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Islamistische Regierung in Ägypten unwahrscheinlich

"Mit ihrer mittelalterlichen Interpretation der Scharia" könnten die Salafisten zu einem Hindernis werden.
"Mit ihrer mittelalterlichen Interpretation der Scharia" könnten die Salafisten zu einem Hindernis werden. ©EPA
Im neu gewählten ägyptischen Parlament dürften nach Ende der Abstimmungen im Jänner islamistische Abgeordnete in der Mehrheit sein. Ein Regierungsbündnis der beiden großen islamistischen Parteien, der salafistischen Al-Nur und der Partei der Muslimbrüder, ist jedoch eher unwahrscheinlich: Zu groß ist das gegenseitige Misstrauen. Dies lässt die säkularen und liberalen Gruppen hoffen, auch eine Rolle bei der Regierungsbildung spielen zu können.

Die Al-Nur-Partei überraschte in der ersten Wahlrunde mit einem Stimmenanteil von 24,4 Prozent. Experten hatten ihr höchstens 15 Prozent zugetraut. Die Muslimbrüder-Partei Freiheit und Gerechtigkeit kam auf 36,6 Prozent. Ihr Vizepräsident Essam al-Erian sagte Reuters, noch sei es zu früh, um über Regierungskoalitionen zu spekulieren. “Wir sind immer noch in der Demokratischen Allianz und unseren Partnern verpflichtet.” Zu dieser Allianz gehören auch zwei nicht-religiöse Parteien, Karama und Ghad. Seit dem Sturz von Präsident Hosni Mubarak dringen die Muslimbrüder auf politische Reformen unter Einschluss aller am Aufstand beteiligten Gruppen. Vor den Wahlen hatte Erian die Salafisten als Belastung für eine Koalition bezeichnet, da sie Neulinge im politischen Geschäft seien.

Koalition der Mitte wahrscheinlich

So geht der Politikexperte Issandr al-Amrani davon aus, dass die Muslimbrüder eine Koalition der Mitte anstreben. “Mit ihrer mittelalterlichen Interpretation der Scharia-Gesetze” könnten die Salafisten zu einem Hindernis in der Innenpolitik werden. Al-Nur-Parteichef Emad Abdel Ghaffur stellte bereits klar, seine Partei werde nicht die zweite Geige hinter den Muslimbrüdern spielen. Mit anderen Gruppierungen kann sich die Al-Nur jedoch eine Regierungsbildung vorstellen.

Tourismus-Branche fürchtet Islamisten

Auch die schweren Wirtschaftsprobleme des Landes sprechen nicht für einen Durchmarsch der Islamisten, müssen diese doch fürchten, in einem solchen Fall allein die großen Erwartungen ihrer Wähler zu enttäuschen. Vor allem in den Bereichen Banken und Tourismus sind die großen Differenzen zwischen den eher pragmatisch eingestellten Muslimbrüdern und den orthodoxen Salafisten offensichtlich: So will die Al-Nur das nicht-islamische Bankensystem schrittweise abschaffen. Außerdem soll der Verkauf von Alkohol ebenso verboten werden wie das Zeigen nackter Haut an ägyptischen Stränden. In der Realität muss jedoch jede Regierung noch bis über 2020 hinaus finanzielle Verpflichtungen erfüllen. Und der Tourismus, vor allem der Badetourismus, macht mittlerweile zwölf Prozent der Wirtschaft des Landes aus.

(APA)

Unterschiedlich ist auch die politische Basis beider Gruppen: Die Muslimbrüder werden überwiegend von der ägyptischen Mittelschicht getragen, von Ärzten, Rechtsanwälten und Ingenieuren. Die Al-Nur stützt sich dagegen vor allem auf ultra-konservative Muslime und spricht arme Bevölkerungsschichten an.

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