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Gratisbuch: 100.000 Wiener wollten eins

J. Irving / &copy APA
J. Irving / &copy APA
100.000 Exemplare von John Irvings Erstlingsroman „Lasst die Bären los!“ wurden im Rahmen der Aktion „Eine Stadt. Ein Buch“ in Wien in den vergangenen Tagen gratis verteilt. Für den extra angereisten US-Autor eine außerordentliche Sache.

„In den ganzen USA wurden nur 10.000 Exemplare verkauft, als das Buch 1968 erschien“, meinte Irving am Samstag Nachmittag bei einer Pressekonferenz. „Es ist großartig zu sehen, wie dieses Buch nun ein neues Publikum findet.“

Dass eine US-amerikanische Stadt eine ähnliche Buch-Aktion starten könnte hält Irving für ausgeschlossen: „Natürlich nicht. Bedenken Sie doch bitte, in diesem Land gelingt es sogar dem Vizepräsidenten, einen Anwalt für eine Wachtel zu halten. Versuchen Sie das einmal: Das ist gar nicht einfach, denn das ist ein wirklich kleiner Vogel“, spottete der Autor über den „Jagdunfall“ von Richard Cheney, der in den vergangenen Tagen weltweit für Schlagzeilen gesorgt hatte.

„Lasst die Bären los!“ spielt in Wien und wurde durch einen Studien-Aufenthalt Irvings in der Bundeshauptstadt im Jahr 1963 inspiriert. „In dieser Stadt bin ich zum Autor geworden“, erinnerte sich der 1942 im US-Staat New Hampshire Geborene, „es war die erste Zeit, in der ich allein war, und das erste Mal, dass ich ein Ausländer war. Meine Sicht auf mein eigenes Land wird sehr von dieser Perspektive bestimmt. Heute fühle ich mich nirgendwo so sehr als Ausländer wie in den Vereinigten Staaten. Aber so geht es vermutlich den meisten Schriftstellern.“

Auf die Frage, wie sich Wien seit 1963 verändert habe, meinte Irving: „Es gibt noch immer Pferde-Scheiße auf der Straße, aber sonst sieht alles ganz anders aus.“ Besonders genossen habe er jedoch einen längeren Wien-Aufenthalt 1969/70, als er versuchte, aus „Lasst die Bären los!“ ein Drehbuch zu entwickeln. Das sei zwar nicht geglückt, denn er hatte keine wirkliche Vision dafür und auch kein Mittel, den Stoff zusammenzufassen („Es wäre wohl ein neunstündiger Film geworden“), aber es sei eine wunderbare Zeit gewesen. Sein zweiter Sohn sei in Wien zur Welt gekommen.

Erst bei „Gottes Werk und Teufels Beitrag“ habe er schon bei der Arbeit am Roman auch an einen Film gedacht. Für dieses Drehbuch hat John Irving einen Oscar erhalten. Neben der Arbeit an weiteren Drehbüchern (so arbeitet er seit bereits 16 Jahren an einer Adaption seines Romans „Zirkuskind“, wird den Schauplatz in einem vierten Anlauf jedoch von Indien nach Mexiko verlegen) und der gemeinsamen Arbeit mit Lasse Hallström an dem Versuch, aus seinem jüngsten Roman „Bis ich dich finde“ ein Drehbuch zu entwickeln, arbeitet John Irving an einem zwölften Roman, der eine Vater-Sohn-Geschichte aus dem Neu England der 1950er Jahre werden soll. „Ich kann heute viel härter und länger in einem Stück an einem Buch schreiben als etwa vor 20 Jahren“, sagte Irving, und setzte schmunzelnd hinzu: „Ich kann allerdings auch nichts anderes.“

Bürgermeister Michael Häupl (S) kündigte die Fortsetzung der Gratis-Buchaktion im kommenden Jahr an. „Fragen Sie mich nicht, welches Buch es sein wird“, sagte er, „aber ich verspreche ihnen, dass wir intensiv suchen, damit der nächste Autor eine Autorin ist.“ In den Jahren zuvor waren Frederic Mortons’ „Ewigkeitsgasse“, „Schritt für Schritt“ von Imre Kertész und Johannes Mario Simmels „Das geheime Brot“ gratis verteilt worden.

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