann die neue Volkspartei von Sebastian Kurz vorübergehend sogar von einer absoluten Mehrheit für die folgenden fünf Jahre träumen. Sprich: Sie könnte die harten Zeiten, die noch folgen werden, mit größtmöglicher Macht überdauern.

Und überhaupt: Am 11. Oktober findet ohnehin schon die Wiener Gemeinderatswahl statt. Da könnten gleich alle Österreicher zur Urne schreiten. Was für die ÖVP den angenehmen Nebeneffekt haben könnte, dass sie bei der Gemeinderatswahl in der Bundeshauptstadt noch besser abschneidet als ohnehin schon erwartet. Zum Leidwesen der SPÖ.

Doch das sind wie gesagt nur parteitaktische Überlegungen, die vor dem Hintergrund dessen, worum es geht, nicht maßgebend sein sollten. Viel Größeres steht an: Die Republik muss umgebaut werden. Das Sozialsystem muss aus- oder abgebaut werden. Je nachdem, ob neue Steuern eingeführt werden oder nicht. Die bestehenden Mittel werden zur Finanzierung von Pensionen, Arbeitslosengeldern, Notstandshilfen und der Mindestsicherung jedenfalls nicht ausreichen. Zur Prävention werden alle Bürger wiederum eine Corona-App besitzen oder ihre Freiheitsrechte sonst irgendwie einschränken lassen müssen. Und so weiter und so fort. Ja, vielleicht wird man sogar die Verfassung ändern müssen, „Tirol-“ bzw. „Ischgl-Gate“ hat in den vergangenen Wochen immerhin gezeigt, dass der Bundesstaat nicht unbedingt krisentauglich ist.

All das schreit nach Neuwahlen: Im vergangenen Jahr sind ÖVP, SPÖ, FPÖ, Grüne und Neos mit Programmen angetreten, die aus heutiger Sicht zum größeren Teil überholt sind. Womit auch die Grundlage verloren gegangen ist, auf der die Wähler ihre Wahlentscheidung getroffen haben. Das ist das eine. Das andere: Gerade weil nun eben so einschneidende Veränderungen notwendig werden, ist es demokratiepolitisch ein Gebot der Stunde, die Parteien Konzepte erarbeiten und die Wähler darüber urteilen zu lassen.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.

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