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Tausende Flüchtlinge in Österreich: Großteil will weiterreisen, kaum Asylanträge

Mikl-Leitner: Mehr als 3.000 Flüchtlinge letzte Nacht Österreich erreicht.
Mikl-Leitner: Mehr als 3.000 Flüchtlinge letzte Nacht Österreich erreicht. ©EPA
Das Innenministerium erwartet bis zu 10.000 Flüchtlinge, die in der laufenden Welle von Ungarn nach Österreich kommen. Rund 4.000 seien bereits in Österreich, teilte das Ressort am Samstag über den Kurznachrichtendienst Twitter mit. Medizinische und humanitäre Hilfe stehe im Vordergrund, hieß es. Die Informationslage sei sehr unsicher und ändere sich ständig, sagte ein Ministeriumssprecher.
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Bis Samstag sind bereits 2.300 Flüchtlinge am Wiener Westbahnhof angekommen. “1.500 haben den Bahnhof schon wieder Richtung Salzburg verlassen”, sagte Polizeisprecher Roman Hahslinger der APA. Rund 800 befanden sich kurz vor 12.00 Uhr noch am Westbahnhof. “Es wird weiterhin versucht, die Ströme mit Bussen und Zügen weiterzuleiten”, betonte Hahslinger. Auch jene Flüchtlinge, die am Hauptbahnhof ankamen, wurden zum Westbahnhof gebracht.

Großteil will weiterreisen

Der Großteil jener Flüchtlinge, die seit der Nacht von Ungarn nach Österreich kommen, wollen weiterreisen, vorwiegend nach Deutschland. Bis jetzt hätten etwa zehn Flüchtlinge in Österreich um Asyl angesucht, berichtete Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) am Samstagvormittag. “Im Vordergrund all unserer Überlegungen steht derzeit die Gesundheit und die Versorgung dieser Menschen – die schon mehr als genug Schreckliches erleben mussten”, betonte sie. Die österreichische Polizei handle “nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit”, bekräftigte die Ministerin.

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Um 08.55 Uhr kam der erste Zug mit rund 400 Flüchtlingen an. Zahlreiche Freiwillige begrüßten die Geflüchteten mit Applaus am Bahnhof. Sie wurden mit Essen, Getränken und Decken versorgt. Via Lautsprecherdurchsagen – auch auf arabisch – informierten die ÖBB die Flüchtlinge über die nächsten Abfahrtsmöglichkeiten Richtung Deutschland.

Gegen 10.00 Uhr kamen nach Polizeiangaben bereits rund 20 Busse an der Bushaltestelle am Westbahnhof an. Die Einsatzkräfte bemühten sich um ein geordnetes Vorgehen, die Flüchtlinge sollten der Reihe nach aus den Bussen aussteigen, was bereits zum Großteil erfolgt ist. Auch sie wurden von den Freiwilligen versorgt.

“Heute wird ein Stück Geschichte geschrieben”

“Viele Flüchtlinge sind erschöpft, tragen zum Teil durchnässte Kleidung”, sagte Caritas-Generalsekretär Klaus Schwertner. Die Vorgänge am Wiener Westbahnhof bezeichnete er als koordiniert. “Ich habe das Gefühl, es wird heute ein Stück Geschichte geschrieben. Deutschland und Österreich zeigen, dass es in der aktuellen Situation zuerst um Menschlichkeit geht. Es sind Menschen, die da kommen, und es sind Menschen, die da helfen”, sagte Schwertner zur APA.

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Die Caritas Wien und der Fonds Soziales Wien erklärte, dass derzeit keine Sachspenden und Freiwillige mehr nötig seien. Die Hilfsorganisationen, die am Wiener Westbahnhof im Einsatz sind, bedankten sich für die große Solidarität und den Einsatz der zahlreichen freiwilligen Helfer. Falls wieder Dinge und Helfer benötigt würden, werde man dazu aufrufen, hieß es.

