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Gesamtes Bauprogramm der Asfinag wird evaluiert

Baustopp: Projekte in ganz Österreich betroffen.
Baustopp: Projekte in ganz Österreich betroffen. ©Reuters
Dass Umwelt- und Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) das Bauprogramm der Asfinag evaluieren lässt und damit die Planung für diese Vorhaben zumindest bis Herbst gestoppt sind, hat am Freitag heftige Kritik von Politikern und Wirtschaft ausgelöst.

Die Wirtschaftsreferenten der Länder forderten Gewessler auf, dies zurückzunehmen. Im Zentrum des Streits stand einmal mehr der Bau der Wiener Außenringautobahn mit dem Lobau-Tunnel.

Die Aufregung betrifft vor allem die Wiener Außenringautobahn mit dem Lobau-Tunnel, weil es sich um das umstrittenste Straßenbauprojekt der vergangenen Jahre handelt und Umweltschützer schon seit langem dagegen Sturm laufen.

Asfinag-Bauprogramm wird im Klimaschutzministerium evaluiert

"Das Asfinag Bauprogramm wird aktuell im Klimaschutzministerium evaluiert. Denn die Infrastruktur, die wir heute errichten, hat großen Einfluss darauf, wie unser Mobilitätssystem morgen aussieht. Die Evaluierung soll bis Herbst abgeschlossen sein. Erst nach Vorliegen des Evaluierungsergebnisses und Abschluss aller notwendigen Verfahren können etwaige Bauschritte begonnen werden", hieß es am Freitag aus dem Ministerium. Erwartet wurde, dass sich Ministerin Leonore Gewessler (Grüne) am späten Nachmittag bei der Landesversammlung der oberösterreichischen Grünen auch zum Thema äußern wird.

Die Aufregung, die sich vor allem auf den Lobau-Tunnel konzentrierte, verstand man im Ministerium nur bedingt. Die Evaluierung läuft demnach schon seit längerem, und es gebe derzeit keine Bauvorhaben, die unmittelbar vor ihrem Start stehen. In Sachen Lobau-Tunnel ist das Projekt Neubau der S1 zwischen Schwechat und Süßenbrunn entscheidend. Dafür wird auf der Homepage der Asfinag noch kein Startdatum angeführt, auch das Wasserrechtsverfahren ist dafür noch offen.

Bereits in Bau befindliche Projekte wie etwa die Fürstenfelder Schnellstraße (S7) in der Steiermark, die von Riegersdorf bis zur Staatsgrenze bei Heiligenkreuz nach Ungarn führt, werden weitergeführt. Betroffen ist aber etwa der Weiterbau der Murtal Schnellstraße von Judenburg westwärts ab 2025, in Oberösterreich die S10 (Mühlviertler Schnellstraße) von Freistadt Nord nach Rainbach Nord (geplanter Baubeginn 2023) oder in Niederösterreich die S8 (Marchfeld Schnellstraße - Baubeginn offen), die von einem Knoten mit der S1 nach Gänserndorf/Obersiebenbrunn führen soll, aber derzeit auf Eis liegt.

Reaktionen aus der Politik zum Lobau-Tunnel

Dennoch gab es auch am Freitag zahlreiche Reaktionen von Politik und Interessenvertretern, vor allem in Hinblick auf die S1 mit dem Lobau-Tunnel. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) kündigte bei einem Stopp für die S1 am Freitag im ORF-Ö1-Mittagsjournal juristische Schritte an. Mit einem Stopp der Projekte riskiere man einen Milliardenschaden und einen ganz starken Einschnitt in die Entwicklung der gesamten Ostregion. Ein Stopp "müsste schon ein sehr starker politischer Eingriff sein" und "das würde bedeuten, dass das mit Sicherheit auch juristische Auswirkungen hätte". SP-Verkehrssprecher Alois Stöger warnte vor der Gefahr für Arbeitsplätze durch einen Baustopp.

Kritik kam auch erneut von der FPÖ: Wien werde im Jahr 2027 voraussichtlich mehr als zwei Millionen Einwohner haben und ersticke schon heute im Verkehr, warnten der Wiener FP-Obmann Dominik Nepp und Verkehrssprecher Toni Mahdalik. "Allein in den Bezirken 21 und 22 wohnen aktuell etwa 400.000 Menschen, welche die Nordostumfahrung wie einen Bissen Brot brauchen", hieß es in einer Aussendung. "Angesichts dieser Entwicklung eine dringend notwendige Entlastungsstraße durch eine 'Evaluierung' zu stoppen, kommt für uns gleich nach dem Häuser anzünden."

Auch die Wiener ÖVP wies darauf hin, dass der S1-Lückenschluss und der Lobau-Tunnel "entscheidende Infrastrukturprojekte für Wien und das Umland" seien. "Die Evaluierung samt dem einhergehenden Baustopp von Umweltministerin Gewessler sind völlig unverständlich und realitätsfremd", kritisierten Stadträtin Isabelle Jungnickel und Klubobmann Markus Wölbitsch. Der Grüne Wiener Klima-Stadtrat Peter Kraus warf hingegen der Stadtregierung eine Klima-Blockade vor.

