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Internationale Pressestimmen zur Nationalratswahl 2017

Das sagen internationale Tageszeitungen zur Wahl 2017 in Österreich
Das sagen internationale Tageszeitungen zur Wahl 2017 in Österreich ©Pixabay (Sujet)
Zwar ist das endgültige Ergebnis der Nationalratswahl 2017 noch ausständig, die großen Gewinner und Verlierer stehen jedoch fest. So kommentieren renommierte internationale Tageszeitungen das Wahlergebnis in Österreich.

“Handelsblatt” (Düsseldorf)

“Für Deutschland kommt der Rechtsruck des südöstlichen Nachbarn ungelegen. Österreich übernimmt in der zweiten Hälfte 2018 den EU-Vorsitz. Mit einer europakritischen oder gar -feindlichen Koalition könnte sich die Modernisierung Europas weiter verzögern. Denn Merkel versucht mit dem französischen Präsidenten Macron, Europa mit Reformen zukunftssicher zu machen. Mit den Visegrad-Staaten – Ungarn, Polen, Tschechien und Slowakei – hat sie bereits starke Gegner. Der Einfluss des osteuropäischen Quartetts droht durch eine rechte Regierung in Wien in Zukunft noch verstärkt zu werden – mit noch ungeahnten Folgen.”

“Der Tagesspiegel” (Berlin)

“Der Erfolg des 31-jährigen Sebastian Kurz zeugt auch vom Selbstverständnis einer neuen Generation von Politikern. Kurz hat einmal, da war er gerade mit 27 Außenminister geworden, auf die Frage nach seinen Vorbildern geantwortet, er habe keine. Und vielleicht ist das ja symptomatisch für eine Generation, die aufgewachsen ist in dem Wissen, das nichts so bleiben muss wie es ist. Die aufgewachsen ist mit Mark Zuckerberg, der – nur zwei Jahre älter als Kurz – an Giganten wie Microsoft und Apple vorbei mit Facebook eine Website programmierte, die die Welt völlig neu miteinander vernetzte. In der Unternehmer ihren Business-Plan nicht an die KfW schicken, sondern auf Kickstarter posten, um an Startkapital zu kommen. Die Generation Start-up ist nun in der großen Politik angekommen, mit allem, was sich damit verbindet. Das bedeutet mehr Innovation, mehr Flexibilität, mehr Chancen, aber auch weniger Sicherheit, weniger Planbarkeit, weniger Kontrolle.”

“Die Welt” (Berlin)

“Das Phänomen Kurz beflügelt die Debatte über die Aufstellung der bürgerlich-konservativen Parteien in Europa. Aber es ist eine artifizielle Debatte. Denn jedes Land ist ein Fall für sich, mit spezifischen Strukturen bezüglich Geografie, Bevölkerungszusammensetzung, politischer Organisation und Kultur. Insofern hinken solche Vergleiche. Es gibt keine einheitliche europäische Blaupause für Wahlsieger. Wohl aber diese Erkenntnis: In ausdifferenzierten und wohlhabenden europäischen Gesellschaften wie Deutschland, Finnland oder Österreich ist das allgemeine Bedürfnis nach sozialer Gerechtigkeit und Chancengleichheit derzeit geringer als jenes nach Sicherheit und Ordnung. Das haben weder SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz noch Österreichs SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern rechtzeitig erkannt.”

“Neue Osnabrücker Zeitung”

“Europa sei Teil der Lösung, nicht Teil des Problems, bekannte der nächste Regierungschef. Allein dieses Bekenntnis unterscheidet Sebastian Kurz und seine Volkspartei von der deutschen AfD. Kurz liegt nicht daran, mit den Visegrad-Staaten die Spaltung der EU zu vollenden. Vielmehr fühlt auch er sich ihrer konstruktiven Stärkung verpflichtet. Demnach sollte sich die EU verstärkt um große Fragen wie den Schutz der Außengrenzen kümmern, aber die Finger von dem lassen, was Staaten ohne europäischen Mehrwert allein regeln können. Am restriktiven Umgang mit Flüchtlingen und Einwanderern wird die neue Regierung in Wien festhalten. Nicht jeder, der solcherart konservative Politik betreibt, verdient den Stempel ‘Rechtspopulist’.”

