AA

Erster großer Krach bei Koalitionsverhandlungen

Die Koalitionsverhandlungen haben ihren ersten großen Krach. Auslöser ist der von Finanzminister Wilhelm Molterer (V) vorgelegte Kassasturz, wonach sich das Budgetdefizit angesichts der wirtschaftlichen Probleme deutlich erhöhen wird.

Während SPÖ-Chef Werner Faymann betonte, dass für ihn die Drei-Prozent-Grenze von Maastricht “kein Heiligtum” sei, wandte sich ÖVP-Chef Josef Pröll vehement gegen ein Überschreiten dieser von der EU vorgegebenen Marke. Diese Frage wird auch Thema der zweiten Runde der Koalitionsverhandlungen am Donnerstag sein.

Noch vor Beginn des sogenannten “Österreich-Gesprächs” der Vertreter aller fünf Parlamentsparteien am Mittwochnachmittag teilte Molterer mit, dass sich das Defizit in der laufenden Legislaturperiode nach derzeitigen Prognosen des Wirtschaftsforschungsinstitutes auf rund 2,4 Prozent des BIP erhöhen werde. In diesen Berechnungen ist eine Steuerreform im Ausmaß von 2,7 Milliarden Euro bereits enthalten. Das von der EU vorgegebene 3-Prozent-Limit könnte laut Molterer in den nächsten Jahren aber auch überschritten werden.

Für Faymann wäre das kein Problem. Er würde sich wünschen, dass die EU hier ein gemeinsames Vorgehen vereinbare, um die 3-Prozent-Grenze für einen gewissen Zeitraum außer Kraft zu setzen, wenn dies nötig sei. Der SPÖ-Vorsitzende verwies auf die aktuelle WIFO-Prognose, wonach in den nächsten vier Jahren zwischen 20.000 und 100.000 Arbeitslose mehr erwartet werden. Das sei nicht hinzunehmen. Es müsse gezeigt werden, dass nicht nur den Banken, sondern auch den Arbeitern geholfen werde. Konkret will er deshalb in den Regierungsverhandlungen klären, was von der Steuerreform vorgezogen werden kann, um die Kaufkraft entscheidend zu stärken.

Pröll lehnte hingegen eine “Wünsch-dir-was”-Politik ab und bestand darauf, dass sich Österreich der Drei-Prozent-Marke nicht einmal näheren sollte. Es sei falsch, wenn man jetzt schon nur über Ausgaben rede. Es brauche zu den drei Prozent hin sogar noch einen “Freiraum”, damit man in Krisen noch Spielraum zum Handeln habe. Auch Molterer wollte von unnötigem Schuldenmachen nichts wissen. Man dürfe das schlimmste Defizit-Szenario nicht eintreffen lassen.

Nach den EU-Regeln wäre ein Überschreiten der Drei-Prozent-Grenze übrigens unter Bedingungen möglich. Die EU-Finanzminister haben 2005 eine Aufweichung beschlossen. Demnach kann bei einem “schweren wirtschaftliche Abschwung” oder wenn es ein “ungewöhnliches Ereignis gibt, das außerhalb des Einflussberichtes des jeweiligen Staates liegt und große Auswirkungen auf die Finanzlage hat” das Defizit “kurzzeitig und knapp” auch über drei Prozent liegen.

Bei der Opposition kam der neue Streit innerhalb der Regierung gar nicht gut an. Inhaltlich stellten sich die designierte Grünen-Chefin Eva Glawischnig und BZÖ-Klubchef Josef Bucher auf die Seite der SPÖ und sprachen sich dafür aus, angesichts des drohenden Defizit-Anstiegs die Maastricht-Kriterien aufzumachen. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache bekräftigte seine Auffassung, man hätte bereits in den Jahren der Hochkonjunktur eine umfangreiche Steuerentlastung beschließen müssen.

Während die Parteichefs von SPÖ und ÖVP auf Konfrontationskurs gingen, setzten die beiden Koordinatorinnen der Koalitionsverhandlungen hingegen auf Konsens. SPÖ-Bundesgeschäftsführern Doris Bures und ÖVP-Innenministerin Maria Fekter betonten, den Konsens vor den Konflikt stellen und die Medien erst dann informieren zu wollen, wenn ein Thema unter Dach und Fach sei. Den Untergruppen, die insgesamt 42 Themenbereiche abzuarbeiten haben, wurde zwar angeblich kein Maulkorb umgehängt, ihre Zwischenergebnisse sollen sie aber trotzdem nicht bei den Medien, sondern bei den Koordinatorinnen abliefern. Kommt es zu einer Einigung, die nicht von Budget-Relevanz ist, dürfen die jeweiligen Leiter der Gruppen diese Ergebnisse dann auch der Öffentlichkeit präsentieren, auch wenn es noch kein Gesamtabkommen gibt.

  • VIENNA.AT
  • Politik
  • Erster großer Krach bei Koalitionsverhandlungen
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen