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Einkommensschere zwischen Männern und Frauen weit offen

Wien/Bregenz - Vorarlbergs Männer haben höhere Aktiveinkommen als in Wien, dass sei auf die relativ geringere Zahl öffentlich Bediensteter in Vorarberg zurückzuführen. Rechnungshofpräsident Josef Moser hat dem Rechnungshofausschuss heute über die durchschnittlichen Einkommen der unselbständig Erwerbstätigen, der selbständig Erwerbstätigen und der PensionistInnen in den Jahren 2008 und 2009 berichtet.

Im Mittelpunkt der Debatte mit den Abgeordneten stand die Frage, warum die Einkommensschere zwischen Frauen und Männern nach wie weit offen sei und warum die niedrigsten Einkommen seit Ende der neunziger Jahre real abnahmen, während hohe Einkommen stiegen. Als problematisch sahen Abgeordnete auch die Tatsache an, dass der Einkommenszuwachs der PensionistInnen während der letzten zehn Jahre über dem Einkommenszuwachs der Aktiven lag.

Wie der Rechnungshofpräsident den Ausschussmitgliedern berichtete, nahm die Zahl der unselbständig beschäftigten Personen 2009 gegenüber 2008 krisenbedingt um 0,21 % auf 3,99 Millionen Personen ab. Seit 1998 nahm die Zahl unselbständig erwerbstätiger Frauen um 21,07 % auf 1,866512 Millionen zu, jene der Männer um 7,9 % auf 2,124253. Stark abgenommen hat in diesem Zeitraum die Zahl der BeamtInnen, und zwar um 36 % auf 225.650.

Die Unselbständigen erzielten 2009 ein mittleres Bruttojahreseinkommen (ohne Lehrlinge) von 23.602 €. Das bedeutet einen Zuwachs von 1,78 % seit 1998. Das mittlere Fraueneinkommen stieg um 2,05 % auf 17.639, jenes der Männer um 2,04 % auf 29.181. Das Medianeinkommen der Frauen verbesserte sich in diesem Zeitraum nicht und liegt nach wie vor bei 60 % des mittleren Männereinkommens.

Stark differenziert entwickelten sich die Einkommen der verschiedenen sozialen Gruppen: ArbeiterInnen verzeichneten seit 1998 real einen durchschnittlichen Lohnverlust von 9 %, Angestellte eine Einkommenszunahme von 3,5 %. Die reale Zunahme von 26 % bei den BeamtInnen seit 1998 ist eine Folge rückläufiger Pragmatisierungen: Die Gruppe der BeamtInnen schrumpft rasch, dadurch steigt ihr Durchschnittsalter und ihr Durchschnittseinkommen. Ungeachtet dessen lautet der generelle Befund des Rechnungshofes, dass hohe Einkommen seit den neunziger Jahren tendenziell stiegen, während niedrige Einkommen sanken.

Die Jahresbruttoeinkommen differierten auch nach Branche und Geschlecht: In Energieversorgungsunternehmen verdiente man 2009 durchschnittlich 48.883 €, für Finanz- und Versicherungsdienstleistungen 39.430 €, für Information und Kommunikation 37.801 €, für sonstige Wirtschaftsdienste 13.891 € und in der Gastronomie 9.506 €.

Beim Vergleich von Frauen- und Männereinkommen zeigt sich, dass ganzjährig vollbeschäftigte Frauen im öffentlichen Dienst nahezu gleich viel und weibliche Vertragsbedienstete 92 % des mittleren Einkommens ihrer männlichen Kollegen erhielten. Größere Einkommensdifferenzen zwischen Frauen und Männern bestehen hingegen in der Privatwirtschaft. Dort verdienen ArbeiterInnen 68 % und weibliche Angestellte gar nur 66 % des jeweils mittleren Männereinkommens.

Bei der Analyse der Einkommensschere zwischen Männern und Frauen ortete der Rechnungshof zunächst branchenbedingte Ursachen. Sehr viele Frauen arbeiten in Berufen mit niedrigen Einkommen. Zweitens leisten Frauen mehr Teilzeitarbeit und weniger Ganzjahresarbeit als Männer: 87 % aller ganzjährig Teilzeitbeschäftigten sind weiblich, 44 % aller erwerbstätigen Frauen sind teilzeitbeschäftigt. Nur 6 % der Männer sind teilzeitbeschäftigt. Und drittens weist der Rechnungshof nach, dass auch vollzeitbeschäftigte Frauen innerhalb der verschiedenen Branchen weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen. Besonders deutlich ist dieser Unterschied bei den sonstigen Dienstleistungen, wo ein weiblicher Durchschnittslohn etwa nur 60 % des männlichen Durchschnittslohns ausmacht.