“Leipziger Volkszeitung”

“Merkel muss auf die Nachrichten aus Österreich eine Antwort finden. Längst brodelt es in der CDU. Und das wird die Parteichefin über kurz oder lang noch zu spüren bekommen. Spätestens dann, wenn der Jamaika-Koalitionsvertrag steht und es in die mühselige Regierungsarbeit gehen sollte. Denn dann könnte sich rasch zeigen, dass die heutige CDU ausgezehrt, ohne Ziel und wie von gestern wirkt. Es ist kein Zeichen von Stärke, sondern eines von Schwäche, dass in der CDU heute nicht um die Führung gerungen wird.”

“Sächsische Zeitung” (Dresden)

“Sebastian Kurz erscheint wie ein konservativer Gegenentwurf zu Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Union. Und für manche Parteistrategen mag es verlockend sein, vom ÖVP-Wahlkampf zu lernen, wie man enttäuschte Anhänger wieder ins eigene Lager zurückholt. Doch wäre das “Modell Kurz” überhaupt übertragbar? Zuwanderung ist eine, aber bei Weitem nicht die einzige Sorge, die viele Deutsche bewegt. Die Misere in der Bildungspolitik, innere Sicherheit, die Vernachlässigung der Dörfer, der Pflegenotstand, prekäre Arbeitsverhältnisse, niedrige Renten und die Angst vor Altersarmut: Dafür erwarten die Menschen akzeptable Lösungen. Die wird es nicht geben, wenn man die Union programmatisch einfach nach rechts rückt.”

“Die Zeit” (online)

“Der Wahlausgang bedeutet jedoch mehr als bloß einen Wechsel an der Regierungsspitze: In Österreich hat sich eine tektonische Verschiebung ereignet. Das linke politische Lager wurde dezimiert, da auch die Grünen nach einer Parteispaltung beinahe neun Prozent verloren haben und nach gegenwärtigem Stand an der Vierprozenthürde scheiterten und aus dem Parlament fliegen werden – endgültig wird das erst nach der Auszählung aller Briefwahlstimmen am Donnerstag feststehen. (…) Sebastian Kurz hat nicht viel Zeit zu verlieren, mit den Freiheitlichen handelseins zu werden. Nach mehreren Anläufen ist es für deren Parteichef Heinz-Christian Strache höchste Zeit, Regierungsposten für blaue Funktionäre herauszuholen. (…)

In dieser Konstellation wird Österreich wahrscheinlich langsam aus dem europäischen Mainstream driften – obwohl das Land in der zweiten Jahreshälfte 2018 in der EU den Ratsvorsitz übernimmt – und sich vorsichtig den Visegrád-Staaten anbiedern. Denn die Agenda, der Kurz seinen Wahlsieg verdankt, besteht hauptsächlich aus einer restriktiven Flüchtlingspolitik, die sich ganz an dem Kurs der nordöstlichen Nachbarstaaten orientiert. Geschickt hatte der Außenminister seine Machtübernahme in Partei und Regierung zumindest zwei Jahre lang vorbereitet. Und von Anfang an stand dabei fest: Er würde nur die Politik der freiheitlichen Populisten übernehmen müssen, um bei Wahlen mit dem Sieg belohnt zu werden. Für die Volkspartei entpuppte sich das Thema zur Wunderwaffe, der die Genossen nur wenig entgegensetzen konnten. Der künftige Regierungschef wird auch weiter darauf setzen, weil dadurch sein eigentliches Ziel, den sozialdemokratischen Versorgungsstaat zurückzudrängen, überschattet wird und leichter umsetzbar wird.”

“Spiegel-Online”

“Rechtspopulismus und dumpfe Parolen sind gesellschaftsfähig geworden. (…) Österreich ist eine heile Welt. Der Lebensstandard ist so hoch wie kaum irgendwo anders in der Welt. (…) Aber nein, die Menschen sind grantig und wählen Protest. Es geht kaum darum, die Probleme zu lösen, sondern darum Wut abzulassen. (…) Anstatt Sozial-, Steuer-, Bildungs-, Wirtschafts-, Gesundheits-, Renten- oder Verkehrspolitik – wirklich wichtige Themen – spielten fast ausschließlich Flüchtlinge und Ausländer, Zuwanderung und Islam die Hauptrolle im Wahlkampf. Die FPÖ gab hier die Marschrichtung vor, die ÖVP folgte schamlos, verpackte die rechtspopulistischen Inhalte nur hübscher und triumphierte am Ende sogar. Selbst die SPÖ scheute nicht davor zurück, rechte Töne zu spucken.

