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Folter im Namen der Freiheit

Die USA stehen wegen der Missachtung von Menschenrechten wieder am Pranger. Der Geheimdienst CIA soll geheime Kerker in Osteuropa unterhalten. US-Präsident Bush wird offen von Konservativen kritisiert.

Ranghohe Ex-Beamte und US-Soldaten sprechen offen über Folter von Kriegsgefangenen im Irak und in Afghanistan. Und in Washington ist ein heftiger Streit über neue Pentagon-Vorschriften und ein Gesetz entbrannt, die Folter in amerikanischem Namen verbieten sollen.

US-Präsident George W. Bush, der immer wieder die „Mission der USA“ preist, Freiheit und Demokratie in der Welt zu verbreiten, wird nun in der Menschenrechtsfrage offen von Konservativen kritisiert. Sie meinen, auch im vielbeschworenen „Krieg gegen den Terrorismus“ müsse es Grenzen geben. „Es geht nicht darum, wer sie (die Terroristen) sind – es geht darum, wer wir sind. Es geht um unsere Werte, die uns von den Gegnern unterscheiden“, betont der republikanische Senator John McCain.

Denn noch mehr als die Kriege haben Skandale – wie im Militärgefängnis von Abu Ghraib – oder das umstrittene Gefangenenlager Guantanamo die Glaubwürdigkeit der amerikanischen Freiheits-Ideale und das Ansehen der USA beschädigt. Das haben auch viele Republikaner erkannt – zumal Experten der Geheimdienste auch noch den Wert von Aussagen unter Folter stark bezweifeln.

Viele Konservative und sogar viele Militärs wollen verhindern, dass künftig in US-Haft gefoltert wird – was trotz aller Dementis gang und gäbe sein soll. Armee-Hauptmann Ian Fishback ist einer der Zeugen der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, die nach Angaben des Magazins „Newsweek“ US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld der Lüge bezichtigen. In US-Haft würden demnach Gefangene mit Schlafentzug, Kälteschocks oder roher Gewalt und bissigen Hunden gequält. Senator McCain fürchtet, die Schilderungen Fishbacks seien nur „die Spitze eines Eisbergs“.

McCain ist – unfreiwillig – Folterspezialist. Als Gefangener der Vietcong in den 70er Jahren erlebte er fünf Jahre lang Demütigungen und Misshandlungen. McCain setzte jetzt bei der Verabschiedung des Militärbudgets 2006 durch, dass als Gesetzeszusatz künftig jegliche „entwürdigende, grausame und unmenschliche Behandlung“ in US-Gewahrsam verboten wird. Die überwältigende Mehrheit der Republikaner und Demokraten im Senat stimmten für das Gesetz – nun versuchen Bush und sein Vize Dick Cheney alles, um das Inkrafttreten des Gesetzes zu verhindern.

Inzwischen sei der Streit über die Folter auch innerhalb der US-Regierung entbrannt, so die „New York Times“. Ein neues Regelwerk des Pentagon zum Umgang mit Terroristen, das im wesentlichen den Mindeststandards der Genfer Konvention folgt, stößt auf den Widerstand von Geheimdiensten und des Weißen Hauses – zumindest im Ausland solle die CIA gesetzesfrei agieren dürfen.

Der demokratische Senator Edward Kennedy nannte dieses Anliegen „schockierend“. Cheney argumentiere laut „New York Times“, dass die Vorgaben der Anti-Folter-Initiativen „zu vage“ seien und nur zu einer Verunsicherung von Soldaten und Geheimdienstlern führe. Zudem werde die internationale Kritik ohnehin nicht verstummen. Cheney-Vertraute hätten Pentagon-Mitarbeiter bei einer Krisensitzung deswegen verbal heftig attackiert und sie „blutig und verletzt“ zurückgelassen. „Vizepräsident der Folter“, schimpfte die „Washington Post“ über Cheney.

Präsident Bush wird der Öffentlichkeit nun erklären müssen, wieso er stets versichert, dass Folter „unamerikanisch (…) und kein Teil unserer Seele und unseres Seins ist“ – und er nun mit einem Veto gegen das Gesetz droht. „Die USA sind die einzige Regierung der Welt, die gesetzlich die Misshandlung von Gefangenen gestatten will“, schrieb Human Rights Watch. Ein Bush-Veto gegen das Gesetz wäre nach der „Washington Post“ der „moralische Bankrott dieser Regierung“.

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