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Faymann: "Reformstau im ORF"

Bundeskanzler Werner Faymann (S) fordert die ORF-Führung zu verstärkten Reformanstrengungen auf.

“Ich kann nicht sagen, dass ich mit dem ORF von der Struktur und Wirtschaftlichkeit her hochzufrieden wäre. Nein – es liegt noch eine große Aufgabe vor uns. Es gibt einen Reformstau im ORF”, sagte Faymann Freitagabend bei einer Klausur des Verbands Österreichischer Zeitungen (VÖZ) in Oberlech. “Daher ist das Management des ORF gefordert, den ORF in Reform zu bringen.”

Der Kanzler warnte jedoch davor, das “Kind mit dem Bade” auszuschütten. Man müsse den “harten Weg gehen und den ORF in seiner Eigenständigkeit und Handlungsfähigkeit stärken, mit den Kontrollen, die man heute braucht”, weil sonst ein Abverkauf des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Österreich drohe. “Würden wir dem ORF alle Mittel streichen und Gebühren aufheben, wäre die Konsequenz, dass sich eine große Fernsehstation den ORF einverleibt. “Den Vorteil daraus bezweifle ich, deshalb bleibt uns der Weg in die Reform nicht erspart.” Könnte man den ORF neu gründen, würde man vieles, was dort über Jahrzehnte eingeführt wurde, heute nicht mehr machen und der ORF würde “ganz anders” aussehen, zeigte sich Faymann überzeugt.

Den Bericht einer Tageszeitung, wonach sich SPÖ und ÖVP bereits darauf geeinigt hätten, ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz demnächst durch den früheren ORF-Chef und obersten RTL-Boss Gerhard Zeiler abzulösen, dementierte Faymann vehement. Die Regierung stehe hinter dem ORF-Management und die Koalitionsparteien hätten keinesfalls eine solche Einigung getroffen, so Faymann.

Das geplante ORF-Gesetz, das derzeit im Parlament liegt, verteidigte der Kanzler samt zeitlich befristeter 160-Millionen-Euro Gebührenrefundierung für den ORF sowie vermehrten Kontrollrechten für die neue Medienbehörde. Die Frage, welche Kontrollrechte die Medienbehörde im Gegenzug für die 160 Millionen schwere Gebührenrefundierung im ORF haben soll, sorgte zuletzt zwischen den Koalitionsparteien für Misstöne. SPÖ-Parlamentarier äußerten verfassungsrechtliche Bedenken, die ÖVP konterte mit dem Hinweis, dass man das mit den 160 Millionen auch lassen könne, wenn es solche Bedenken gibt. Zum weiteren Fahrplan des ORF-Gesetzes wollte sich Faymann in Oberlech denn auch gar nicht erst festlegen.

Den Online-Vertretern unter den Zeitungsverlegern sicherte der Kanzler aber zu, dass er sich jene Gesetzespassagen, welche die Online-Aktivitäten des ORF regeln, mit seinem Staatssekretär Josef Ostermayer nochmals anschauen und prüfen werde. Eine Verschärfung der Online-Möglichkeiten für den ORF schloss Faymann nicht aus.

Geht es nach Faymann, dann könnte nach der aktuellen ORF-Gesetzesnovelle übrigens bald die nächste folgen. Der Kanzler signalisierte große Sympathie für eine Verkleinerung der ORF-Gremien. “In privaten Unternehmen gibt es kaum einen Aufsichtsrat dieser Größenordnung.” Eine Variante, für die der Kanzler dabei Interesse zeigte: Ein auf 12 Personen verkleinerter ORF-Stiftungsrat, dessen Vertreter von der Regierung ernannt werden und die danach – ähnlich wie bei der britischen BBC oder der heimischen ÖIAG – ihre Nachfolger selbstständig nominieren. Dies könnte nach und nach mehr Eigenständigkeit und Unabhängigkeit bringen.

Warum die Regierung eine solche Gremienreform, die auch schon vom Rechnungshof und verschiedenen Stiftungsräten gefordert wurde, dann nicht im neuen ORF-Gesetz umsetzt? Das Problem sieht Faymann vor allem bei Oppositionsparteien und Landeshauptleuten, die um ihre Vertreter in den ORF-Gremien fürchten. Die Regierung stehe durch Opposition und andere Institutionen unter dem “Generalverdacht”, dass eine solche Reform “nur aus politischen Gründen” erfolgt. Faymann hofft dennoch, sich mit den anderen Parteien irgendwann auf eine Verkleinerung einigen zu können, weil diese für den ORF selbst und die Führung des ORF von Vorteil wäre.

VÖZ-Präsident Horst Pirker beklagte gegenüber Faymann die nachhaltige langjährige Bevorzugung des ORF durch die Politik. Die Verleger erlebten die SPÖ als eine Partei, “die dem ORF nicht ausreichend kritisch gegenüber steht, obwohl im ORF eigentlich nichts mehr zu gewinnen ist”. Die Reichweiten der ORF-Sender gingen stetig nach unten und nicht einmal mehr die “Zeit im Bild” werde durchgeschaltet. Die Verteilung von ORF-Gebühren, Presseförderung und Medienförderung verglich Pirker mit parlamentarischen Kräfteverhältnissen. “Das ist so als ob eine politische Partei schon vor einer Wahl 100 Mandate bekommt. Wir haben 183 Mandate, und der ORF bekommt schon vorher die absolute Mehrheit an Ressourcen zugesprochen.” Die Zuwendung durch Presseförderung mache dagegen nur zwei Mandate aus, die Medienförderung überhaupt nur eines. Den Bundeskanzler bat der VÖZ-Präsident deshalb, diese “Gewichte in der Tendenz zu verschieben” und für fairere Bedingungen zu sorgen.

Pirker kritisierte auch einmal mehr die umstrittenen Anzeigenkampagnen der Regierung, die im wesentlichen “drei Wiener Titel” bevorzugten. Kommunikation der Regierung via Medien sei grundsätzlich positiv, ein “Wermutstropfen” bleibe jedoch durch diese “Presseförderung der besonderen Art”, so der VÖZ-Präsident. Faymann lud die Verleger im Zusammenhang mit dem “leidigen Inseraten-Thema” ein, ihm einen Vorschlag für eine Neuregelung zu unterbreiten. Der Kanzler kann sich ein “Pyramiden-Modell” vorstellen, bei dem die Gelder, die Regierung beziehungsweise Ministerien für öffentliche Kampagnen in Printmedien einsetzen, sowie die Förderungen aus der bestehenden Presseförderung in einen Topf geworfen werden und nach Standards wie Reichweite und Qualität neu verteilt werden. “Die Frage ist, gibt es so etwas wie eine bessere, fairere, objektivere, qualitativere Aufteilung der Mittel.” Den Hinweis auf Großbritannien – dort beschäftigt die britische Regierung für ihre Medien- und Werbekampagnen eine eigene Mediaagentur, die diese nach objektiven Mediaplan-Kriterien vergibt – quittierte der Kanzler mit Interesse. “Machen Sie mir einen Vorschlag”, so Faymanns Botschaft an die Printmedien.

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