Mit Ausländerfeindlichkeit, Islamophobie, Europakritik und Anti-Flüchtlingspolitik lassen sich in Österreich Wahlen gewinnen. Je polternder, je feindseliger, desto besser. Weil angeblich die Mehrheit so denkt und weil in der Demokratie die Mehrheit bestimmt, glauben Politiker, das sei in Ordnung. (…) In Österreich regieren aller Wahrscheinlichkeit nach demnächst Rechtspopulisten und auch Politiker mit Verbindungen zu Neonazis mit. Ein Aufschrei dagegen bleibt aus. Die Gefahr, die das birgt, ist, dass wir anfangen zu glauben, deren Gedankenwelt wäre normal. Dass wir beginnen zu denken, es wäre legitim, unverrückbare demokratische Prinzipien wie Freiheitsrechte, Rechtsstaatlichkeit oder das Gewaltmonopol des Staates infrage zu stellen und solche Prinzipien als verhandelbar anzusehen.

Dass wir die Diskriminierung von Menschen wegen ihrer Hautfarbe, ihres Glaubens, ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Überzeugungen für akzeptabel halten. Dass Rassismus noch weiter in die Mitte der Gesellschaft rückt. Dass Hemmungen, Menschen zu beleidigen, zu bespucken, ihnen Gewalt anzutun, weiter fallen. Rechtspopulistische Politiker mögen am Rande der Legalität reden – viele ihrer Anhänger handeln jenseits dieser Grenze und fühlen sich nun bestätigt. (…) Sebastian Kurz hat immer davon gesprochen, dass er für einen neuen Stil stehe. Es ist nun seine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass Extremismus in diesem Stil keinen Platz hat.”

“Liberation” (Paris)

“Die Österreicher scheinen dieser jahrelangen Großen Koalition der Sozialdemokraten und Konservativen müde zu sein. Ein Bündnis aus Konservativen und Rechtsaußen ist also möglich. Die beiden Parteien können sich zwar nicht ausstehen, surfen aber auf derselben flüchtlingsfeindlichen Welle – die FPÖ warf (dem Spitzenkandidaten der ÖVP Sebastian) Kurz vor, ihre Wahlkampfthemen kopiert zu haben. Aber am Ende liegen die beiden Parteien mit ihren Positionen oft auf derselben Linie.”

“Politico” (Brüssel)

“Was beim Aufstieg von Kurz besonders ins Auge sticht, ist, dass er die Wahl gewinnen konnte, indem er Binsenweisheiten zum Umgang mit Populisten in den Wind geschlagen hat. Politikberater in ganz Europa warnen gemäßigte Politiker nämlich davor, die Politik und Rhetorik von rechtsextremen Parteien zu kopieren, weil die Wähler lieber beim Original blieben. Kurz, der die fade ÖVP in den vergangenen Monaten nach Belieben umgestaltete, ja sogar die Parteifarbe von schwarz zu einem dezenten türkis änderte, bewies, dass das Klonen von populistischen Positionen unter dem richtigen Anführer zum Erfolg führen kann. Auf diese Weise scheint er die Wähler davon überzeugt zu haben, dass er und seine Partei Proponenten des Wandels sind, obwohl sie seit dem Jahr 1987, dem Jahr nach Kurz’ Geburt, durchgehend in der Regierung saßen.

“Delo” (Ljubljana)

“Der Vorwurf, er hätte den Freiheitlichen das Wahlkampfthema “gestohlen” stimmt: Dem blutjungen Anführer der erneuerten Volkspartei Sebastian Kurz ist es gelungen, mit seiner Anti-Flüchtlingspolitik seine Partei vor dem totalen Desaster zu retten, das ihr laut Umfragen noch vor einem halben Jahr gedroht hatte. Vor den Wahlen klang Kurz fast schon so wie der Anführer der Freiheitlichen, Heinz-Christian Strache. Doch diese Verschiebung betraf nicht nur ihn. Sogar der bisherige sozialdemokratische Kanzler Christian Kurz, den man als überaus flüchtlingsfreundlichen Direktor der österreichischen Eisenbahnen zum “Kanzler der Herzen” ernannt hatte, sprach dieser Tage wie Kurz in ruhigeren Tagen. Jetzt soll noch wer sagen, dass die Flüchtlingswelle keinen Schaden verursacht hat.”

