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Gesundheit: Leitl kritisiert Ärztekammer-Drohungen

Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl (V) hat die Kritiker der geplanten Gesundheitsreform - insbesondere die Ärztekammer - scharf kritisiert. "Statt mit Streiks zu drohen, zu polemisieren und Ordinationsschließungen zu Lasten der Patienten anzukündigen", sollten diese besser konstruktive Verbesserungsvorschläge zur geplanten Gesundheitsreform machen, erklärte er am Mittwoch per Aussendung.

Der Wirtschaftskammer-Präsident appellierte an alle Beteiligten, die Zeit der Gesetzes-Begutachtung nicht für eine “simple Beschlechtmachung” zu missbrauchen.

Von den Kritikern sei bis jetzt nichts zu hören gewesen, wie die Millionen-Defizite der Krankenkassen eingedämmt und die Effizienz im Gesundheitssystem gesteigert werden könnten. Es brauche “eine Therapie für die Gesundung der finanziell angeschlagenen Kassen” und keine “Verschleppung der Krankheit durch Ärztevertreter, einige Kassenfunktionäre sowie Länderpolitiker”, so Leitl mit dem Verweis auf die Millionen-Defizite der Träger. Alle Partner des Gesundheitssystems, die Krankenkassen selbst, “aber auch die Ärzte, die Pharmawirtschaft, die Apotheken und Institute” müssten in dieser schwierigen Situation einen Sanierungs-Beitrag leisten, forderte der Wirtschaftskammer-Präsident.

In scharfer Form hat am Mittwoch auch Franz Bittner, Vorsitzender der Trägerkonferenz im Hauptverband der Sozialversicherungsträger und Obmann der Wiener Gebietskrankenkasse die Kritik der Ärzte an der Gesundheitsreform zurückgewiesen.”Die Reaktionen mancher Ärztekammervertreter sind völlig unangemessen. Ich vermisse in der Debatte die Bereitschaft zum Dialog und zu Lösungen”, sagte Bittner in einer Aussendung. “Die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung ist nicht durch die Reform gefährdet, sondern durch eine Politik der verbrannten Erde, die manche Zyniker mit wenig Verantwortungsbewusstsein betreiben.”

Zur Erhaltung der Finanzierbarkeit der Gesundheitsleistungen müssten alle Beteiligten einen Beitrag leisten. “Ich habe wenig Verständnis für einzelne Gruppen, die meinen, nur sie leben in einem geschützten Universum”, sagte Bittner. Der vorliegende Entwurf nehme keinem Leistungsanbieter etwas weg. Es werde lediglich von etwas gedämpften Ausgabensteigerungen seitens der Kassen ausgegangen. Die gegenwärtige Einkommenssituation der Ärzte oder die Gewinnmargen der Pharmaindustrie würden es nicht rechtfertigen, eine moderate Dämpfung deren zukünftiger Umsatzerwartung als Ding der Unmöglichkeit und Supergau hinzustellen.

Der Vorschlag, dass Einzelverträge mit Ärzten abgeschlossen werden dürfen, wenn es keinen Gesamtvertrag gibt, sei legitim und zum Schutz der Patienten wichtig: Denn ohne diese Möglichkeit müssten die Patienten bei einem vertragslosen Zustand beim Arzt zahlen und ihre Krankheitskosten vorfinanzieren, argumentierte Bittner. Auch die Bindung von Arztverträgen an die Qualität samt unabhängiger Kontrolle sei legitim und im Sinne der Versicherten längst überfällig. Kein Arzt, der die heute üblichen Qualitätskriterien erfüllt und Verträge einhält, brauche sich vor irgendetwas fürchten. Das sei jedenfalls besser als die Konzentration der Standesvertretung auf die Verteidigung weniger “Schwarzer Schafe” und die heute noch vorgesehene “Selbstkontrolle” durch die Ärztekammer.

Bittner, der für die Sozialpartner den Entwurf mitverhandelt hat, bedauerte, dass die Kritik “mit wenig Argumentation hinterlegt ist”. Reflexartiges Nein-Sagen und Blockieren seien zu wenig. “Viele sagen in den letzten Tagen nur, was nicht geht. Kaum einer zeigt positive Lösungswege aus der Finanzierungskrise der sozialen Krankenversicherung auf”, beklagte Bittner. In diesem Zusammenhang kritisierte der WGKK-Obmann auch die Landeshauptleute, die sich zuletzt kritisch geäußert hatten. Deren Stellungnahmen seien eher von Partikularinteressen geprägt als davon, eine Gesamtverantwortung für die weitere Finanzierbarkeit des Gesundheitssystems wahrnehmen zu wollen. Es könne nicht sein, dass der finanzielle Kollaps einiger Gebietskrankenkassen riskiert werde, um die Einflusssphäre mancher lokaler Funktionäre oder Politiker zu schützen.

