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Hühner- und Putenfleisch im Marktcheck: Tierschutz-Standards verbesserungswürdig

Die Haltungsbedingungen von Pute und Co. wurden unter Tierschutzaspekten näher untersucht
Die Haltungsbedingungen von Pute und Co. wurden unter Tierschutzaspekten näher untersucht ©Pixabay (Sujet)
Die Arbeiterkammer Oberösterreich und der Tierschutzverein Vier Pfoten haben die Bedingungen der Haltung von Masthühnern und Puten in Österreich genauer unter die Lupe genommen.
2020: 98 Mio. Hühner verarbeitet
Bessere Lebensmittel-Kennzeichnung geplant

Ein Marktcheck von VIER PFOTEN gemeinsam mit dem Konsumentenschutz der AK Oberösterreich zeigt die Bedingungen der Haltung von Masthühnern und Puten in Österreich und nimmt die gesetzlichen Bestimmungen sowie die gängigen Gütesiegel unter die Lupe.

Tierschutz-Standards besser als im Ausland, aber lange nicht gut

Dabei wird deutlich, dass die Mindeststandards in Österreich im Vergleich mit dem EU-Ausland zwar besser, aber aus Tierschutzsicht nach wie vor viel zu schwach sind. Das gängigste der österreichischen Labels, das AMA-Gütesiegel, geht über die gesetzlichen Vorgaben kaum hinaus. Mehr Tierwohl bieten Bio- und Tierwohl-Gütesiegel.

Bei einem durchschnittlichen Fleischkonsum von 62,6 kg im Jahr essen Herr und Frau Österreicher 9,3 kg Hühnerfleisch und 2,6 kg Putenfleisch, die Tendenz ist aber steigend. Der Selbstversorgungsgrad in Österreich bei Hühnerfleisch liegt bei 83 Prozent, bei Putenfleisch gerade einmal bei 42 Prozent.

Puten haben in Österreich im EU-Vergleich viel Platz

"Österreich bietet vor allem Puten mehr Platz als alle anderen EU-Länder. Denn bei der Pute gibt es in der EU überhaupt keine Mindeststandards, was wirklich eine Schande ist. Aber ansonsten werden auch bei uns sowohl bei der Pute als auch beim Masthuhn ganz wesentliche Tierwohlaspekte nicht berücksichtigt", sagt VIER PFOTEN Kampagnenleiterin Veronika Weissenböck. "Dazu kommt, dass wir vor allem über die Gastronomie und die verarbeiteten Produkte sehr viel Fleisch aus dem Ausland konsumieren. Das Argument, dass es bei uns ja ohnehin besser ist, gilt also leider wirklich nur sehr eingeschränkt; mangels Kennzeichnungspflicht bleibt das Tierwohl im Dunkeln."

Probleme sind vielfältig

Die meisten europäischen Ställe halten im Durchschnitt mit 60-70 kg/m² um ein Drittel mehr Puten als in Österreich erlaubt sind (maximal 40 kg/m²). Masthühner haben in der EU eine maximale Besatzdichte von 33 kg/m², Österreich mit 30 kg/m² dabei nur geringfügig mehr Platz. Laut der EU-BIO Verordnung sowie bei den Labels BIO-Austria und AMA-BIO haben sowohl Puten als auch Masthühner deutlich mehr Platz. In Österreich sind in etwa 20 Prozent der Putenmast- und Masthuhnbetriebe BIO.

Über die so genannte Besatzdichte, also die Anzahl der Tiere pro Quadratmeter, hinaus gibt es für Puten und Masthühner in Österreich aber keine Vorteile. Vielmehr gibt es gravierende Probleme, etwa das viel zu schnelle Wachstum, das unter anderen zu Lahmheiten und massiven Knochen- und Gelenksproblemen führen kann. Denn das oberste Ziel in der intensiven Produktion von Mastgeflügel ist die Erzeugung mit möglichst geringen Kosten und damit die schnelle Gewichtszunahme in kurzer Zeit auf wenig Platz.

Vier Pfoten: "Es gibt gerade beim Fleisch nichts zu beschönigen"

Veronika Weissenböck. "Auch wenn immer mehr gilt ‚Regional ist das neue Bio‘: Es gibt leider gerade beim Fleisch nichts zu beschönigen. In Österreich werden Hochleistungsrassen und damit Tiere verwendet, die absurde und völlig unnatürliche Ausmaße bekommen. Das Schlachtgewicht beträgt bei männlichen Puten ca. 21 kg, bei weiblichen ca. 10 kg. Im Vergleich dazu kommen ausgewachsene männliche Truthühner in der freien Natur nur auf ca. 5-11 kg, die weiblichen auf ca. 2,5-4 kg. Diese Hochleistungstiere müssen bis zu einem Kilo pro Woche in ihrem kurzen Leben zulegen, bevor sie mit 15 bis 20 Wochen geschlachtet werden. Durch das schnelle Wachstum und ihr hohes Endgewicht haben Puten in ihren letzten Lebenswochen Schwierigkeiten sich zu bewegen."

Bedrängte Vögel neigen zu Verhaltensstörungen

Ein weiteres Beispiel: Haben Puten nicht ausreichend Platz und kein ausreichendes Beschäftigungsmaterial, neigen sie zu Verhaltensstörungen wie Federpicken oder gar Kannibalismus. Um dem entgegenzuwirken, erlaubt die 1. Tierhaltungsverordnung ausdrücklich das Kürzen der Schnäbel, was allerdings auch nichts daran ändert, dass sich die Tiere in den beengten und strukturlosen Ställen gegenseitig verletzen.

"Einem Vogel ohne Betäubung den Schnabel abzuschneiden ist in etwa so, als würde man einem Menschen die Fingerkuppe abschneiden. Wie beim Menschen ist es ein wichtiges Tastorgan; durch die Schnabelspitze laufen empfindliche Nervenenden. Hier zeigt sich die gesamte Perversion unseres Systems: Die Tiere werden dem Haltungssystem angepasst und dafür sogar zurechtgestutzt, also verstümmelt. Es sollte doch genau umgekehrt sein: Die Haltung sollte den Bedürfnissen der Tiere angepasst sein", kritisiert Weissenböck.

Mehr Platz für die Tiere gefordert

VIER PFOTEN fordert mehr Platz für die Tiere, Zugang zu Auslauf oder Wintergarten sowie den Einsatz langsam wachsender Rassen und speziell bei Puten ein Verbot des Schnabelkupierens.

Das Geflügelfleisch aus dem Ausland, vor allem das unter katastrophalen Haltungsbedingungen produzierte billige Putenfleisch, landet vor allem in der Gastronomie und der öffentlichen Versorgung, aber auch in den verarbeiteten Produkten wie Würsten.

Konsequente Kennzeichnung gefordert

Die Lösung für mehr Transparenz liegt für die Tierschutzorganisation in einer konsequenten Kennzeichnung von Haltungsstandards und Herkunft für alle Bereiche, vom Lebensmitteleinzelhandel bis zur Gastronomie. "Nur so können Konsumentinnen und Konsumenten wissen, was ihnen vorgesetzt wird und gute Entscheidungen treffen. Profitieren würden außerdem selbstverständlich die Tiere, aber natürlich auch die Landwirtinnen und Landwirte, die Tiere besser halten", erklärt VIER PFOTEN Kampagnenleiterin Weissenböck.

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