ÖBB richten Shuttlezug-Verbindungen ein

Die ÖBB richteten eine Shuttlezug-Verbindung zwischen Nickelsdorf und Wien-Westbahnhof ein. Die Garnituren sollen stündlich verkehren, sagte ÖBB-Sprecherin Sonja Horner. Zudem wird ein ICE vom Wiener Hauptbahnhof über den Westbahnhof umgeleitet. Er soll angekommene Flüchtlinge weiter nach Deutschland mit Zieldestination Frankfurt bringen. “Wir arbeiten an zusätzlichen Kapazitäten”, sagte Horner. Bezüglich der weiteren Ticketkontrollen in den Zügen kündigte Horner im APA-Gespräch einen “sehr kulanten” Umgang an. “Die Sicherheit hat erste Priorität, und es geht um einen menschlichen Umgang mit den Flüchtlingen”, sagte Horner.

AUSTRIA HUNGARY REFUGEES MIGRATION CRISIS
AUSTRIA HUNGARY REFUGEES MIGRATION CRISIS ©EPA

Zwischen 4.30 und 5.00 Uhr gingen die ersten 400 Personen zu Fuß zum Bahnhof Nickelsdorf zum Zug. “Es sind dorthin die zweiten Vierhundert unterwegs. Teilweise hat es sehr stark geregnet, jetzt nieselt es noch ein bisschen. Die Leute sind alle durchnässt”, berichtete Landespolizeidirektor Hans Peter Doskozil. Die Flüchtlinge seien “den Umständen entsprechend ruhig. Natürlich – wenn Busse kommen, wenn sie einsteigen können, entsteht natürlich ein bisschen eine Hektik”, beschrieb der Polizeichef die Lage.

Kooperieren Ungarn nicht?

“Aber dem Grunde nach ist diese Situation an und für sich einzig und allein deshalb so entstanden und offensichtlich deshalb teilweise ausgeufert, weil hier keine Kooperationsbereitschaft seitens der ungarischen Kollegen gegeben war”, kritisierte Doskozil. “Infolgedessen mussten wir – und das schon seit zwei, drei Stunden – auch die Autobahn (die Ostautobahn A4) für die Lkw- und Pkw-Einreise sperren.”

Flüchtlinge reisen weiter

Der erste Sonderzug mit 450 Flüchtlingen, ist um 10.40 Uhr in Salzburg ankommen und wie geplant auch nach Deutschland weitergefahren. Etwa eine viertel Stunde lang hielt der Zug am Bahnsteig neun. Zahlreiche Helfer reichten den Flüchtlingen im Zug Decken, warme Kleidung, Essen und Wasser. Laut Polizei hätten bisher zwei Personen am Bahnhof um Asyl angesucht.

Geschätzte 4.500 Migranten wurden in der Nacht auf Samstag an die Grenze zu Österreich transportiert, erklärte der ungarische Staatssekretär im Innenministerium, Karoly Kontrat, in Budapest. Laut dem Amt für Einwanderung und Staatsbürgerschaft seien bisher 152.362 Asylanträge von Flüchtlingen registriert worden. In den Flüchtlingslagern in Ungarn halten sich demnach derzeit 3.882 Personen auf.

Ungarn: Operativer Stab tagt

Laut Andras Giro-Szasz, Staatssekretär für Regierungskommunikation, beriet der operative Stab im Parlament über den Zugverkehr am Ostbahnhof. Angesichts der aktuellen Lage am Bahnhof könnten auch internationale Züge erneut nach dem bisherigen Fahrplan gestartet werden. Laut Giro-Szasz halten sich gegenwärtig 150 Migranten in der Transitzone am Ostbahnhof auf.

In der Transitzone am Ostbahnhof hoffen Migranten auf weitere Busse, die sie nach Österreich bringen. Dabei hatte Regierungssprecher Zoltan Kovacs auf einer Pressekonferenz angekündigt, dass zunächst keine weiteren Busse zur österreichischen Grenze abfahren.

(APA)

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