“Vecer” (Maribor)

“Es fällt ins Auge, dass schon die bisherige rot-schwarze Koalition nach rechts geschielt hat. In den vergangenen Monaten traf sie Entscheidungen, als wären sie vom islamfeindlichen und europaskeptischen Rechtspolitiker Strache diktiert worden. Etwa die Verlängerung der Kontrollen an der Schengen-Binnengrenze, auch jener zu Slowenien, wo teilweise sogar ein Zaun errichtet wurde. Kurz gehört auch zu jenen mit den größten Verdiensten dafür, dass die Balkan-Flüchtlingsroute hermetisch geschlossen wurde. Es stimmt schon, dass Österreich und die Welt nicht untergehen werden, wenn Kurz Strache in seine Regierung aufnehmen wird. Brüssel wird die bittere Pille schlucken und weiterhin Selbstbeschäftigung betreiben, während immer mehr von Europa in Europaphobie und Nationalismus rutscht.”

La Repubblica” (Rom)

“Österreich, eines der reichsten und glücklichsten Länder der Welt (laut dem World Happiness Report), zieht nach rechts und jagt dabei den Phantomen seiner Ängste hinterher. Jetzt könnte sich Österreich von Brüssel abwenden, sich Warschau und Budapest anschließen und somit Mitglied jenes Kreises von Euro-Egotisten werden, die unter dem Begriff “Visegrad-Gruppe” bekannt ist. Gemeinsam haben sie alle eine arrogante mentale und politische Verschlossenheit gegenüber der Welt im Wandel”.

“Corriere della Sera” (Mailand)

“Im Herzen Europas gibt es ein reiches, kleines Land, das wegen seiner Kultur, Geschichte und Tradition besonders relevant ist, in dem sechs von zehn Bürgern zu einem politischen Vorschlag Ja gesagt haben, der exklusiv auf Ablehnung der Einwanderung, Kampf gegen die islamische Bedrohung und Toleranz Null gegenüber den Flüchtlingen basiert. Das ist ein klares Signal dafür, wie in Europa die Trennlinie zwischen konservativen und rechtsextremen Kräften immer dünner wird. Immer mehr gemäßigte Parteien sind bereit, die harte Linie in punkto Migranten, Islam und interne Sicherheit zu beschreiten”.

“La Stampa” (Turin)

“Jung und schön: Sebastian Kurz ist die alpine Variante von Emmanuel Macron, Justin Trudeau und Leo Varadkar. Sie sind alle Beispiele einer Welle der Generationenverjüngung in Europa und im Westen. Kurz hat die gemäßigten Kräfte in Richtung Populismus gedrängt. Er hat somit den wahren Populisten, der FPÖ von Heinz-Christian Strache, Stimmen entzogen. (…) Italien muss bereit sein, mit der neuen österreichischen Regierung auf bilateraler Ebene zu verhandeln und dies im Geist voller Kooperation, wenn möglich. Wenn nicht, soll es zu einem harten Konfrontationskurs kommen. Im Europa von Schengen gibt es keinen Platz für einen dem Verkehr verschlossenen Brenner”.

“Il Giornale” (Mailand)

“Eine Regierung Kurz-Strache wäre das am stärksten rechtsorientierte Kabinett in ganz Europa. Das wäre das logische Ende der letzten Ereignisse in Österreich, nachdem der Nationalist Hofer im vergangenen Jahr nur um ein Haar die Präsidentschaftswahl verloren hatte. Mit Reaktionen aus Europa ist nicht zu rechnen. Nach dem Wahlerfolg der AfD in Deutschland sowie der Anti-Migrationsparteien in Skandinavien und den ausländerfeindlichen Positionen der Visegrad-Länder hat sich Europa an das Voranschreiten einer gewissen Form von Nationalpopulismus überall gewöhnt”.

“Il Messaggero” (Rom)

Mit einer Regierung Kurz scheint ein Zusammenstoß zwischen Italien und Österreich im Bereich Einwanderung unvermeidbar. Konflikte wird es mit Italien bestimmt am Brenner geben, wo Kontrollen durchgeführt werden, und in Tarvis, wo Österreich stets behauptet, dass nicht registrierte Migranten aus dem Mittelmeerraum die österreichische Grenze überschreiten”.