Kritik an Umsetzungsstoff von Infrastrukturprojekten

Ebenfalls kritisch äußerten sich Wirtschaftskammer (WKÖ) und Industriellenvereinigung (IV).Der "angekündigte Umsetzungsstopp" von Infrastrukturprojekten sei "der falsche Weg", sagte Alexander Klacska, Obmann der Bundessparte Transport und Verkehr in der WKÖ. Die Reduktion von Infrastruktur löse keine einzige Herausforderung, weder sicherheitstechnisch, noch mit Blick auf den Verkehrsfluss.

Der Präsident der Wiener IV, Christian C. Pochtler, betonte, dass "ein Lückenschluss der S1 Wiener Außenring Schnellstraße zwischen Schwechat und Süßenbrunn, inklusive Donauquerung, essenziell" für die Entwicklung der Bundeshauptstadt sei. "Dieser Lückenschluss hat enorme Bedeutung, unter anderem für die Entlastung der Südosttangente, der Donaustadt sowie einiger Gemeinden in Niederösterreich."

Katarina Pokorny, Präsidentin des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbandes Wien, nannte die Evaluierung des Lobau-Tunnels "schlicht und ergreifend eine mutwillige Blockade eines bereits mehrfach geprüften Projektes". Die wirtschaftliche Entwicklung einer gesamten Region sei "durch dieses mutwillig blockierende Verhalten der grünen Ministerin gefährdet".

Naturgemäß völlig anders sahen dies Umweltschutzorganisationen: Fridays For Future rief für Freitagnachmittag zu einer Großdemo gegen den geplanten Bau des Lobau-Tunnels auf. "Mehrere Milliarden Euro sollen für dieses klimaschädliche Autoverkehrsprojekt ausgegeben werden", kritisierte die Klimabewegung.

WWF fordert Stopp der geplanten S1-Lobau-Autobahn

Die Umweltschutzorganisation WWF Österreich unterstützte in einer Aussendung den Appell zum Erhalt der Lobau und fordert ebenfalls den Stopp der geplanten S1-Lobau-Autobahn. "Wer eine Autobahn durch ein wertvolles Naturschutzgebiet plant, ignoriert die dringendsten Krisen unserer Zeit. Sowohl die Klima- als auch die Artenkrise werden durch die Verbauung massiv befeuert, auch die Belastung für unsere Gesundheit steigt durch Hitzestau, Lärm und Luftverschmutzung", sagte Maria Schachinger vom WWF. Eine Autobahn habe unter einem Naturschutzgebiet "nichts verloren".

Auch Global 2000 unterstützte die Demo und forderte Ludwig zum Handeln auf: Dieser solle "für eine moderne Mobilitätspolitik in Wien sorgen, das geht nur mit einer Reduktion der motorisierten Verkehrsbelastung und den Ausbau umweltfreundlicher Verkehrsmittel. Eine Autobahn mitten durch den Nationalpark lehnen wir hingegen völlig ab." Der Bau des Lobau-Tunnels gefährde den Nationalpark Donau-Auen und quere ihn ausgerechnet an dessen breitester Stelle.

Greenpeace erneuerte die bereits am Vortag geäußerte Kritik und forderte von Ludwig den sofortigen Projektstopp. "Die Lobauautobahn ist ein stadtplanerisches Fossil der 1970er-Jahre. Dieses umweltschädliche Mega-Projekt würde die Klima- und Artenkrise, in der wir uns befinden, mit massivem Tempo vorantreiben", sagte Klara Maria Schenk, Klima- und Verkehrssprecherin bei Greenpeace.

Auch die Umweltorganisation Virus unterstützte den Demo-Aufruf. "Das System S1-Lobauautobahn (Lobautunnel), S8-Marchfeldschnellstraße S1-Spange und Stadtstraße ist ein entsorgungspflichtiges Relikt aus dem vorigen Jahrhundert, das den Anforderungen der Klimaverpflichtungen zuwiderläuft. Mit der gestarteten Evaluierung hat Bundesministerin Gewessler einen längst überfälligen Schritt gesetzt, wenn er auch noch nicht hinreichend ist", sagte Sprecher Wolfgang Rehm.

Der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) plädierte für kritisches Hinterfragen: "Die Bundesregierung und alle Bundesländer haben Verkehrs- und Klimaschutzziele beschlossen, die für die Zukunft einen deutlich höheren Anteil der klimaverträglichen Mobilität und eine Reduktion des Anteils des Autoverkehrs beinhalten. An diesen Zielen hat sich der Infrastrukturausbau zu orientieren", erinnerte VCÖ-Experte Michael Schwendinger. Der massive Straßenausbau führe zudem zur verstärkten Bodenversiegelung, die wiederum die Folgen der Klimakrise massiv verschärfe. An heißen Tagen führen die Asphaltflächen zu Hitze-Stau, bei Starkregen kann das Wasser nicht in den Boden versickern, wies der VCÖ auf einen weiteren Aspekt hin.

(APA/Red)

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