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Ein Vierteljahrhundert alt und dennoch frisch

Ob er im Himmel nun wirklich mit Mozart vierhändig Klavier spielt, wie es der Pianist Friedrich Gulda für sein Leben nach dem Tod angekündigt hat, lässt sich schwer nachprüfen.

Schon eher ließe sich vorstellen, dass der exzentrische österreichische Musiker, der vor sechs Jahren exakt an Mozarts 244. Geburtstag, verstarb, sich auf Wolke 7 gemeinsam mit Wolferl köstlich amüsiert über Würste und Jogurts mit Mozart-Geschmack. Dass sich Gulda selbst noch posthum mit einem Geburtstagsgeschenk einstellen würde, hatten selbst Fachleute nicht erwartet. Aber „The Gulda Mozart Tapes“ sind eine wirklich schöne Überraschung.

Die nun von der Deutschen Grammophon veröffentlichten Aufnahmen von zehn Sonaten und einer Fantasie entstanden im Winter 1980/81 im Salon des Hotels Zur Post in Steinbach am Attersee, in dem Ort, an dem Gulda zwei Jahrzehnte später starb. Hierher hatte der Klaviervirtuose den Tonmeister Hans Klement eingeladen, der die an einem Bösendorfer Flügel abgehaltenen Sitzungen auf Tonbändern festhielt, deren weiterer Verbleib sich fast so abenteuerlich anhört wie die geheimnisvolle Geschichte der Aufnahmen selbst.

Gulda selbst, der sehr wohl von der Bedeutung der Bänder und den Begehrlichkeiten der Plattenindustrie wusste, verzichtete auf eine Veröffentlichung und schenkte die Bänder seinem Tonmeister. Die Originalaufnahmen sind bis heute verschollen, doch nach Klements Tod entdeckte dessen Gattin im Nachlass Musikkassetten mit Kopien. Sie übergab die Tondokumente Guldas Sohn Rico, der einst Karl May-lesend bei den Aufnahmen dabei war, mittlerweile selbst ein gefragter Musiker ist und die Mitschnitte nun zur Veröffentlichung freigab.

Manche Aufnahmen wie die „Dürnitz“-Sonate D-Dur KV 284 oder die a-moll-Sonate KV 310 erwiesen sich leider als nicht verwendbar, bei anderen hatte Rico Vorbehalte, doch den nun auf 3 CDs veröffentlichten zehn Sonaten und der Fantasie in c-moll merkt man ihre Vorgeschichte nicht an. Es sind tadellose Wiedergaben von Mozart-Interpretationen, die vielleicht gerade durch den Wegfall von professioneller Umtriebigkeit und Veröffentlichungsdruck bei den Aufnahmen von erstaunlicher Lockerheit sind.

Es fehlt jeder Manierismus, mit dem andere ihr Spiel um jeden Preis einzigartig machen wollen. Es wird dort Druck gemacht, wo es notwendig ist, und dort den Fingern freier Lauf gelassen, wo die Musik von selbst zur Ausgelassenheit verleitet. Hier wird nicht falsche Lockerheit suggeriert, sondern allergrößte Ernsthaftigkeit und Selbstverständlichkeit im Umgang mit dem Notenmaterial demonstriert. Die ein Vierteljahrhundert alten Aufnahmen vermitteln keine Aura von Patina, sondern wirken frischer als das meiste, was erst jüngst zu Mozarts Ehren die Presswerke verließ. Und mit der vierhändigen Aufnahme von Gulda und Mozart rechnen wir dann zum 300er…

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