“Le Figaro”

Die Versprechungen eines Neubeginns haben die erhofften Ergebnisse gebracht. (…) Um eine mehrheitsfähige Regierung zu bilden, könnten die Konservativen neuerlich mit den Sozialdemokraten koalieren. Aber diese traditionelle Koalition wurde von Sebastian Kurz mehrmals angefeindet und von einer Schmutzkübelkampagne der SPÖ heftig erschüttert. Eine Übereinkunft zwischen der ÖVP und der extremen Rechten gilt als ganz und gar nicht unwahrscheinlich, könnte aber dieselben stürmische Reaktion auslösen, die es auch schon im Jahr 2000 bei dieser Koalitionsvariante gegeben hatte. Schließlich könnten auch SPÖ und FPÖ genug Mandate auf sich vereinen, um eine Mehrheit im Parlament zu bilden, aber die Aussicht auf ein solches Bündnis könnte zu heftigen Spannungen innerhalb der Sozialdemokratischen Partei führen.”

“Le Monde”

“Er ist erst 31 Jahre alt und schon dabei, eine verrückte Wette zu gewinnen: Der jüngste Kanzler in der Geschichte Österreichs, die jüngste europäische Führungspersönlichkeit und eine sehr jugendliche Figur auf der internationalen Bühne der Macht zu werden. Sebastian Kurz hat am Sonntag die Nationalratswahlen gewonnen, die er selbst im Mai vom Zaun gebrochen hatte. (…) Auch wenn Kurz keine Option ausgeschlossen hat, scheint eine Koalition mit der FPÖ am wahrscheinlichsten.”

“La Croix”

“Sebastian Kurz hat den Erwartungen entsprochen. Wie es die Umfragen vorhergesehen hatten, gewann seine Partei, die ÖVP, die Wahlen am Sonntag deutlich. (…) Im Mai hatte der junge Außenminister die Zügel der Partei in die Hand genommen und seinen lockeren und direkten Stil durchgesetzt. (…) Eine Koalition mit der Rechtsaußenpartei FPÖ ist umso wahrscheinlicher, als die zwei Gruppierungen sehr ähnliche Positionen vertreten, vor allem in Fragen der Migration.”

“Ouest-France”

“Er bezeichnet sich als ‘zu jung’ um Papa zu werden, aber mit der Position des Kanzlers hätte er keine Probleme. Mit 31 Jahren ist Sebastian Kurz ohne Überraschung der große Sieger der vorgezogenen Neuwahlen, die er selbst herbeiführte, als er im Mai die Führung des konservativen Lagers übernahm. (…) Der zweite große Sieger dieser Wahl ist der rechte Rand (FPÖ). Mit 26 Prozent der Stimmen wird die Partei laut den ersten Hochrechnungen Dritter hinter den Sozialdemokraten. Aber es ist die FPÖ, die sich als Königsmacherin positionieren könnte. (..) Die Grünen laufen Gefahr, aus dem Parlament zu verschwinden … und das, obwohl der österreichische Präsident ein Grüner ist!”

“Mlada fronta Dnes”

“Kurz konnte die Migration, die für viele Österreicher zum Alptraum und Trauma wurde, zum Wahlschlager machen, obwohl er Außenminister in der Zeit war, in der 100.000 Migranten nach Österreich gekommen sind. In einer Regierung, die das weder verhindern wollte noch verhindern konnte. Von der bisherigen Politik hielt er jedoch die Hände weg und übernahm unter dem Motto ́Keinen einzigen Immigranten ́ das Wahlprogramm der extrem-rechten Freiheitlichen”.

“Lidove noviny”

“Österreich war nie ein Revolutionsland. Die gestrigen Wahlen waren aber revolutionär. Sie verstärkten die Rechte so, dass sie den Weg für eine eventuelle Regierung der ÖVP und FPÖ geebnet haben (…) Als ob die Menschen langsam verstünden, dass nicht jede Partei, die dieser oder jener Politik kritisch gegenüber steht, die Etikette von Chauvinismus und Extremismus erhalten muss. Dass es auch anderswo Fehler gibt. Etwa wenn die Große Koalition zur Regel wird, sodass der Wähler den einzigen Ausweg in der Proteststimme sieht”.

“Hospodarske noviny”

“In Wien ist es ein öffentliches Geheimnis, dass die ÖVP und FPÖ eine gemeinsame Regierung im Voraus ausgehandelt haben, in der der ehemalige FPÖ-Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer der Außenminister sein sollte – und damit seinen neuen Wahlkampf beginnen sollte. Und die EU wird bei all ihren Problemen sich eher die Zähne verbeißen, als sich bemühen, Wien zu isolieren. Für Europa sowie für Tschechien als Nachbarn Österreichs sind die Wahlergebnisse und die wahrscheinliche Rechts-Regierung eine interessante Nachricht”.

