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Fidel Castro gab Amtsgeschäfte ab

Zum ersten Mal seit 47 Jahren hat der kubanische Staatschef Fidel Castro vorübergehend die Amtsgeschäfte abgegeben. Er habe sich wegen eines akuten Darmleidens einem chirurgischen Eingriff unterziehen müssen. 

So hieß es in einer Erklärung des 79-Jährigen, die am Montag (Ortszeit) von seinem Privatsekretär Carlos Manuel Valenciaga im kubanischen Rundfunk und Fernsehen verlesen wurde.

„Die Operation zwingt mich zu mehreren Wochen Ruhe, in denen ich meinen Verantwortungen und meinen Ämtern fernbleiben werde“, teilte Castro in der Botschaft mit. Die Ämter des Ersten Sekretärs der regierenden Kommunistischen Partei, des Oberkommandierenden der Streitkräfte und des Präsidenten des Staatsrats würden übergangsweise von seinem Bruder Raul Castro ausgeübt, hieß es weiter.

Der 75-jährige General ist gemäß der kubanischen Verfassung im Notfall auch der rechtmäßige Nachfolger von Fidel Castro. Dieser betonte, die Übertragung der Macht an seinen Bruder sei nur vorübergehend.

Von dem enormen Stress, dem er ausgesetzt sei, habe er ein Darmleiden bekommen, hieß es in der Erklärung des kubanischen Staatschefs weiter. Als es zu Blutungen gekommen sei, habe er sich einer schwierigen Operation unterziehen müssen.

Als Gründe für den Stress führte Castro an, er arbeite Tag und Nacht und schlafe kaum. Zudem seien das Gipfeltreffen der südamerikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur von 22. bis 24. Juli in Argentinien sowie eine dreitägige Reise durch den Osten Kubas sehr anstrengend gewesen.

Castro, der am 13. August 80 Jahre alt wird, bat darum, die Feiern zu seinem Geburtstag auf Dezember zu verschieben. Zu seinem derzeitigem Zustand wurde zunächst nichts bekannt.

Über Castros Gesundheit wird seit Jahren gerätselt. Am 23. Juni 2001 verlor er bei einer Rede in der prallen Sonne kurz das Bewusstsein. Am 20. Oktober 2004 brach er sich die Kniescheibe und den Arm, als er bei einer Rede stürzte. Danach kamen Gerüchte auf, er sei an Parkinson erkrankt. Dazu sagte er im November 2005: „Sie haben so oft versucht, mich umzubringen.“ Er fühle sich „besser denn je“, werde sich aber nicht an die Macht klammern. Wenn er sich gesundheitlich nicht mehr dazu in der Lage fühle, das Land zu führen, werde er die Partei bitten, einen anderen Führer zu benennen.

Castro regiert die mit US-Sanktionen belegte Karibikinsel seit der Revolution im Jahr 1959. Die kubanische Führung steht vor allem wegen ihrer Menschenrechtspolitik in der Kritik; dutzende Regierungsgegner sind in Haft.

Raul Castro – der ideologische Pragmatiker und mögliche Nachfolger

Raul Castro gilt als weniger charismatisch, dafür aber erheblich radikaler als sein fünf Jahre älterer Bruder. Und seit Fidel Castros Amtsantritt vor 47 Jahren ist der nunmehr 75-Jährige der vom Staats- und Parteichef persönlich erkorene Nachfolger. Am Montagabend übertrug Fidel Castro wegen einer schweren Erkrankung erstmals die Macht vorübergehend an Raul, der Verteidigungsminister und Vizepräsident ist.

Der Vorgang ist von der Verfassung gedeckt: Als erster Vizepräsident des Staatsrats übernimmt Raul Castro für den Fall von „Abwesenheit, Krankheit oder Tod“ die Amtsgeschäfte des Staatschefs. Seit 1959 steht er hinter seinem Bruder in der zweiten Reihe, gilt aber als einflussreich. Bei seiner Ernennung zu seinem Stellvertreter sagte Fidel Castro drei Wochen nach dem Sieg der Revolution am 1. Jänner 1959: „Hinter mir sind andere, die radikaler sind als ich.“ Auf einem Parteitag im Oktober 1997 bestimmte er seinen Bruder offiziell zu seinem Nachfolger und erklärte: „Raul ist jünger, energischer als ich. Er kann auf mehr Zeit zählen.“

Als Chef der Streitkräfte ist Raul Castro tief in das kubanische militärische Engagement in den 70er Jahren in Angola und Äthiopien verwickelt. Zudem sorgte er in Kuba mit Sondereinsätzen und wirtschaftlichen Initiativen des Militärs dafür, den Zusammenbruch der Wirtschaft nach Auflösung der Sowjetunion 1991 zu verhindern.

Raul Castro hat selten Interviews gegeben. Anfang 2001 äußerte er sich ungewöhnlich offen über ein Kuba nach dem Tod seines Bruders und legte den USA nahe, besser noch zu Lebzeiten Fidels Frieden mit Kuba zu machen. „Ich gehöre zu denen, die glauben, dass es im Interesse des Imperialismus ist, trotz unserer unversöhnlichen Differenzen die Beziehungen noch während Fidels Lebzeiten zu normalisieren“, sagte er in dem Interview des kubanischen Fernsehens. Danach, fügte er hinzu, werde es schwieriger sein.

Raul Castro war bereits vor der Revolution Mitglied einer kommunistischen Jugendgruppe. Fidel Castro bekannte sich erst 1961 zum Sozialismus.

An der wirtschaftlichen Front hat sich der jüngere Castro immer wieder als flexibel erwiesen. Als Verteidigungsminister leitete er einige wichtige Experimente mit marktwirtschaftlichen Reformen. So produzierten Militäreinheiten Lebensmittel und verkauften diese auf freien Märkten. Die Streitkräfte betrieben zudem ein wichtiges Tourismusunternehmen, Gaviota. Bei einem Besuch in China 1997 zeigte sich Raul Castro am dortigen wirtschaftlichen Reformkurs interessiert.

Raul Castro wurde 1962 stellvertretender Ministerpräsident und stieg 1972 zum Ersten stellvertretenden Ministerpräsidenten auf. Im Juli 1962 kam er von einem Besuch in Moskau mit der Zusage zurück, die Sowjetunion werde in dem Karibikstaat Raketen stationieren. Das führte bis zum Oktober 1962 zur Kubakrise, die die Welt an den Rand eines Atomkriegs zwischen den damaligen Supermächten USA und UdSSR führte.

Raul Castro zeigte sich aber immer zu Verhandlungen mit den USA bereit, die seit Jahrzehnten versuchen, die Insel zu isolieren. 1964 sagte er, er sei zu Gesprächen „sogar auf dem Mond“ bereit.

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