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Grüner Klubobmann David Ellensohn zu Rot-Grün II im ersten Jahr

Der grüne Klubobmann David Ellensohn zieht Bilanz zu Rot-Grün II in Wien
Der grüne Klubobmann David Ellensohn zieht Bilanz zu Rot-Grün II in Wien ©APA
"Ein bisschen ruhiger" sieht der grüne Klubchef David Ellensohn die Arbeit innerhalb der Rot-Grünen Stadtregierung bei der letzten Legislaturperiode.

Im Interview anlässlich des einjährigen Bestehens der Stadtregierung zieht Ellensohn dabei Bilanz zu den bisherigen Herausforderungen den wichtigsten Beschlüssen.

APA: Wie beurteilen Sie das erste Jahr von Rot-Grün II, wenn Sie eine Schulnote vergeben müssten?

David Ellensohn: Wir Grüne sind ja eher Anhänger der verbalen Beurteilung und nicht so sehr von Schulnoten. Es sind die Rahmenbedingungen natürlich nicht viel leichter geworden. Der Zuwachs der Bevölkerung in Wien ist noch schneller vorangeschritten als er vorher schon prognostiziert worden war. Allein im vergangenen Jahr waren es fast 50.000 Menschen – aus Vorarlberg, Deutschland oder Polen, aber auch aus Syrien. Umso froher bin ich, dass Rot-Grün regiert, weil ich möchte mir gar nicht vorstellen, was andere Regierungskonstellationen alles für einen sozialen Schaden anrichten würden – siehe Oberösterreich oder Burgenland.

Was waren Ihrer Ansicht nach die wichtigsten Beschlüsse im ersten Jahr?

Ganz schnell haben wir ein Problem aus der Ära Rot-Grün I gelöst, nämlich das Wahlrecht. Dann haben wir das Parkpickerl im 18. Bezirk eingeführt, in Favoriten kommt es im September 2017. Da hält sich die Aufregung – im Gegensatz zu vor ein paar Jahren – mittlerweile ja in Grenzen. Die Vergnügungssteuer wurde abgeschafft. Außerdem finde ich die Art und Weise, wie Wien die Aufgaben rund um das Flüchtlingsthema gelöst hat, großartig: vom Jugendcollege bis zur Schul- und Wohnungsunterbringung. Und die vereinbarten 100 zusätzlichen Psychagogen an Schulen sind ebenfalls bereits in Umsetzung. Insgesamt kommt mir vor, wir arbeiten ein bisschen ruhiger als unter Rot-Grün I und haben weniger Probleme a la Wahlrecht oder Parkpickerl.

Was werden die wichtigsten Beschlüsse im kommenden Jahr sein und wird es ein Leuchtturmprojekt wie die 365-Euro-Jahreskarte geben?

Innerhalb von einem Jahr setzt man ja nicht ein Regierungsprogramm um. Vieles geht natürlich weiter: Schulinfrastrukturausbau, Wohnungsbau auch mit der Wiedererrichtung von Gemeindebauten und die gemeinsame Arbeit an einem guten Zusammenleben für alle. Auch die Mobilität in der Stadt aufrechtzuerhalten, ist ein großes Projekt, nicht zuletzt das Halten der 365-Euro-Jahreskarte. Aber es geht zusätzlich um Qualitätsverbesserungen, also dichtere Intervalle am Stadtrand, U-Bahn-Ausbau, Straßenbahnerweiterung. Das knallt nur nicht gleich. Das Hauptprojekt insgesamt ist – in einer Welt, wo die Leute spüren, dass es der nächsten Generation nicht automatisch besser geht als der jetzigen -, die Qualität, die Wienhat, zu halten, und dort, wo man Lücken sieht, diese zu verbessern.

Apropos Megaprojekt: Kommt der Lobautunnel?

Jetzt laufen die Umweltverträglichkeitsprüfungen und alle warten auf das Ergebnis. Es ist ja kein großes Geheimnis, dass Grüne nicht cool finden, wenn man ein Autobahnprojekt quer durch ein Naturschutzgebiet legt. Worum es geht ist: Kann man einen Tunnel so bauen, dass kein Schaden für die Umwelt entsteht. Das versucht die Umweltverträglichkeitsprüfung herauszufinden. Idealerweise würde man bei jedem großen Infrastrukturprojekt weit vorausdenken und die Frage stellen: Glaubts ihr wirklich, dass in 30 Jahren genauso viel Auto gefahren wird wie jetzt? Das glaube ich nicht. Aber für manche in der Politik ist es schwierig, weiter zu denken als bis zu den nächsten Wahlsonntagen.

Befürworten Sie eine KAV-Ausgliederung bzw. unter welchen Bedingungen ist das denkbar?

Das wichtigste für mich ist: Die Gesundheitsversorgung bleibt zu 100 Prozent im Eigentum der Stadt Wien. Jetzt kann man sich überlegen, was ist die schlauste Struktur dafür. Ich gebe aber schon zu, dass wir Grünen immer skeptisch waren gegen jede Art der Ausgliederung. Aber gut: Schauen wir uns die Fakten an. Das Ziel muss sein, den Standard zu halten, ohne dass die Kosten stets steigen.

Sind Sie in Sachen Mindestsicherung für eine Wartefrist für Zuwanderer aus den Bundesländern?

Ich bin generell nicht sehr begeistert, wie die Debatte geführt wird – angezettelt von der ÖVP. Hinzuzeigen auf Menschen, die auf das Sozialnetz angewiesen sind, ist eine Zumutung und erbärmlich. Die Mindestsicherung ist ein letzter Rettungsanker für Menschen, die sei wirklich brauchen, und macht bundesweit nicht einmal ein Prozent des gesamten Budgets aus. Die ÖVP tut so, als wäre das unfinanzierbar. Hier reden wir über ein Einsparungsvolumen von einem Promille des Budgets. Denjenigen, die zu wenig haben, muss man helfen. Was Wien betrifft, müssen wir zuerst schauen, was die anderen Bundesländer beschließen und dann überlegen, was das für uns heißt. Natürlich wäre es fair, wenn Leute, die von einem Bundesland, das ihnen nicht hilft, nach Wien kommen, dass dann dieses Bundesland die Mindestsicherung noch eine Zeit lang weiter übernehmen muss. Weil was nicht geht, ist den Menschen einfach zu sagen: ‘Ihr kriegts nix.’

Könnten die SPÖ-internen Auseinandersetzungen dem Koalitionsklima bzw. der Umsetzung gemeinsamer Vorhaben schaden?

Am Fußballplatz wäre es günstig, wenn alle elf in einer Mannschaft zusammenspielen. Wenn sich ein Teil davon mit anderem beschäftigen muss, ist das nicht so praktisch. Aber grundsätzlich ist die SPÖ eine stabile Partei. Alle Parteien haben solche Prozesse immer wieder. Das ist für die Partei selber nicht lustig, aber Rot-Grün ist stabil aufgestellt.

In Prozent ausgedrückt: Wie hoch schätzen Sie die Chance, dass Michael Häupl 2020 noch Wiener Bürgermeister sein wird?

Ich glaube, das weiß der Bürgermeister alleine. Ich will mich hier nicht an Spekulationen beteiligen.

(Das Interview führte Thomas Rieder/APA /Red.)

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