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Hamas: Forderung internationaler Hilfe

Die radikale Hamas-Bewegung hat die internationale Staatengemeinschaft zur Fortsetzung ihrer Hilfe für die Palästinenser ohne "ungerechte Bedingungen" aufgefordert.

„Die internationale Hilfe für unser Volk ist eine humanitäre Aufgabe, weil es noch immer unter israelischer Okkupation lebt“, sagte Hamas-Spitzenpolitiker Ismail Haniyeh am Dienstag in Gaza. Das so genannte Nahost-Quartett (USA, UNO, EU, Russland) hatte die Hamas am Montagabend zum Gewaltverzicht und zur Anerkennung des Existenzrechts Israels aufgerufen. Hilfen würden in Zukunft daran geknüpft, ob sich die neue palästinensische Regierung an diese Prinzipien halte. Russlands Präsident Wladimir Putin erklärte am Dienstag in Moskau, wegen des Hamas-Wahlsieges dürfe der Westen seine Unterstützung für die Palästinenser nicht einstellen.

Von einer „Erpressung des palästinensischen Volkes“ sprach der Hamas-Funktionär Mushir al-Masri in Gaza. Das Quartett solle im Nahost-Konflikt „nicht mit zweierlei Maßstäben“ messen. Der Hamas-Führer Sami Abu Zuhri forderte, das Nahost-Quartett solle „das Ende der israelischen Besetzung und der Angriffe verlangen“, statt von den Opfern zu erwarten, die Besatzung anzuerkennen und sich „mit gefesselten Händen“ den Angriffen auszusetzen. Der EU-Außenpolitik-Beauftragte Javier Solana sagte, die EU wolle bis zum Abschluss der Regierungsbildung in Palästina ihre Finanzhilfe weiter leisten. US-Außenministerin Condoleezza Rice erklärte nach den Quartett-Beratungen in London, der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas müsse unterstützt werden.

Der russische Präsident Putin hat die Hamas aufgerufen, das Existenzrecht Israels anzuerkennen und sich auf einen friedlichen Dialog einzulassen. Russland habe die Hamas nie als terroristische Organisation bezeichnet, sagte Putin auf einer internationalen Pressekonferenz in Moskau. „Wir betrachten eine Weigerung, dem palästinensischen Volk zu helfen, in jedem Fall als Fehler“, fügte er hinzu. Den Sieg der Hamas bezeichnete er als „sehr schweren Schlag für die amerikanischen Bemühungen im Nahen Osten“. Die russische Haltung gegenüber der Hamas unterscheide sich von jener der USA und der Europäischen Union. Das bedeute allerdings nicht, dass Russland alles gutheiße, was die Hamas tue.

Die Einstellung der Hilfe für die Palästinenser wäre als gegen die palästinensischen Wähler gerichtete Geste „ein falsches Signal und kontraproduktiv“, erklärte der österreichische Nahost-Experte John Bunzl am Dienstag in einem Interview im Ö1-Mittagsjournal des ORF-Radios. Angesichts der Drohungen wäre es möglich, dass die Hamas „einige Erklärungen“ abgebe, die aber nur einen „taktischen Stellenwert“ haben würden, sagte der Politologe und wissenschaftliche Mitarbeiter des Österreichischen Instituts für Internationale Politik (oiip).

Israel geht nach Angaben eines Regierungssprechers davon aus, dass es die monatlichen Zoll- und Steuerüberweisungen an die Palästinenser einfrieren wird. Dies sei das wahrscheinliche Ergebnis einer noch laufenden Überprüfung nach dem Hamas-Wahlsieg. Der scheidende palästinensische Wirtschaftsminister Mazen Sunukrot hatte auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos die Befürchtung geäußert, der Selbstverwaltung drohe der wirtschaftliche Kollaps, sollte Israel die Transfergelder von monatlich 40 bis 50 Millionen Euro nicht auszahlen. Die Steuer- und Zolleinnahmen treibt Israel auf der Grundlage des Oslo-Abkommens ein, um sie an die palästinensische Regierung weiterzuleiten.

Hams lässt sich nicht einschüchtern

Die radikale palästinensische Hamas-Bewegung, die die Parlamentswahlen gewonnen hat, wird sich nach den Worten ihres Politbürochefs Khaled Mechaal (Mashaal) weder von der EU noch von den USA mit Drohungen, die Finanzhilfe für die Palästinenser einzustellen, „erpressen“ lassen. „Hamas ist immun gegen Korruption, gegen Einschüchterungen und Erpressung“, betonte Mechaal, der sich in Syrien aufhält, in einem am Dienstag von der Londoner Tageszeitung „The Guardian“ veröffentlichten Interview.

„Unsere Botschaft an die USA und an die EU-Regierungen lautet: Eure Versuche, uns zur Aufgabe unserer Prinzipien und unseres Kampfes zu zwingen, ist vergebens. Nie werden wir die Legitimität des zionistischen Staates anerkennen, der auf unserem Boden errichtet wurde, um Sünden, die andere begangen haben, zu reparieren und Probleme von anderen zu lösen“, sagte der Hamas-Führer. „Wenn euch aber an einem langfristigen Waffenstillstand gelegen sein sollte, sind wir zu entsprechenden Verhandlungen bereit“, fügte er hinzu. Den Konflikt zwischen dem palästinensischen Volk und Israel bezeichnete Mechaal als „nicht religiös, sondern politisch“: „Wir haben überhaupt kein Problem mit Juden, die uns nicht angegriffen haben, aber wir haben eines mit denen, die (…) unsere Gesellschaft zerstört und unser Volk verbannt haben“.

Auf Mechaal hatte der israelische Geheimdienst Mossad 1997 in Jordanien einen Giftanschlag verübt, der fehlschlug. Zwei mit gefälschten kanadischen Pässen ausgestattete Mossad-Agenten wurden nach dem Scheitern des Vorhabens in Amman von den jordanischen Behörden festgenommen. Kanada protestierte, Israel musste ein Gegengift liefern und der damalige jordanische König Hussein machte die Freilassung der Mossad-Männer von jener des inhaftierten Hamas-Gründers Scheich Ahmed Yassin (der inzwischen in Gaza einer „gezielten Tötung“ zum Opfer fiel) durch Israel abhängig.

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