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Experten warnen vor grenzenloser Verschuldung

Für Wifo-Budgetexpertin Margit Schratzenstaller ist eine Überschreitung der Maastricht-Grenze von drei Prozent des BIP bei extrem schwieriger Wirtschaftslage zwar "kein Tabu", dieser Schritt dürfe aber nur vorübergehend und nur als "Ultima Ratio" gesetzt werden.

Der Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS), Bernhard Felderer, lehnte eine Verschuldung von über drei Prozent kategorisch ab. Schulden machen sei “nicht chic”, so Felderer im Gespräch mit der APA.

Die drei Prozent seien “keine aus der Luft gegriffene Größe”, sagte Felderer und verwies auf die langfristigen Auswirkungen einer höheren Verschuldung. Das Problem dabei sei es nicht, die von der EU vorgeschriebene Grenze zu brechen, sondern, dass die höhere Verschuldung über mehrere Jahre bleibe, betonte Felderer auch mit Verweis auf steigende Zinskosten. “Verschulden geht leicht”, runterkommen sei viel schwieriger, so Felderer, der auch davor warnte, zu glauben, dass Schulden machen “chic” sei.

Der IHS-Chef glaubt, dass die geplante Steuerreform trotz schwacher Wirtschaft und steigender Arbeitslosigkeit machbar ist. Die Verschuldung müsse aber im Auge behalten werden. Auch bei den angekündigten Konjunkturpaketen mahnte er, nicht mit dem Rasenmäher vorzugehen. Man müsse genau überlegen, wo das Geld gebraucht werde. So sei etwa die Bauwirtschaft derzeit noch vollbeschäftigt, wogegen die Autozulieferindustrie Rückgänge von 60 bis 70 Prozent verzeichne.

Nicht anschließen kann sich Felderer den Prognosen, wonach in den nächsten vier Jahren bis zu 100.000 Arbeitslose mehr erwartet werden. Auch diese Krise werde vorbeigehen, die großen Krisen hätten in ihren krassesten Phasen nicht mehr als drei Jahre gedauert. Der Höhepunkt der jetzigen wird nach Einschätzung Felderers Mitte 2009 erreicht, in der zweiten Hälfte 2009 rechnet er schon mit einer Stabilisierung, 2010 werde man wieder zu einem Wachstum zurückkehren. Vieles werde aber auch davon abhängen, wie sich die Finanzkrise in Osteuropa entwickelt. Derzeit zeichne sich ab, dass es dort Risikofaktoren gebe.

Schratzenstaller schließt nicht ganz aus, dass die Maastricht-Grenze überschritten wird. Die Budgetprognose des Finanzministeriums auf Basis von Wifo-Daten sieht in einem pessimistischen Szenario ein Defizit von über vier Prozent. Schratzenstaller hält die Risikoszenarien für nicht ausgeschlossen; und wenn sich die Krise tatsächlich derart verschärften sollte, müsse man Maßnahmen ergreifen. Da kann auch eine Überschreitung des dreiprozentigen Limits “keine Tabu” sein, jedoch nur kurzfristig und nur als “Ultima Ratio”, betonte die Budgetexpertin. Sie verwies aber auch auf diverse Sparmöglichkeiten, die seit Jahren eingefordert werde (Stichwort Verwaltungsreform).

Eine Verschärfung der Krise sei auch ein Argument für ein Vorziehen von Teilen der Steuerreform, sagte Schratzenstaller mit Verweis auf die Vorschläge des Wifo. Das Wirtschaftsforschungsinstitut schlägt eine Entlastung der Arbeitnehmer, Familien und der Wirtschaft im Ausmaß von vier bis sechs Mrd. Euro vor. Zu einem frühest möglichen Termin, also schon kommendes Jahr, solle Niedrigverdienern ein Sozialversicherungs-Absetzbetrag von 650 Euro gewährt werden. Personen mit 1.000 Euro Monatsbrutto würden sich damit 350 Euro ersparen. Kostenpunkt: 600 Mio. Euro.

Noch nicht einschätzbar ist auch für Schratzenstaller die Entwicklung in Osteuropa, wo österreichische Unternehmen besondern stark investieren. Sie verweis in der Budgetdebatte aber auch auf hausgemachte Probleme bzw. “Altlasten”, wie etwa die Nationalrats-Beschlüsse kurz vor der Wahl (Pensionserhöhung, Anhebung der Familienbeihilfe, Anhebung des Pflegegeldes, Halbierung der Mehrwertsteuer auf Medikamente und Abschaffung der Studiengebühren).

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