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Flüchtlinge in China leben in Angst

Yoon Hei Soon hat nichts mehr zu verlieren. Die Nordkoreanerin besitzt seit ihrer Flucht nach China nur noch die Hoffnung auf ein besseres Leben. Zum dritten Mal schon ist Yoon vor Hunger und Unterdrückung in ihrer stalinistischen Heimat ins Nachbarland geflohen. Von dort hofft sie, nach Südkorea zu gelangen. Doch wie tausende andere Nordkoreaner lebt sie statt in der ersehnten Freiheit im Untergrund – in ständiger Angst vor einer Abschiebung. Die nordkoreanischen Flüchtlinge sind in China unerwünscht. Erst kürzlich verschärften die Behörden ihr Vorgehen gegen die Einwanderer aus dem befreundeten Nordkorea.

Rund 300.000 Nordkoreaner halten sich nach Schätzungen von Hilfsorganisationen illegal in China auf – Tendenz vermutlich fallend. Denn einen Vorfall wie Mitte März, als 25 Flüchtlinge in der spanischen Botschaft in Peking Schutz suchten, will die chinesische Führung nicht noch einmal erleben. Die Entscheidung Pekings, die 25 Flüchtlinge nach Südkorea ausreisen zu lassen, hatte für Verstimmungen in Pjöngjang gesorgt. Seitdem durchstöbern nordkoreanische Polizeipatrouillen grenznahe Orte nach den unerwünschten Einwanderern und schicken sie umgehend in ihre Heimat zurück. Das sieht ein Abkommen zwischen China und Nordkorea vor.

Yoon musste die chinesische Abschiebepraxis bereits am eigenen Leib erfahren. Zwei Mal schon seien sie und ihr Sohn nach der Flucht wieder ausgewiesen worden, erzählt sie. In Nordkorea seien sie sofort ins Gefängnis gekommen. „Wir wurden in dunkle Zellen gesteckt und tagsüber mit Handschellen gefesselt“, erinnert sich Yoon. „Manchmal wurden wir auch geschlagen.“ Zehn Monate später wurden sie freigelassen. Ihr erster Gedanke galt wieder der Flucht. Zum dritten Mal durchquerten Mutter und Sohn den flachen Tumen-Fluss. Nach drei Tagen erreichten sie ausgehungert die Stadt Helong. Einwohner nahmen sie bei sich auf. Ihr letztes Hab und Gut gaben die Flüchtlinge dafür her.

Die meisten Flüchtlinge tauchen in der grenznahen 300.000-Einwohner-Stadt Yanji unter. Hilfsorganisationen, Verwandte oder auch Fremde helfen ihnen beim Überleben. Viele Nordkoreaner suchen Hilfe bei Kirchengemeinden. Doch auch die sind ratlos. Das Netz der Fahnder wird enger. „Nordkoreanische Beamte helfen den chinesischen Polizisten, die Flüchtlinge zu erkennen“, erzählt ein Helfer der protestantischen Henan-Kirche in Yanji. Viele Flüchtlinge sind nach Angaben von Einheimischen deshalb komplett untergetaucht. Nordkoreanische Landarbeiter etwa, deren Anstellung Peking in der Vergangenheit erlaubt hatte, werden immer weniger gesehen. Auch in der Bevölkerung verhärtet sich die Stimmung gegenüber den Nordkoreanern. Den Flüchtlingen werden zahlreiche Straftaten zugeschrieben – wie immer, wenn sich irgendwo eine große Zahl von illegalen Einwanderern aufhält.

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