Innenminsterin Mikl-Leitner hat am Sonntag die Tatorte in der Grazer Innenstadt besucht. “Die Grazer Innenstadt ist wie eine offene Wunde”, sagte sie sichtlich bewegt. Die Ministerin verharrte in Begleitung der steirischen und Grazer Polizeispitzen vor der Stadtpfarrkirche und der Bank in der Herrengasse, wo ein Kind und ein Frau ihr Leben verloren hatten, und legte zwei weiße Rosen nieder.
Psychologe geht von “geplanter Tat” aus
Bei der Amokfahrt in Graz geht der Innsbrucker klinische Psychologe Salvatore Giacomuzzi von einer geplanten Tat aus. “Alleine die Tatsache, dass der Mann gezielt auf Passanten zuraste, sie verfolgte und immer wieder Menschen überfuhr, deutet darauf hin”, sagte er am Sonntag zur APA.
Giacomuzzi betonte, dass jegliche Schlüsse und Spekulationen, die derzeit über den Mann angestellt würden, lediglich auf der Basis der bisher bekannten Details – also dass der 26-Jährige nach einem Fall von Gewalt in der Familie weggewiesen wurde – gezogen werden können.
Die Vorgehensweise des Mannes deute aber darauf hin, dass es sich um keine Schizophrenie oder Depression gehandelt habe. “In diesem Fall würde man sich eher zurück ziehen und um den Zusammenbruch der Familie trauern”, meinte er.
Zustand von allen Verletzten stabil – drei kritisch
Zwei Kinder waren am Sonntagvormittag nach wie vor im LKH auf der Intensivstation, ihr Zustand sei aber stabil, hieß es seitens des Spitals. Der Großteil der Verletzten wurden ins Grazer LKH oder UKH gebracht, einige wurden im LKH West und im Krankenhaus der Elisabethinen versorgt, zwei Patienten wurden nach Klagenfurt und einer nach Oberwart im Burgenland geflogen.
Im Grazer Unfallkrankenhaus waren unter den aufgenommenen Verletzten neun Schwerverletzte, von denen zwei schwere Mehrfachverletzungen aufwiesen und sofort operiert werden mussten. Am Sonntagnachtmittag wurden alle Patienten als stabil bezeichnet.
Aufregung um Strache
Aufregung herrschte am Wochenende auf diversen Social Media-Kanälen wegen eines – mittlerweile geänderten – Facebook-Postings von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Ihm wird von zahlreichen Usern vorgeworfen, die Amokfahrt mit drei Toten und dutzenden Verletzten für politische Zwecke zu missbrauchen.
Ein Todesopfer war frisch verheiratet
Der 28-jährige “Adis” war gegen Mittag zusammen mit seiner offenbar frisch angetrauten Frau in Graz spazieren und beide wurden vom Täter niedergefahren. Der Mann starb noch an der Unfallstelle, seine Frau liege im Koma: “So endet das junge Glück”, sagte eine der Angehörigen zu Journalisten. Sie zeigten Hochzeitsfotos des jungen Paares, das erst vor zwei Wochen geheiratet habe. Der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl war Zeuge, wie der Amokfahrer das Paar niederfuhr.
Die meisten anderen Teilnehmer stellten sich schweigend um die Kerzen auf, bis die Herrengasse zu einem Gutteil gefüllt war. Die Straßenbahnen mussten daher zum zweiten Mal an diesem Tag ihre Fahrten unterbrechen und warten. Auch am Hauptplatz wurden Kerzen aufgestellt und den Opfern gedacht.
Eine Markierung für jedes Opfer
Neongrüne Markierungen der Polizei und Spurensicherung an jenen Stellen, wo Menschen verletzt und getötet wurden, kündeten auch am Tag danach noch von der Amokfahrt und hinterließen bei Passanten eine bedrückte Stimmung. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner besucht am Sonntag Graz, um sich selbst ein Bild zu machen. Nach einem Treffen mit der Grazer Polizeispitze werde sie sich zu den Tatorten begeben.
Graz trauert
“Graz trauert” stand auf der großen Anzeigentafel am Jakominiplatz und beschrieb die Stimmung an diesem strahlenden Sonntag. Wenige Menschen waren in der Herrengasse unterwegs, auf den Geschäften und einigen Lokalen fanden sich noch die Zettel, die von den hastigen Schließungen am Vortag künden: “Wegen aktueller Vorkommnisse sofort geschlossen” oder “Das Geschäft ist heute durch Polizeieinsatz geschlossen” war da zu lesen.
Auch Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner zeigte sich zutiefst betroffen über die unfassbare Tat der Amokfahrt in Graz. In einem Telefonat drückte er seinem steirischen Amtskollegen Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer die Anteilnahme des Landes Vorarlberg aus.
Was über den Amokfahrer bekannt ist
Bei dem 26-Jährigen Österreicher, der sich nach seiner Tat in einer Polizeistation stellte, handelt es sich um einen Berufskraftfahrer aus der Grazer Umgebung, der bereits zuvor “als gewaltbereit in Erscheinung getreten” sei.
Der Mann ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er wurde nach häuslicher Gewalt am 28. Mai von seinem Wohnsitz weggewiesen. Offenbar stand die Ehe vor dem Aus, so der bisherige Stand der Ermittlungen. Seine Frau hatte nach der Wegweisung mit den gemeinsamen Kindern das Land verlassen.
Politische oder religiöse Motive schließen die Ermittler aus, die privaten Vorfälle dürften vielmehr eine Psychose bei dem Mann auslösen. Ein Gutachten soll Klarheit bringen. Seine Opfer dürfte er allesamt nicht gekannt haben, sondern wahllos ausgesucht haben.
Nicht vernehmungsfähig
Im Laufe des Sonntags soll erneut versucht werden, den Lenker zu befragen. Bisher war das aufgrund seines psychischen Zustandes nicht möglich. Nachdem er am Samstag festgenommen und ins Polizeianhaltezentrum gebracht worden war, konnte er nicht einmal der behandelnden Ärztin einige Fragen beantworten, eine Einvernahme durch die Polizei war überhaupt unmöglich. (red/APA)