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Grüne: Verkehrspolitik am Scheideweg

Laut Presseaussendung der Grünen beinhaltet das vorliegende Verkehrskonzept viele gute Ansätze, zeigt aber gleichzeitig die Widersprüchlichkeit der Verkehrspolitik im Ländle auf.

Die Verkehrsentwicklungen und die daraus resultierenden Umwelt-, Gesundheits- und Sicherheitsprobleme sind gut dargestellt. Aus dieser genauen Problemanalyse werden viele potentiell sinnvolle und wichtige Maßnahmen entwickelt, mit denen der Weg zu einer zukunftsfähigen umfassenden Mobilitätspolitik beschrieben werden könnte.

Diese positiven Ansätze wurden durch politische Vorgaben der Landesregierung entwertet. Schlüsselprojekte im Straßenbau, wie zum Beispiel die zweite Pfändertunnelröhre und die grenzüberschreitenden Straßenverbindungen S 18 und Letzetunnel, durften nicht in Frage gestellt werden. Diese vorgeschriebenen Projekte verunmöglichten eine wirklich ergebnisoffene Diskussion über die Mobilitätszukunft und stehen durch die von ihnen ausgelösten Neu- und Mehrverkehre in krassem Widerspruch zu den angegebenen Zielsetzungen.

Dass die politisch geänderten Vorgaben letztlich auch zum Ausstieg der NGOs aus dem Konzeptionsprozess geführt hat, ist absolut verständlich, weil die ursprünglich erarbeiteten Zielsetzungen nicht mehr eingehalten werden konnten. Das ist bedauerlich, weil von dieser Seite sehr viel an Fachwissen und ehrenamtlicher Arbeit in die Erstellung des Konzeptes eingebracht worden ist.

Bestandsaufnahme

Das tägliche Verkehrsverhalten der Bevölkerung wird relativ detailliert aufbereitet und dargestellt, insbesondere die kontinuierlichen Zunahmen im Pkw- und im Güterverkehr, die Vorarlberg massive Probleme bescheren. Die Auswirkungen des Verkehrs auf die Umwelt werden umfassend beschrieben. Erfreulich ist, dass der Entwurf aus dem Jahr 2005 auf Anregung der Grünen beim Thema Luftschadstoffe wichtige Ergänzungen, insbesondere die Feinstaub- und die Ozon-Problematik eingefügt wurden. Als dramatisch einzustufen ist die Tatsache, dass das Unfallrisiko in Österreich und damit auch in Vorarlberg mit 5,3 Unfällen mit Personenschaden je 1000 Einwohner größer ist als in allen anderen EU-Staaten.

Ziele

Im Personenverkehr wird ausgehend vom Verkehrsverhalten 2003 (Wegeanteil nach Verkehrsmitteln, Wegelängen, Fahrten pro Tag) das verkehrspolitische Ziel mit der Formel 3-2-1 vermittelt. Damit soll der Pkw-Anteil bis zum Jahr 2015 um 6 Prozentpunkte sinken.

Im Güterverkehr soll der CO²-Ausstoß des Jahres 2003 im Jahr 2015 nicht überschritten werden. Die Ziele zur Verkehrsmittelwahl und die darauf aufbauenden Maßnahmen sollen unter anderem dazu führen, dass in Vorarlberg bei den CO²-Emissionen eine Trendwende eingeleitet wird und dass die Emissionskurve nach einem Anstieg bis 2010 erstmals nach unten zeigt, sodass im Jahr 2015 die Emission des Jahres 2003 erreicht bzw. unterschritten wird.

Instrumente der Mobilitätspolitik

Das neue Konzept beinhaltet gute Ansätze zur Neugestaltung der Rahmenbedingungen, die zu einer sinnvollen Verkehrsentwicklung führen können:

  • Wohnbauförderung bei guter ÖV-Anbindung erhöhen
  • Abschaffung der Autobahnvignette
  • Erhöhung der Mineralölsteuer auf Diesel
  • Strafrahmen für Verstöße gegen Verkehrssicherheit ausweiten
  • landesweites Mobilitätsmanagement einführen (steht im Widerspruch zum Verfahren Mellau-Damüls)
  • Verkehrsanschlussabgabe auf Landesebene

    Maßnahmen

    Es wird eine Fülle von Ansatzpunkten aufgezeigt, mit denen die Qualität des öffentlichen Verkehrs verbessert werden könnte. Aus Sicht der Grünen ist besonders erfreulich, dass unsere Idee einer Ringstraßenbahn einer Machbarkeitsprüfung für ein Stadtbahnsystem im unteren Rheintal unterzogen werden soll. Bei den Maßnahmen, die im Fahrradverkehr angedacht sind, sollten aus unserer Sicht besonders jene Maßnahmen gefördert werden, welche den Alltagsradverkehr forcieren.

    Im Konzept wird nachvollziehbar dargestellt, dass auf Dauer nur dann mehr Menschen die Alternativen zum Autoverkehr nützen, wenn neben parallel zur Förderung von Fahrrad- und öffentlichem Verkehr Maßnahmen zur Einschränkung des motorisierten Individualverkehrs gesetzt werden.

