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Handtuch-Tag, Welt-Ei-Tag, Kauf-nix-Tag ...

Die Organisatoren von Gedenktagen haben es nicht leicht: Ob sie die öffentliche Aufmerksamkeit auf Bäume, Bier oder Berge lenken wollen, die Konkurrenz ist riesig.

Es gibt einen Tag der Meteorologie und einen der Milch, den Tag der Sachsen und den der Niedersachsen auch, einen für Iberische Pferde und einen zu Ehren des Regenwurms.

Zu den fleißigsten Verkündern von Gedenktagen gehören die Vereinten Nationen. „Die UN haben 57 Internationale Tage“, sagte Ulrich Keller von der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN). Viele Vorschläge werden von einzelnen Mitgliedstaaten eingereicht. „Abgestimmt wird dann bei der UNO-Generalversammlung oder bei Konferenzen von Unterorganisationen“, berichtete Dieter Offenhäußer von der Deutschen UNESCO-Kommission. Widerspruch gebe es fast nie, da kein Land wegen eines Gedenktages Konflikte beschwören mag.

Prinzipiell kann jeder einen eigenen Welttag für ein geschichtlichen Ereignis, eine Krankheit, Erfindung oder einfach ein Produkt ersinnen, für den er dann nur noch Gehör finden muss. „Das ist ein Problem seit 20, 30 Jahren“, sagt Keller. „Man hat immer wieder zur Mäßigung aufgerufen.“

Trotz der Mahnungen treibt der Reigen der Gedenktage skurrile Blüten: Jedes Jahr am 25. Mai beispielsweise tragen Menschen in aller Welt ein Handtuch mit sich herum. Der „Towel Day“ (Handtuch-Tag) ist ein Gedenktag für den Autor Douglas Adams, der in seinem Buch „Per Anhalter durch die Galaxis“ für Reisen durchs Universum die Mitnahme eines Handtuchs empfahl.

Oft werden Kalendertage auch als kostenlose Werbeträger genutzt. Beim Tag der Staub-Engel setzt sich ein Staubtuch-Hersteller in Szene und auch hinter den Tagen der Apotheken und des Tourismus versteckt sich eine gehörige Portion PR.

Der Welt-Ei-Tag dagegen, eigentlich gedacht als Werbetag des Welteierverbandes (International Egg Commission), wird mittlerweile von Tierschutzorganisationen dominiert, die gegen die Legehennenhaltung wettern. Konsumverzicht ist auch das Ziel der Organisatoren des Kauf-nix-Tages: Wer 24 Stunden keinen Cent ausgibt, protestiert damit gegen ausbeuterische internationale Konzerne.

Es gibt Welttage für Kinder, Männer, Frauen und Ältere ebenso wie für Sparer, Blutspender, Linkshänder, Putzfrauen, Bauern und Lehrer. Auf den Tag der Gesundheitsforschung folgt der Welttag der Kranken und der Weltgesundheitstag. Für fast jedes Leiden von Epilepsie bis Schuppenflechte gibt es eigene Gedenktage, ebenso für etliche Organe. „Je mehr solche Tage kommen, desto mehr nehmen sie sich gegenseitig die Bedeutung weg“, kritisiert Keller.

Weil es so eng geworden ist im Kalender der Gedenktage, müssen sich immer mehr Anlässe „ihren“ Tag teilen – Bier und Bücher zum Beispiel, derer jeweils am 23. April gedacht wird. Noch enger geht es einen Monat zuvor zu: Wer mag, kann am 21. März alternativ der Beseitigung der Rassendiskriminierung, der Poesie oder des Waldes gedenken.

Dabei haben viele Tage einen durchaus ernsten Hintergrund. So ruft der Welt-Aids-Tag den Menschen zumindest einmal im Jahr eindringlich ins Gedächtnis, dass weltweit tausende Menschen täglich dem Virus zum Opfer fallen. Der Nichtrauchertag war schon für so manchen der Anlass, Zigaretten für immer Ade zu sagen. Und die Berichte zum Weltwassertag animieren vielleicht doch den einen oder anderen, sparsamer mit dem Nass umzugehen.

Offiziell gestrichen werden Gedenktage selten. Ein Beispiel seien die Gedenktage für den Kampf gegen die Apartheid in Südafrika, erklärt Keller. Häufiger passiert es, dass ein Welttag einfach in Vergessenheit gerät, wie zum Beispiel dem in den fünfziger Jahren initiierten Weltfernsehtag.

Andere Tage wiederum haben den internationalen Durchbruch noch nicht geschafft. So zum Beispiel der Tag des Orgasmus, der alljährlich in der nordbrasilianischen Kleinstadt Esperantia zelebriert wird. Und vielleicht steht ja zwischen all den Gedenktagen bald schon ein weiterer: der Welttag des Kampfes gegen die Welttage.

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