Obwohl das Gesundheitspaket noch nicht einmal durch den Ministerrat gegangen ist, haben die Ärzte am Mittwoch bereits Streiks beschlossen. Alle Praxen sollen österreichweit von 16. bis 18. Juni geschlossen bleiben, verkündete das “Aktionskomitee” der Ärztekammer Mittwochnachmittag. Wird dann weiter nicht auf die Forderungen der Mediziner eingegangen, sollen die Streiks zeitlich sogar noch ausgedehnt werden. Die Regierung zeigte sich indessen wenig beeindruckt von den Drohungen der Ärzte.

Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (S) erinnerte daran, dass die geplanten Maßnahmen nun einmal in Begutachtung seien und da jeder eingeladen sei, noch bessere Alternativen anzubieten. Er halte nichts davon Kampfmaßnahmen anzudrohen, solange die Diskussionsphase laufe.

Auch Vizekanzler Wilhelm Molterer (V) hielt Linie. Seiner Ansicht nach sind bisher keine entsprechenden Alternativvorschläge gekommen. Die geplanten Maßnahmen von Aut-idem bis Patientenquittung verteidigte er. In Richtung der Kritiker aus allen möglichen Bereichen hielt der VP-Chef fest, dass es in dieser Frage von niemandem im Land eine Verweigerungshaltung geben dürfe.

Sozialminister Erwin Buchinger (S) verteidigte bei seinem Besuch mit Präsident Heinz Fischer in der Türkei das Paket ausdrücklich. Veränderungen seien nur innerhalb der festgelegten Eckpunkte möglich. Einen kleinen Spalt machte auch Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky (V) auf. Sie schloss Änderungen in der Begutachtung nicht gänzlich aus. Die Kritik an ihr nahm sie gelassen. Sie habe ohnehin gewusst, mit dem Angehen dieses “großen wichtigen Schrittes” nicht als “Liebling der Nation in die Annalen der Geschichte” einzugehen. Bezüglich der angedrohten Kampfmaßnahmen der Ärzte hoffte sie, dass es zu keinen wilden Streiks komme, denn das hätte disziplinäre Folgen.

Das, was das Aktionskomitee der Ärztekammer heute beschlossen hat, klingt freilich schon recht wild. Ab 16. Juni sollen mitten während der Fußball-Europameisterschaft in einer ersten Welle alle Ordinationen in ganz Österreich für drei Tage geschlossen werden. In weiteren Wellen sollen die Praxen für noch längere Zeit zu bleiben. Dass die Patienten zum Handkuss kommen, nimmt die Kammer in Kauf: “Uns bleibt keine andere Wahl”, erklärte Vizepräsident Günther Wawrowsky, der gleichzeitig Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte ist. Diese werden übrigens mittlerweile auch von den Zahnärzten unterstützt. Zudem hätten auch die Spitalsärzte ihre prinzipielle Unterstützung für die Anliegen der niedergelassenen Ärzte bekundet, sagte Wawrowsky.

Voraussetzung für die Aufnahme der Kampfmaßnahmen ist nun noch ein Ja der Ärztekammer-Vollversammlung am 7. Juni, sofern das Gesundheitspaket in einer für die Ärzte nicht akzeptablen Form bis dahin durch den Ministerrat geht. Die Regierungsspitze bestätigt am Mittwoch, dass man beim 4. Juni als Termin bleibe, da sich ansonsten ein parlamentarischer Beschluss vor der Sommerpause nicht mehr ausgehe.

Vorerst haben die Verhandlungsaktivitäten jedenfalls keine Resultate gebracht. Bei einem Gespräch von Ärztekammer, ÖGB-Präsident Rudolf Hundstorfer (S) und Wirtschaftsbund-Generalsekretär Karlheinz Kopf (V) wurde kein greifbares Ergebnis erzielt. Der Obmann der Wiener Gebietskrankenkasse, Franz Bittner (S), der das Paket führend ausverhandelt hatte, geißelte die Streikdrohung der Ärzte: “Die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung ist nicht durch die Reform gefährdet, sondern durch eine Politik der verbrannten Erde, die manche Zyniker mit wenig Verantwortungsbewusstsein betreiben.” Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl (V) forderte die Kritiker auf, zunächst einmal konstruktive Vorschläge zu präsentieren.

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