Im Öffentlichen Dienst sind die Einkommen gleicher verteilt

Andere Verhältnisse herrschen im Öffentlichen Dienst – dort sind die Einkommen nicht nur gleicher auf die Geschlechter verteilt, sondern auch weniger differenziert nach der beruflichen Position der Dienstnehmer. Öffentlich Bedienstete mit Hilfstätigkeiten erreichten 2009 ein Durchschnittseinkommen von 29.028 €, deutlich mehr als Angestellte mit Hilfstätigkeiten in der Privatwirtschaft. Auf der anderen Seite erhielten Akademiker und Führungskräfte im Öffentlichen Dienst ein Durchschnittseinkommen von 58.603 €, weniger als führende Angestellte in der Privatwirtschaft (60.000 €).

Große Einkommensunterschiede bei den Selbständigen

2007 waren 311.802 Personen ausschließlich selbständig erwerbstätig. 399.057 Selbständige bezogen auch Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit oder eine Pension. Die höchsten Durchschnittseinkommen erzielten mit 27.956 € Selbständige im Gesundheits- und Sozialwesen. 14.889 € waren es im Bauwesen, 14.657 € im Realitätenwesen und bei wirtschaftsnahen Dienstleistungen sowie 8.808 € in sonstigen und persönlichen Dienstleistungen. Die Einkommen der Land- und Forstwirte machten 2009 im Durchschnitt 11.540 € aus, 10.877 € im Futterbau, 19.639 € in Marktfruchtbetrieben und 6.598 € in Dauerkulturbetrieben.

Auch bei den Selbständigen waren die Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern groß. Im Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen – der Branche mit den höchsten Einkommen – verdienen Frauen im Mittel 21 % dessen, was Männer an Einkommen erzielen. Im Realitätenwesen, bei der Vermietung beweglicher Sachen und bei der Erbringung unternehmensbezogener Dienstleistungen beträgt das Durchschnittseinkommen der Frauen 44 % des Männerdurchschnitts. Bei den öffentlichen und persönlichen Dienstleistungen beträgt das Durchschnittseinkommen der Frauen 78 % des Durchschnittseinkommens der Männer.

PensionistInnen – Einkommen steigen tendenziell

2,228036 Millionen PensionistInnen (1,965826 davon mit Wohnsitz in Österreich) bezogen 2009 ein mittleres Bruttojahreseinkommen von 15.066 € (Frauen: 12.843 €; Männer: 22.373 €). Das Durchschnittseinkommen der PensionistInnen steigt tendenziell an, weil die Neuzugänge in dieser Gruppe aufgrund höherer Beitragsleistungen höhere Pensionsleistungen erhalten.

In der Debatte konzentrierte sich Abgeordnete Ruth BECHER (S) auf die Einkommensentwicklung der unselbstständig beschäftigten Frauen und fragte nach den Ursachen für die enormen Einkommensdifferenzen zwischen weiblichen und männlichen Fachärzten.

Abgeordneter Kurt GASSNER (S) problematisierte Datenlage und die Berechnungen bei den Durchschnittseinkommen in der Land- und Forstwirtschaft, zumal Förderungen nicht berücksichtigt seien und die Berechnungen auf der Basis von Stichproben der buchführenden Betriebe basieren.

Abgeordneter Dorothea SCHITTENHELM (V) riet dazu, bei den Einkommensdifferenzen zwischen Frauen und Männern, die Lebensumstände der Frauen und ihr Engagement bei der Kinderbetreuung und der Pflege von Angehörigen zu berücksichtigen. Einkommen und Pensionen der Frauen leiden infolge der Kindererziehungszeiten. Handlungsbedarf sah die Rednerin bei der Verbesserung der Berufsausbildung der Mädchen.

Abgeordnete Martina SCHENK (B) schlug vor, den Rechnungshof zu entlasten, indem der Einkommensbericht künftig von der Statistik Austria erstellt wird. Schenk ging insbesondere auf Einkommensdifferenzen zwischen Frauen und Männern in den rechtsberatenden Berufen ein.