“Magyar Idök” (Budapest)

“Österreich ist ganz klar Ungarns Bündnispartner, nicht nur wegen des Schutz- und Trutzbundes innerhalb der EU, sondern auch wegen der ausgesprochen wichtigen bilateralen Beziehungen. Ein stabiles und ausgeglichenes Österreich ist für Ungarn ein wahres Geschenk, und auch umgekehrt ist das der Fall. Es gehört nicht zu den Visegrad-Vier (Ungarn, Polen, Tschechien, Slowakei), und es wäre auch nicht gut, diese sich schön entwickelnde Zusammenarbeit jener vier Länder auszuweiten. Doch ein Österreich, das offen ist für frische, mitteleuropäische Ideen und Lösungsvorschläge, wäre ein Gewinn für alle, für die festgefahrene EU ebenso wie für die Visegrad-Vier, die sich einen Aufbruch erwarten und ersehnen. Der nunmehrige Wahlsieg von (Sebastian) Kurz liefert dafür eine ausgezeichnete Grundlage. Natürlich bleibt noch die Frage, wie er sich die Zukunft vorstellt, ob mit oder ohne (einen rechtspopulistischen Koalitionspartner) FPÖ.”

“Magyar Nemzet” (Budapest)

“Ungarns rechts-konservativer Regierungschef Viktor Orban hat am Sonntag einen österreichischen Bundeskanzler dazugewonnen, der in zahlreichen Fragen auf demselben Standpunkt steht wie er. Kurz mag von vornherein die autoritären Politiker in Südosteuropa. Vom gescheiterten mazedonischen Regierungschef (Nikola Gruevski) bis zum derzeitigen serbischen Präsidenten (Aleksandar Vucic) drückten sie alle ihm deshalb die Daumen. Eine eventuelle Regierungsbeteiligung der FPÖ könnte wiederum die Wiener Außenpolitik EU-kritischer machen, selbst wenn die Position des Außenministers für die Rechtspopulisten nicht in Reichweite scheint.”

“Evenimentul Zilei” (Bukarest)

“Obwohl er seit jeher in der Politik ist, ohne anderen Beruf als den eines Politikers, ist es (Sebastian) Kurz gelungen, aufgrund seiner Jugend die Rolle des neuen Menschen zu spielen; er hat aber nie die eiserne Hand gezeigt, mit der er seine eigene Partei führt. Dies hat dazu geführt, dass er nach der Wahl vom 15. Oktober in die Position gekommen ist, Kanzler zu werden, als neuer Wunderpolitiker nach dem Modell des Kanadiers Justin Trudeau und von Emmanuel Macron.

“mno.hu”, Online-Ausgabe der “Magyar Nemzet” (Budapest)

“Viktor Orban hat einen österreichischen Kanzler gewonnen, der in zahlreichen Fragen den gleichen Standpunkt vertritt. Die Bürger unseres westlichen Nachbarn haben am Sonntag auf den Tisch geschlagen. Sie hatten genug von dem Bündnis der Sozialdemokraten (SPÖ) und der Konservativen (ÖVP). Dabei hat dieses Paar Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem der reichsten Staaten Europas gemacht (…) Und dennoch sagte Österreich am Sonntag “Nein”. Auf die Große Koalition kann nun eine rein rechte Regierung folgen. Der Außenminister und Chef der Volkspartei, der gerade einmal 31-jährige Sebastian Kurz, konnte den Wählern glaubhaft machen, dass er obwohl er bereits seit einigen Jahren Teil der Regierung ist, die Erneuerung verkörpert.

“Dnevnik” (Ljubljana)

“Nach dem historischen Parlamentseinzug der deutschen AfD haben nun die Freiheitlichen ihr bisher bestes Ergebnis mehr oder weniger wiederholt (wenn nicht sogar übertroffen, was sich in wenigen Tagen zeigen wird). Auch wenn es zwischen der AfD und der FPÖ viele Ähnlichkeiten gibt, gibt es doch einen wichtigen Unterschied. Während sich die AfD nach den Wahlen noch stärker radikalisiert hat, war Straches Regierungswunsch offenbar so groß, dass er vom rechten Rand in Richtung Mitte gerückt ist. Weil aber gleichzeitig die ÖVP mit Kurz (und Innenminister Wolfgang Sobotka) schon während der bisherigen Regierungszeit rechts von der Mitte rückte, könnte die etwaige bzw. die wahrscheinlichste konservativ-freiheitliche Koalition einen größeren Einschnitt in die Geschichte der Zweiten Republik bedeuten als die gleiche Koalition vor 18 Jahren. Damals wurde Österreich vorläufig aus der EU ‘verbannt’, was heute, sollte die rechtspopulistische Agenda allgemein übernommen werden, eine unvorstellbare Reaktion ist.”

