Ronald Seboth gab im Wiener Lustspielhaus den Faust, seinen Gegenspieler Mephisto verkörperte Christian Dolezal in durchsichtigem Hemd, Zylinder und Krawatte in der Brusttasche. Das klassische Goethe-Ensemble vervollständigte Petra Böhm als mehr als naives Gretchen vom Lande. Die Herzen der Zuseher eroberte dennoch Dolores Schmidinger in breitem Wienerisch als Haushälterin Erna, die heiß begehrte “gute Haut und Seele”.
Goethes Faust als Wiener Querulant
Ganz wie gehabt, gibt sich Faust – diesmal als Wiener Querulant und Grantscherben – vor einer Bücherturmkulisse zunächst seinen Weltzweifeln und Identitätskrisen hin, bis die Verführung diesmal gleich doppelt an seine Türe klopft: Einerseits als hauptberufliche Millionärsgattin und Geschäftsfrau Martha “Hallotschi Popotschi!” Langbein (Maxi Blaha), passend in teuflischem Rot, die ihn zu erpressen versucht. Andererseits als Glühbirnenvertreter Mephisto Wolfram Luzifer Lamperl, der Erleuchtung verspricht. Im Gegenzug möchte er nichts anderes als Fausts gute Wiener Seele – in Gestalt von Haushälterin Erna, die schon lange Gefühle für ihren “so gescheiten, aber doch so depperten” Faust hegt. Gretchen wird schließlich von Fausts Sohn “Tupferl” (Klaus Haberl) ins Spiel gebracht, nach einer Verjüngungskur durch Mephisto ist Faust auch tatsächlich Feuer und Flamme für sie.
Zweieinhalb Stunden Verwirrspiel im Lustspielhaus
Es folgen zweieinhalb Stunden Verwirrspiel (Faust wird Mephisto und umgekehrt, Tupferl übernimmt Ernas Rolle) und Verführspiel – in bestem Wienerisch. Tatsächlich muss sich auch bei Franzobel alles reimen – zum Teil in rasanter Geschwindigkeit -, was nur manchmal gut geht: “Bin weder Fräulein, weder schön. Dafür hab’ ich Haare jetzt und brauch’ einen Fön”, wie Faust nach getaner Verjüngung sinniert. Verjüngt wurde auch der Stoff an sich: So ist Sohn Tupferl auf Twitter und draußen tobt die Finanzkrise.
Abwechslung bringen Liedeinlagen: Martha Langbein tritt zu “Sympathy for the Devil” auf, Faust erklärt seinen Beruf zu “In the Jungle” – “A Wimmerle, A Wimmerle, A Wimmerle” und die gute Seele wird zu “Mr. Sandman” gesucht – “Fräulein Seele, komm wieder, kimm!”. Am Ende finden mit “Something Stupid” bzw. “I mog di so” doch noch alle zueinander und zu einem Happy End. Für ein Happy End der Zuschauer sorgt aber vor allem der trockene Wiener Schmäh, wenn er aufgeht: “Das ist die echte Wiener Seele. Geht am Montag zum Galgen und meint: Die Woche fangt ja lieb an.” Danke, Frau Erna.
Weitere Vorstellungen finden bis zum 1. September im Wiener Lustspielhaus (1., Am Hof) statt.