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Italien: Regierungskrise vor Beilegung

Die schwelende Krise innerhalb der Mitte-Rechts-Koalition rund um ihren Justizminister Roberto Castelli steht nach einem in letzter Minute Kompromiss vor ihrer Beilegung.

Koalitionspartner einigten sich am Montagabend darauf, dass Vizepremier Gianfranco Fini in der Parlamentsdebatte am heutigen Dienstag zunächst die Rücknahme des von Castelli verfügten Ermittlungs-Stopps gegen Ministerpräsident Silvio Berlusconi verkünden wird. Im Gegenzug wird der christdemokratische Koalitionspartner UDC nicht, wie angedroht, den Misstrauensantrag der Opposition gegen Castelli unterstützen.

Der Justizminister war unter Druck geraten, nachdem er unter Bezug auf das im Mai verabschiedete Immunitätsgesetz die Einstellung von Ermittlungen gegen Berlusconi wegen möglichen Steuerbetrugs beim Kauf von Film- und Fernsehrechten in den 90er Jahren verfügt hatte. Der nunmehr gefundene Kompromiss erspart Castelli die Demütigung, die Rücknahme seiner Anordnung selber verkünden und argumentieren zu müssen.

Obwohl Justizminister Roberto Castelli mit der Unterstützung seiner Koalition rechnen kann, hält ihn die Opposition weiterhin unter Druck. Am Dienstagnachmittag wird der Senat den Misstrauensantrag diskutieren, den die Opposition gegen Castelli eingebracht hat. „Der Minister gefährdet die Prinzipien des Rechtsstaates. Er führt einen Krieg gegen die Mailänder Staatsanwälte und folgt passiv Berlusconis Befehlen. Er ist für Italien eine Gefahr“, sagte der Fraktionschef im Senat, Stefano Boco, der mit anderen Parteichefs der Opposition den Misstrauensantrag gegen den Minister einbrachte.

Der Misstrauensantrag stellt keine echte Gefahr für Castelli dar, der mit der Unterstützung der Koalitionspartner rechnen kann. Im Senat verfügt die Mitte-Rechts-Allianz über eine solide Mehrheit. „Ich habe mich ausschließlich an ein Gesetz gehalten, das von dem Parlament verabschiedet wurde. Man kann mir nichts vorwerfen“, so Castelli laut italienischen Medien vom Dienstag.

Grundlage für seinen Beschluss, die Ermittlungen gegen Berlusconi einzustellen, ist das im Mai verabschiedete Immunitätsgesetz, demzufolge Prozesse gegen den Regierungschef und andere hochrangige Staatsvertreter für die Dauer ihres Mandats ausgesetzt werden können. Laut der Opposition sieht das Immunitätsgesetz die Aussetzung von Strafverfahren gegen den Regierungschef, allerdings nicht von noch laufenden Untersuchungen vor.

Berlusconi zeigte sich über die Beilegung der Spannungen in seinem Bündnis zufrieden. Bei wichtigen Fragen, welche die Stabilität der Regierungskoalition betreffe, überwiege immer die Vernunft in der Mitte-Rechts-Allianz, so Berlusconi. Laut politischen Beobachtern stößt der Regierungschef jedoch auf zunehmende Schwierigkeiten, seine streitsüchtigen Bündnispartner unter Kontrolle zu halten. Vor allem zwischen der Lega Nord und der Nationalallianz tauchen fast täglich Meinungsverschiedenheiten über die unterschiedlichsten Themen auf.

Erst vor drei Wochen konnte Berlusconi einen heftigen Streit zwischen der Partei von Umberto Bossi und der Nationalallianz über die Umsetzung föderalistischer Reformen beilegen. Die Lega Nord hatte mit dem Austritt aus der Regierungskoalition gedroht, wenn die Regierung sich nicht zügiger um die Föderalisierung Italiens bemühe. Die strikt zentralistische Nationalallianz bremst das Projekt Bossis, Italien in einen föderalistischen Staat umzuwandeln. Berlusconi besänftigte jedoch die Lega Nord mit der Garantie, dass bis Jahresende entscheidende Gesetze zur Umsetzung der Reform über die Bühne gehen werden.

„Wegen der Spannungen in seiner Koalition wird Berlusconi von seinen Verpflichtungen als EU-Ratspräsident abgelenkt“, bemängelten Vertreter der Opposition. Ihrer Ansicht nach sei Berlusconis Mitte-Rechts-Block immer brüchiger. „Die Regierungskoalition wird vielleicht noch bis Ende des Halbjahrs unter italienischem EU-Vorsitz halten, danach wird sie in die Brüche gehen. Neuwahlen rücken immer näher“, betonte Oppositionschef Francesco Rutelli.

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