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Immer mehr Delogierungen in Wien

Zusammenpacken und gehen: Dieses Schicksal passiert immer öfter.
Zusammenpacken und gehen: Dieses Schicksal passiert immer öfter. ©Bilderbox
Die Wiener Richter treffen immer häufiger eine für Mieter folgenreiche Entscheidung: Sie erlauben Wohnungseigentümern immer öfter eine Räumungsexekution - also eine Delogierung.

Heuer werden es insgesamt rund 7.640 Fälle sein. Das ist eine Steigerung von rund drei Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Diese Zahlen wurden am Montag im Rahmen einer Pressekonferenz des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen präsentiert.

Delogierung als Spiegelbild der Wirtschaftslage

“Die Zahlen sind ein gewisses Spiegelbild der wirtschaftlichen Situation”, zeigte sich Richter Peter Kovanyi überzeugt. Auffällig sei unter anderem, dass Wohnungseigentümer immer schneller klagen. “Es ist keineswegs so, dass Vermieter eineinhalb Jahre zuschauen, wenn jemand keine Miete zahlt.” Oft würden bereits rechtliche Schritte ergriffen, wenn jemand zwei oder drei Monate im Rückstand ist.

Die Anzahl der Räumungsexekutionen sei nicht gleichzusetzen mit der Anzahl jener Personen, denen eine Räumung droht, betonte Kovanyi. Diese Zahl sei deutlich höher, da von einem Fall ja auch eine ganze Familie betroffen sein könne. Eine Einigung zwischen Mieter und Vermieter gibt es aber oft auch noch nach dem Richterspruch: Laut dem Landesgericht für Zivilrechtssachen kommt es in rund der Hälfte der entschiedenen Fälle tatsächlich zu einer Räumung.

Ein Fünftel aller Klagen sind Mietgeschichten

Insgesamt betreffen rund ein Fünftel aller in Wien eingebrachten Zivilklagen Wohn- bzw. Mietangelegenheiten. Dabei zeigt sich nicht nur, dass Mieter den Zins immer häufiger nicht zahlen können, auch die Fälle, in denen es um das Verhalten psychisch Kranker geht, werden laut den Zivilrichtern mehr. Wenn Nachbarn durch Lärm, Drohungen oder gar Attacken beeinträchtigt werden, droht nämlich ebenfalls die Delogierung.

Die anderen Mieter seien dabei oft nicht grundsätzlich intolerant, berichtete Kovanyi. Oft gebe es durchaus Verständnis für die Betroffenen. Laut Doris Obereder, Richterin am Bezirksgericht Leopoldstadt, sind immer häufiger jüngere Personen durch ihr Verhalten auffällig. Es handle sich dabei etwa um Migranten, deren Eltern nicht immer wüssten bzw. wahrhaben wollten, dass ihre Kinder ein medizinisches Problem haben – wodurch die entsprechende Behandlung unterbleibe.

Andere einst “klassische” Streitthemen sind unterdessen kaum mehr relevant. So nehmen etwa die Betriebskostenüberprüfungen ab. Laut Obereder ist in diesem Zusammenhang bereits viel ausjudiziert. Auch illegale Ablösen würden kaum mehr verlangt. Und es gebe auch immer weniger Vermieter, die ihre Mieter loswerden wollen, um die Wohnung teurer zu vermieten – was laut den Experten auch daran liegt, dass es kaum mehr extrem günstige alte Mietverträge gibt.

Mietnomaden bekommen mehr Aufmerksamkeit

Mehr in den Medien als in der Realität sind offenbar die sogenannten Mietnomaden unterwegs, befanden die Richter. Und falls doch, trifft es weniger den Wohnbereich, sondern eher kleine Geschäftslokale.

Menschen, die genug Geld haben, sind übrigens nicht von Streitigkeiten rund ums Wohnen gefeit: Zivilrichter Peter Kovanyi berichtete etwa von einer Auseinandersetzung in einem Nobelbezirk, bei der es um die Frage ging, ob die Tochter eines Professors noch nach 20.00 Uhr Klavier spielen darf. “Diese Verfahren werden oft mit ungeheurem Aufwand an Geld betrieben”, staunte der Jurist. So manche Delogierung würde sogar bis zum Höchstgericht geführt werden

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