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Es geht nicht um Sigrid Maurer

Gastkommentar Johannes Huber: Es geht nicht um Sigrid Maurer.
Gastkommentar Johannes Huber: Es geht nicht um Sigrid Maurer. ©APA/Georg Hochmuth
GASTKOMMENTAR VON JOHANNES HUBER. Frauen warten noch immer auf zumutbare Möglichkeiten, sich gegen Hass im Netz wehren zu können. Trotz aller Ankündigungen.

Jede Generation hat ein paar Persönlichkeiten, die niemanden kalt lassen: Heute zählen so unterschiedliche Leute wie Sebastian Kurz, Andreas Gabalier und Sigrid Maurer dazu. Letztere, eine ehemalige Grünen-Politikerin, trägt dazu bei, indem sie Widersachern im Netz schon einmal den Stinkefinger zeigt. Eine solche Provokation polarisiert zusätzlich. Entweder ist man für sie. Oder man ist gegen sie. Dazwischen oder daneben gibt es nichts.

Das wird jetzt keine Rechtfertigung für Hass im Netz. Im Gegenteil: Es soll nur darauf hinweisen, dass es für den einen oder anderen eine echte Herausforderung ist, negative Emotionen auszuklammern; und ganz konkret in der Auseinandersetzung zwischen Maurer und dem Besitzer eines Craft-Beer-Geschäfts in der Josefstadt nicht zu sagen, dass ihr dieses und jenes eh ganz recht geschehe. Das wäre in diesem Fall ganz, ganz schlecht. In diesem Fall geht es nämlich nicht um Maurer, sondern um Frauen insgesamt.

Ehe der Prozess wegen obszöner Postings in die Berufung geht, fordert der Lokalbesitzer 50.000 Euro für die Kränkung, die er erlitten hat. Auch hier gilt: Man kann sich über diesen Mann sehr viel denken und das auch als Unverschämtheit betrachten, sollte das jedoch hintanstellen. Was er tut, ist nicht verboten, er hat vielmehr das Recht dazu. Das Problem ist ein grundsätzliches: Wenn sich eine solche Praxis durchsetzt, dann werden die Verhältnisse für Frauen noch schwieriger.

Die Ausgangslage ist nämlich diese: Vom Facebook-Account des Biergeschäfts hatte Maurer im ergangenen Jahr einen Text bekommen. „Hallo Du bist heute bei mir beim Geschäft vorbeigegangen und hast auf meinen Schwanz geguckt als wolltest du ihn essen …“ Und so weiter und so fort. Maurer machte dies publik. Der Lokalbesitzer klagte, sie erlebte eine Überraschung: Dem Richter zufolge hätte sie klären müssen, ob die Formulierung wirklich vom Lokalbesitzer stammt, dem sie das zugeschrieben hatte. Und weil sie diese Art Sorgfaltspflicht unterlasen hatte, wurde sie zu insgesamt 7000 Euro plus Verfahrenskosten verurteilt.

Das heißt im Klartext, dass eine Frau, die sexuell belästigt wird, sich nur dann öffentlich und damit auch wirkungsvoll zur Wehr setzen kann, wenn sie zunächst Ermittlungen gegen den betreffenden Mann durchführt, um schwarz auf weiß belegen zu können, dass die Tat wirklich von ihm begangen wurde. Was natürlich unzumutbar ist.

Der konkrete Fall hat viele Facetten, die man noch erwähnen sollte. Der Kürze halber jedoch gleich zu den aktuellen Entwicklungen: Über den Verein ZARA für Zivilcourage wurden 100.000 Euro gesammelt, wovon 50.000 Euro Maurer zugutekommen sollten. Und zwar für Prozess- und Anwaltskosten, die in weiteren Instanzen anfallen könnten. 50.000 Euro fordert nun eben auch der Lokalbesitzer. Darüber kann man sich empören. Der Punkt ist jedoch dieser: Geht das durch, ist das ein weiterer Beitrag dazu, dass Frauen sexuelle Belästigung lieber über sich ergehen lassen, als sich zu wehren; wehren sie sich, riskieren sie zu viele Schwierigkeiten.

Also muss man sich wundern, wie zögerlich die Bundesregierung darauf reagiert. Frauenministerin Juliana Bogner-Strauß (ÖVP) hat vor einem halben Jahr eine Gesetzesänderung angekündigt: „Mir ist es wichtig, dass Frauen die rechtliche Möglichkeit haben, sich rasch und unkompliziert bei Hass im Netz zu wehren.“ Sie habe auch schon mit der dafür zuständigen Staatssekretärin Karoline Edtstadler (ÖVP) gesprochen, die demnächst ins EU-Parlament nach Straßburg und Brüssel entschwindet. Passiert ist bisher nichts. Das Thema ist nur eines von vielen geworden, um die sich eine sogenannte „Taskforce“ für eine Strafrechtsreform kümmern soll. Man darf gespannt sein. Zu große Hoffnungen sind unter diesen Umständen jedoch vollkommen unbegründet.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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