Abgeordneter Heinz-Peter HACKL (F) beklagte, dass im öffentlichen Dienst die Vertragsbediensteten hinsichtlich der Frauen und Männereinkommen nicht gleichgestellt seien. “Erschütternd” fand Hackl die Einkommenssituation selbstständiger Frauen, deren Medianeinkommen kaum mehr betrage als die Mindestsicherung.

Abgeordneter Gabriela MOSER (G) klagte über starke Einkommensverluste der niedrigen Einkommen und sah hier eine besondere politische Herausforderung.

Abgeordneter August WÖGINGER (V) sah in den überdurchschnittlich zunehmenden Einkommen der PensionistInnen gegenüber den Aktiven einen Anlass zur Nachdenklichkeit. Hinsichtlich der Einkommensschere zwischen Frauen und Männern riet Wöginger, zu beachten, dass Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigungen einkommensstatistisch schwer vergleichbar seien, weil Mehrleistungspauschalien nur bei Vollzeitbeschäftigung ausbezahlt werden. Um Vergleichbarkeit herzustellen, sollte man diese Pauschalien aus den Vollzeiteinkommen herausrechnen, schlug Wöginger vor. Außerdem trat Wöginger dafür ein, Kindererziehungszeiten nach dem Wiedereinstieg in das Berufsleben besser zu berücksichtigen.

Abgeordneter Erwin KAIPEL (S) wollte wissen, warum Männer in Vorarlberg im Durchschnitt höhere Aktiveinkommen haben als in Wien und erfuhr vom RH-Präsiodenten, dass dies auf die relativ geringere Zahl öffentlich Bediensteter in Vorarlberg zurückzuführen sei.

Abgeordneter Alois GRADAUER (F) erklärte die Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern mit der unterschiedlichen Verteilung der Geschlechter in den verschiedenen Tätigkeitsbereichen. In dem Unternehmen, in dem er selbst tätig sei, einem großen Supermarkt, arbeiten ausschließlich Frauen an der Kassa oder als Regalbetreuerinnen und dies oft als Teilzeitkräfte, während die Leitungsfunktionen hauptsächlich von vollzeitbeschäftigten Männern wahrgenommen werden. Kritisch sah Gradauer den Einkommensverlust von ArbeiterInnen seit 1998 und regte dazu einen Vergleich der Entwicklung von Unternehmensgewinnen und Löhnen in diesem Zeitraum an.

Abgeordneter Konrad STEINDL (V) wiederum schlug vor, auf den Lohnzetteln, die zur Berechnung der Durchschnittseinkommen herangezogen werden, künftig zu vermerken, ob der oder die Beschäftigte voll- oder teilzeitbeschäftigt ist.

Rechnungshofpräsident Josef MOSER führte die großen Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen bei Rechtsanwälten und Ärzten darauf zurück, dass Chirurgen meist Männer und Kinderärzte oft Frauen seien und sich Frauen oft weniger intensiv ihren Kanzleien und Ordinationen widmen als Männer. Hinsichtlich der Einkommensdifferenzen bei unselbstständig Beschäftigten erwarte er von einem Mehr an Transparenz positive Auswirkungen, gab der Rechnungshofpräsident Abgeordneter Becher Recht.

Aussagen über die Entwicklung der Einkommen von Selbstständigen seien nur beschränkt möglich, weil diese Einkommen steuerlich anders erfasst werden als jene von Unselbstständigen. Eine tiefergehende Analyse würde rechtliche Änderungen voraussetzen, teilte der Rechnungshofpräsident mit. Ähnlich seien die Ergebnisse der Einkommensberechnungen in der Land- und Forstwirtschaft zu beurteilen, hier stammen die Daten aus dem Grünen Bericht. Dennoch lassen die Berechnungen Schlüsse auf die Ursachen von Einkommensunterschieden zu, hielt der Rechnungshofpräsident fest. Weitergehende Analysen als die bisher angestellten seien notwendig, um die Einkommensverluste bei den niedrigen Einkommen zu erklären. Ob dies die Folge von Lohnsenkungen oder vermehrter Teilzeitbeschäftigung sei, könne auf Grund der vorhanden Daten nicht beantwortet werden.

Die Erstellung des Einkommensberichts sei tatsächlich keine Kerntätigkeit des Rechnungshofes, stellte Präsident Moser fest, lobte aber zugleich die gute Kooperation mit der Statistik Austria und führte aus, dass das so gewonnene Datenmaterial für den Rechnungshof auch auf anderen Prüfungsgebieten wichtig sei. – Der Einkommensbericht wurde einstimmig zur Kenntnis genommen.

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