Valasz.hu (Budapest)

“Kurz hat alles abgeräumt. Er hat nach seiner Wahl im Mai zum Parteichef von der ÖVP uneingeschränkte Vollmacht erhalten, um nach seinem Geschmack die seit Jahren dahinvegetierende, abgenutzte Partei umzugestalten. Und diese Strategie hat sich bewährt (…) Seine politischen Gegner hatten ihn damals direkt der “Orbanisierung” (Viktor Orban) beschuldigt. Und wir wissen, dass es für die westlichen Linken kein schrecklicheres Attribut gibt.”

“Gazeta Wyborcza” (Warschau)

“(Sebastian) Kurz, ein Anführer, der bisher als “politisches Wunderkind” bezeichnet wird, wird jüngster Regierungschef in der Geschichte Österreichs und einer der jüngsten in der Geschichte Europas. (…) Das Wahlergebnis ist der Effekt seiner politischen Cleverness. Kurz hat die Österreicher überzeugt, dass er das Land vor einer Überflutung durch Ausländer bewahren wird und diejenigen, die bereits zu ihnen gekommen sind, zur Integration zwingen oder rausschmeißen wird.”

“ABC” (Madrid)

“Die Konservativen gewinnen und öffnen die Tür für eine Allianz mit den Rechtsextremen. (…) Die Wahlen hatten jetzt schon die Fähigkeit, dass starre politische System zu sprengen. (…) Viele Beobachter meinen, dass dieser starke Rechtsruck in Österreich ähnliche Prozesse in weiteren europäischen Ländern erwarten lassen, was den Anfang vom Ende der politischen und kulturellen Hegemonie der Sozialdemokratie bedeuten würde.

“El Mundo”

“Konservativer Sieg und Aufstieg der Ultrarechten in Österreich. Die Österreicher wollen etwas Neues, und Kurz scheint bezüglich einer Koalition mit der FPÖ keine Vorbehalte zu haben. (…). Aber niemand schließt die Neuauflage einer Großen Koalition völlig aus. Der Grund liegt im Inneren der österreichischen Gesellschaft selbst, die nach dem Krieg auf einem Netzwerk von Bünden, Gesellschaften, Vereinen sowie Vereinigungen, oder wie immer man das nennen will, gegründet wurde. Sie sind im ganzen Land präsent, es gibt sie für jeden Geschmack, alle Stände, Berufe und soziale Klassen. Die Verknüpfung dieser “Bünde” mit den Parteien ist so eng und deutlich, dass man ohne angemessene politische Zugehörigkeit im System nicht aufsteigen kann.”

“El Pais” (Madrid)

“Österreich dreht sich mit dem Sieg des Konservativen Kurz nach rechts. Die Sozialdemokraten lagen nur knapp vor den Ultrarechten der FPÖ. Insgesamt wählten mehr als 55 Prozent der Österreicher rechts.”

“El Periodico” (Barcelona)

“Österreich legt sich wieder in die Arme der Rechten. Österreich wird ab jetzt ein konservativeres und verschlosseneres Land sein. Das gute Abschneiden der Anti-Migrations-Kräfte, die von Heinz-Christian Strache angeführt werden, einem Ultra mit Neo-Nazi-Vergangenheit, öffnet die Türen für eine Koalition mit den Konservativen (…). Im Gegensatz zu anderen Ländern in der Europäischen Union ist die Präsenz der Ultrarechten keine Anomalie. Man ekelt sich nicht davor, mit ihnen zu paktieren. Sogar die Sozialdemokraten, die der FPÖ vorwerfen, sie hetze gegen Minderheiten, haben Vereinbarungen mit ihnen nicht ausgeschlossen. In Österreich ist Islamophobie normal. Die Grenzen zu schließen oder Flüchtlingen die Hilfe zu streichen, ist hier nicht den Extremisten vorbehalten.”

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(APA/Red.)

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