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EU-Krise wird zu Grundsatzdebatte

Die EU-Krise nach dem Scheitern der Finanzverhandlungen und dem Doppel-Nein der Franzosen und Niederländer zur neuen Verfassung wird immer mehr zu einer Grundsatzdiskussion.

Ein „neues soziales und wirtschaftliches Modell für Europa“ solle Globalisierung und soziale Gerechtigkeit versöhnen, forderte Handelskommissar Peter Mandelson in einem Beitrag für die Londoner Tageszeitung „The Guardian“. Luxemburg kündigte indes an, wie geplant am 10. Juli ein Referendum über die EU-Verfassung abzuhalten.

Man sollte das „Gipfel-Debakel“ zur Erarbeitung eines EU-Budgets nützen, „von dem alle in Europa profitieren können“, schrieb Mandelson, ein Vertrauter des britischen Premierministers Tony Blair, dem die Hauptschuld am Scheitern der Finanzverhandlungen am Wochenende zugeschrieben wird. Für eine Aussöhnung müssten aber sowohl die Befürworter des „alten ’sozialen’ Europas“ als auch die liberalen Wirtschaftsreformer zu Zugeständnissen bereit sein. Blair hatte vehement Einschnitte bei der EU-Agrarpolitik gefordert, um mehr Geld für Wachstum und Beschäftigung locker zu machen.

Die EU-Kommission ging indes auf Distanz zu Blair. EU-Kommissar Louis Michel sagte am Montag im belgischen Rundfunk RTBF, der britische Premier bekomme von der Brüsseler Behörde nur Unterstützung „unter der Bedingung, dass es in die richtige Richtung geht – in die Richtung von mehr Europa und in die Richtung einer Vertiefung“. Kommissionssprecherin Pia Ahrenkilde ergänzte, die Behörde wolle während der britischen Präsidentschaft alles unterstützen, „was Solidarität schafft“. Blairs Strategie ist es nach Auffassung von Kommissar Michel jedoch, „die gemeinsame Agrarpolitik zu sprengen“. Der Belgier fügte hinzu: „Wenn es darum geht, ein reines Europa des Marktes zu bauen oder zu betonieren, dann wird es, glaube ich, schwierig für ihn.“

Ähnlich äußerte sich auch der österreichische EU-Botschafter Gregor Woschnagg im Ö1-Mittagsjournal. Die Briten hätten keine Unterstützung dafür, den EU-Binnenmarkt zu gefährden. Die EU befinde sich in einer schwierigen Situation und es sei schwierig, das zerbrochene Porzellan „wieder zu kitten“, sagte Woschnagg. Blair will sein EU-Programm für die kommenden sechs Monate am Donnerstag vor dem EU-Parlament erläutern.

EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn wies unterdessen Forderungen nach einer Verschiebung von Beitritten oder Beitrittsverhandlungen zurück. „Einige Politiker waren schnell mit dem Ruf nach einer Verlangsamung oder gar einem Stopp der EU-Erweiterung“, sagte Rehn. Zwar müsse die Union ihre Gangart nach der Erweiterung um zehn Länder im vergangenen Jahr zügeln: „Aber es wäre unverantwortbar, einen wertvollen Prozess zu unterbrechen, der dabei hilft, stabile und wirksame Partner in den unstabilsten Teilen Europas aufzubauen.“ EU-Justizkommissar Franco Frattini sagte der italienischen Tageszeitung „Il Messagero“, man werde künftig den Beitrittsländern genauer auf die Finger scheuen.

Der luxemburgische Parlamentspräsident Lucien Weiler bestätigte nach einer Entscheidung der Fraktionen am Montag, die Volksvertretung werde an diesem Dienstag lediglich den Terminplan bestätigen. Umfragen hatten ein Ja der traditionell EU-begeisterten Luxemburger jüngst nicht mehr sicher scheinen lassen. Auch das Parlament Zyperns will wie geplant am 30. Juni über die EU-Verfassung abstimmen, sagte Außenminister Giorgos Iakovou. Eine Ratifizierung soll jenen Staaten helfen, die Probleme mit der EU-Verfassung hätten. In Polen wird ein Referendum über die EU-Verfassung indes immer unwahrscheinlicher. Ministerpräsident Marek Belka sagte, eine Ratifizierung durch das Parlament sei möglicherweise besser.

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