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Ernst-Kirchweger-Haus lebt weiter

Wenn ein Haus seit beinahe 17 Jahren besetzt ist, dann ist das beinahe eine Institution. Auch wenn das die Aktivisten nicht so gern hören. Die Rede ist vom Ernst Kirchweger-Haus (EKH), das im Juni 1990, damals noch im Besitz der KPÖ, besetzt wurde.

Institutionell sind auch die Forderungen geworden, welche die EKH-Vertreter erheben. Es laufen nach wie vor Räumungsklagen. Und der neue Eigentümer, eine Tochterfirma der Porr, ist noch nicht im Grundbuch, wie bei einem Lokalaugenschein der APA zu hören war.

Wielandgasse 2, 1100 Wien, Austria

„Die Besetzerinnen und Benutzer fordern unbefristete Hauptmietverträge zum symbolischen Mietbetrag von acht Cents. Die Absichten der Verhandlungspartner sind unklar“, sagt Verena vom Verein für Gegenkultur im Gespräch mit der APA. Die Räumungsverfahren gegen die Bewohner sollen dazu eingestellt werden: „Es hat auch nie eine Offenlegung der Kaufverträge gegeben.“

Größte WG Wiens

Würde das EKH geräumt werden, stünden rund 50 Bewohner, „die größte WG in Wien“ (Petra vom Verein) auf der Straße. Nicht nur das:
Im EKH hat sich in den vergangenen 17 Jahren eine umfangreiche linksradikale Kultur- und Politszene entwickelt. „Das EKH definiert sich als Freiraum für kulturelle, politische und künstlerische Aktivitäten. 1990 wurde es von AktivistInnen der Wiener HausbesetzerInnenszene und dem linken türkischen Verein ATIGF besetzt“, lautet die Eigendefinition auf der Homepage.

Einige der beteiligten Initiativen befinden sich noch immer im Haus, wie ATIGF beispielsweise. Die türkische Organisation feierte im Vorjahr ihren 20. Geburtstag, erklärt ihr Obmann Nadir im Vereinslokal, in dem man die Geschichte des ehemaligen KPÖ-Gebäudes bemerkt. „Wir sind ein politischer Verein, einer der ältesten Vereine von Studenten aus der Türkei.“

Die Ausrichtung sei antifaschistisch und antiimperialistisch, sagt Nadir. Neben politischen Versammlungen veranstaltet ATIGF Deutschkurse, Volkstanzevents, Theater und Konzerte. Nadir spricht auch die Wichtigkeit der Bildungsarbeit für Jugendliche der zweiten und dritten Generation an.

Bildungsbürger?

Überhaupt zieht sich das Thema Bildung wie ein roter Faden durch die Institutionen des EKH: Lang im Haus sind schon die „Infomaden“, ein Infoladen, dessen Agenda nach Eigendefinition die „Bereitstellung undogmatisch-linker, radikaler Informationen“ beinhaltet. Zeitschriften, Bücher, Platten und CDs, T-Shirts und Buttons erhält man dort. Gleich neben den Infomaden ist eine hauseigene Bibliothek im Aufbau. Politische Literatur, aber auch Belletristik kann man sich dort unentgeltlich ausleihen. Vieles gibt es bereits, aber „belangloses Zeug nicht“, sagt die Bibliothekarin Andrea.

Bühne

Eine Theater-, Film- und Konzertbühne hat das EKH im Keller. An der Decke des Theaters schwebt eine überdimensionierte Libelle aus Metall. „Die kann sogar die Flügel bewegen und Feuer spucken“, erklärt Michael. Bei einem Monsterfestival in Deutschland hat das Stück einmal sogar einen Preis gewonnen. Dafür wurde die Libelle abmontiert und auf einem Auto nach Deutschland gebracht.

Im Erdgeschoß befindet sich das Vereinslokal des Vereins für Gegenkultur. Einmal im Monat gibt es dort das Weiberfrühstück. Feminismus und Antisexismus sind ebenfalls ein wesentlicher Bestandteil der politischen Arbeit im Haus. Auch Lesungen, Konzerte oder öffentliche Proben finden dort statt. „Kulturarbeit abseits des Mainstreams“ hat sich der Verein auf die Fahnen geschrieben, sagt Hans.

Weiter oben gibt es die Medienwerkstatt, wo mehrere Zeitschriften hergestellt werden. Layout- und Schneideprogramme findet man dort ebenso wie eine Siebdruckwerkstatt oder ein Fotolabor. Ein weiteres Projekt ist die Fahrradwerkstatt. Quasi nebenbei wird auch noch das Haus renoviert. Das Dach und die Elektroinstallationen haben die Bewohner saniert, die Dachterrasse wurde gefliest.

Basisdemokratie

Viele verschiedene Projekte unter einem Haus bringen auch viele verschiedene Meinungen mit sich. Wenn Entscheidungen für das ganze Haus zu fällen sind, tritt das Plenum zusammen. „Es herrscht Konsensprinzip. Wir diskutieren alle Punkte so lange aus, bis alle Beteiligten mit der Lösung leben können. Und es gibt ein antihierarchisches Prinzip“, erklärt Petra.

Besonders umfangreich war das Plenum, als das EKH von der Räumung bedroht war: 300 Leute nahmen daran teil, erzählt Verena. In Gruppen handelten sie die einzelnen Themenbereiche ab.

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