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Irak: Ausgangssperre wegen Gewalt

Aus Sorge vor einem drohenden Bürgerkrieg hat die irakische Regierung in weiten Teilen des Landes ein Ausgehverbot verhängt. Pressestimmen

In Bagdad riegelten Polizisten und Soldaten am Freitag die wichtigsten Straßen ab und umstellten die beiden größten sunnitischen Moschee der Stadt. Religiöse Führer riefen Schiiten und Sunniten zur Einheit und zu gemeinsamen Freitagsgebeten auf. Das Ausgehverbot sollte bis 16.00 Ortszeit (14.00 MEZ) gelten.

Bis auf vier Stunden am Nachmittag mussten die Bewohner der Hauptstadt und dreier Provinzen in unmittelbarer Nachbarschaft zu Hause bleiben. Die Straßen im Zentrum waren weitgehend menschenleer, aber in den Randbezirken kam es wieder zu Zusammenstößen. Über Nacht wurden Polizeiangaben zufolge mindestens 20 Menschen in Bagdad umgebracht. Selbst hochrangige Vertreter der regierenden Schiiten-Allianz äußerten die Furcht, dass weitere Anschläge die Situation außer Kontrolle geraten lassen könnten.

Trotz Ausgangssperre nahmen zu Mittagin der größten sunnitischen Moschee Abu Hanifa in Bagdad zahlreiche Gläubige am Freitagsgebet teil. Iman Ahmed Hassan al Taha verurteilte den Anschlag auf die Goldene Moschee in Samarra, eines der wichtigsten schiitischen Heiligtümer im Irak. Der Anschlag vom Mittwoch hatte die Welle der Gewalt ausgelöst, der seitdem fast 130 Menschen zum Opfer fielen.

Der Vertreter der schiitischen Allianz sagte, es fehle nur ein Funke, um die explosive Mischung aus Wut, Rache und abgründigen Misstrauens nach den Jahren des diktatorischen Regimes unter Saddam Hussein und der zahlreichen Anschläge in den vergangenen Monaten zum Zünden zu bringen. „Die Dinge können schnell außer Kontrolle geraten und wenn die Anschläge weitergehen, dann wird die Schiiten nichts mehr aufhalten.“

Auch der einflussreichste schiitische Politiker, Abdul Aziz al Hakim, verurteilte die Gewalt. Der Vorsitzende des Obersten Rat für eine Islamische Revolution im Irak (SCIRI) erklärte, die Attentäter von Samarra repräsentierten nicht die Sunniten im Irak. Vielmehr seien Anhänger des gestürzten Präsidenten Saddam Hussein und des Terrornetzwerk Al Kaida für die Tat verantwortlich, hieß es in einer Erklärung Al Hakims.

Trotz der Ausgangssperre kam es am Mittag im Süden von Bagdad zu einem Gefecht, offenbar zwischen Mitgliedern einer radikalen Schiiten-Miliz und Sunniten. In dem Stadtviertel Saidiya hatten sich Extremisten Bewohnern zufolge auch in der Nacht längere Schießereien geliefert. In dem Bezirk leben Angehörige beider Religionsgruppen in unmittelbarer Nachbarschaft zusammen, was wiederholt zu Spannungen geführt hat.

Auch im Viertel Sadr City, einer Hochburg der Schiiten-Miliz unter Führung des Radikalen Moktada al-Sadr, ignorierten die Menschen die Ausgangssperre und strömten wie von der Miliz aufgefordert zu Tausenden in die Moscheen. Sadr und andere schiitische Anführer haben zwar zu Ruhe und Ordnung aufgerufen. Ihre Kämpfer sind aber seit Tagen in großer Zahl bewaffnet in den Straßen unterwegs, errichten eigene Straßensperren und scheren sich nicht um die Anordnungen der Sicherheitskräfte.

In Latifiya südwestlich von Bagdad stürmten am Morgen Extremisten das Haus einer schiitischen Familie und erschossen zwei Männer sowie eine Frau. Zwei Kinder der Familie im Alter von elf und 13 Jahren seien verletzt worden, teilte die Polizei mit. Am Vortag hatten Extremisten auf ähnliche Weise in Bagdad eine Sunnitin getötet.

Die Regierung hatte das zunächst auf die Nacht beschränkte Ausgehverbot am Donnerstagabend bis Freitagnachmittag verlängert. Es galt für Bagdad und die angrenzenden Provinzen Diyala, Babil und Salaheddin. Ziel der ungewöhnlichen Maßnahme war es, die Menschen vom Besuch der Moscheen abzuhalten, die als mögliches Ziel weiterer Anschlägen galten.

Bei einer Razzia in der Hauptstadt wurde unterdessen nach US-Angaben ein Sprengstoffexperte der Al Kaida im Irak getötet. Akram Mahmud al Mushadani, genannt Abu Asma, sei bei einer Hausdurchsuchung von Koalitionssoldaten und irakischen Polizisten getötet worden, teilten die US-Streitkräfte am Freitag mit. Geheimdienstberichten zufolge habe er mit Sprengstoff gefüllte Westen besessen und diese auch einsetzen wollen. Abu Asma sei für viele tödliche Anschläge auf US-Soldaten und irakische Sicherheitskräfte verantwortlich gewesen, erklärten die US-Streitkräfte.

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