    Straßenbau

    Auffallend ist aber, dass das neue Konzept überall dort sehr genau und präzise ist, wo es um Straßenbauten geht und überall dort ehr vage und unverbindlich, wo es um Alternativen dazu geht (Bus, Bahn, Fahrradverkehr, Mobilitätsmanagement).

    Mit den auf Geheiß der Landesregierung festgeschriebenen Ausbauprojekten (zweite Pfändertunnelröhre, S 18, Letzetunnel) kommt es statt zu der als notwendig beschriebenen Einschränkung des Autoverkehrs zu einer massiven Kapazitätserhöhung im hochrangigen Straßennetz. Damit ist der Versuch, mit der 3-2-1-Zielsetzung den CO²-Verbrauch zu stabilisieren, von vornherein zum Scheitern verurteilt.

    Zweite Pfändertunnelröhre

    Nicht nachvollziehbar ist, warum beim Pfändertunnel während der Erstellung des Verkehrskonzepts eine Kehrtwende gemacht wurde und warum plötzlich auf die Pförtnerwirkung verzichtet werden soll.

    Kosten des Straßenbaus

    Nach den widersprüchlichen Erklärungen von LR Rein und LH Sausgruber zu den Kostensteigerungen beim Achraintunnel ist es höchst bemerkenswert, dass das Land scheinbar keine Angaben zu den Kostenschätzungen in Bezug auf den Pfändertunnel machen kann. Das heißt, dass die Landesregierung entweder ein Projekt betreibt, von dem sie nicht weiß, was es kostet, obwohl das Landesstraßenbauamt mit der Planung befasst ist, oder dass die Landesregierung nicht bereit ist den Landtag und die Öffentlichkeit über aktuelle Kostenschätzungen zu informieren.

    S 18-Alternative

    Mit dem Beharren auf einer neuen Straßenverbindung für den grenzüberschreitenden Verkehr im unteren Rheintal wird kurz vor dem wahrscheinlichen endgültigen Todesurteil für die S 18 ein neuerlicher Verstoß gegen internationale Verträge im Verkehrskonzept festgeschrieben. Auch die Landesregierung weiß, dass die Alpenkonvention die Prüfung einer Nullvariante verlangt, welche mit gleichem Interesse geplant und einem möglichen Straßenprojekt gegenübergestellt wird.

    Funktionskonzept Rheintal – Walgau

    Beim Ausbau der A 14 zu einer Stadtautobahn mit neuen Anschlussstellen und Querverbindungen zu den Landesstraßen werden wichtige raumplanerische Fragestellungen, wie der Ansiedlungs- und Umwidmungsdruck ignoriert. Das jüngste Beispiel mit den Lebensmittel- und Fachmärkten in Schwarzach hat gezeigt, dass strategische Investoren an derartigen Anbindungen enormen Druck ausüben und Projekte zur Realisierung bringen, die in völligem Widerspruch zu den Raumplanungszielen stehen.

    Offene Fragen

    Es fällt auf, dass beim LKW-Verkehr zwar die Erhebungsdaten und die (erschreckenden) Prognosen aufgezeigt werden, dass aber Modelle für die Begrenzung bzw. Reduktion des Schwerverkehrs fehlen.

    Die Finanzierung des Ausbaus des hochrangigen Straßennetzes erfolgt über die ASFINAG aus den Vignetten-Einnahmen. Diesen Milliardeninvestitionen im Straßenbau stehen aus heutiger Sicht nur Absichtserklärungen zum Ausbau der Infrastruktur für den Verkehrsverbund gegenüber, weil die Finanzierung in diesem Bereich nicht geklärt ist.

    Es gibt bislang keine Gegenüberstellung der Effizienz der eingesetzten Mittel für den Ausbau des Straßennetzes und der notwendigen Infrastruktur für eine sanfte Mobilität.

    Fazit

    Das neue Verkehrskonzept ist hochgradig widersprüchlich. Einerseits gibt es eine Fülle von innovativen Ansätzen, andererseits ist zu befürchten, dass mit dem Ausbau des hochrangigen Straßennetzes nicht einmal mehr das Ziel einer Stabilisierung des CO²-Ausstosses durch das 3-2-1-Szenario erreicht werden kann.

    Der offene Planungsprozess wird in den entscheidenden Punkten durch die Vorgaben der Landesregierung in Frage gestellt. Damit sollen Straßenbauvorhaben mit einem Volumen von 1,4 Mrd. Euro umgesetzt werden, während es für den Rest der Maßnahmen weniger klare Zielvorgaben, Zeithorizonte und Zuständigkeiten gibt.

    Vorarlberg steht in den zusammenwachsenden Ballungsräumen Rheintal und Walgau am Scheideweg zwischen einer modernen und umfassenden Mobilitätspolitik und einer althergebrachten Straßenbaupolitik. Diese mögliche und vor allem notwendige Wende wird im vorliegenden Konzept zwar beschrieben, aber noch nicht eingeleitet.

    Solange die Regeln internationaler Verträge (Alpenkonvention) nicht eingehalten, Alternativen ohne Straßenbau nicht gegenübergestellt werden und damit keine wirklich offene und verbindliche Planungsprozesse zugelassen werden, sind die Grünen nicht bereit über neue Straßenverbindungen zu diskutieren. (Quelle: LAbg. Bernd Bösch – Wirtschaftssprecher der Vorarlberger Grünen)

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