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Ein Jahr EU

Im wirtschaftlichen Bereich hat die EU-Erweiterung am 1. Mai 2004 kaum für Überraschungen gesorgt - ein Jahr nach dem Beitritt der zehn neuen Mitglieder ziehen die Experten eine überwiegend positive Bilanz.

Das Wirtschaftswachstum hat sich sowohl in den alten als auch in den neuen EU-Ländern beschleunigt, wobei die Wachstumsrate in den EU-15 um drei Prozentpunkte unter jener der neuen Mitglieder lag. Hartnäckig hoch bleibt jedoch die Arbeitslosigkeit im Osten, und daran wird sich in absehbarer Zeit auch nichts ändern, wie aus der jüngsten Studie des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) hervorgeht.

Hauptsächlich auf Grund der verstärkten Investitionen und des gestiegenen Privatkonsums beschleunigte sich das Wirtschaftswachstum in den neuen EU-Mitgliedsländern (NMS) im ersten Jahr der EU-Mitgliedschaft auf durchschnittlich fast fünf Prozent. Die NMS tragen nicht nur zur Dynamik der europäischen Wirtschaft bei, sondern üben auch einen gewissen Druck auf die Reformvorhaben der EU aus, heißt es in der WIIW-Studie. Die durchschnittliche Arbeitslosenrate ist aber in den NMS fast doppelt so hoch wie in den EU-15, während sie in Österreich weniger als die Hälfte des EU-Durchschnitts beträgt. Besonders Besorgnis erregend sei die Lage in Polen, wo 19 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung keine Arbeit hätten, aber auch in der Slowakei.

Die Industrie baut trotz einer bemerkenswerten Beschleunigung des Produktionswachstums weiterhin Arbeitsplätze ab. Das bringe beeindruckende Zuwächse an Arbeitsproduktivität mit sich und senke angesichts der allgemeinen Zurückhaltung bei den Löhnen auch die Lohnstückkosten, schreibt Studienautor Peter Havlik. Abgeschwächt wird die internationale Konkurrenzfähigkeit der NMS durch die jüngste Aufwertung der nationalen Währungen gegenüber dem Euro und dem Dollar. Für heuer wird eine leichte Verlangsamung des Wirtschaftswachstums im Osten erwartet, was vor allem auf eine schwächere Entwicklung in Polen zurückgeführt wird.

Als „besondere Herausforderung“ für Österreich und seine östlichen Nachbarländer sieht Havlik die Entwicklung des Arbeitsmarktes in den Grenzregionen sowie bei der Stellung verschieden qualifizierter Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt.

Das herausragendste Merkmal der Wirtschaftsentwicklung des Vorjahres war laut WIIW-Analyse der Aufschwung des Außenhandels. Die Exporte der NMS stiegen 2004 gegenüber dem Vorjahr nominell um mehr als 20 Prozent, während die Importe um 18 Prozent zulegten. Das Handelsdefizit nahm jedoch leicht zu und nur in Polen trug der Außenhandel positiv zum BIP-Wachstum bei. Nach der Übernahme des EU-Handelsregimes mit dem Beitritt floriert insbesondere der Handel zwischen den neuen EU-Ländern sowie der Handel mit Ländern außerhalb der EU. Der österreichische Handel mit den neuen Mitgliedsländern weist stabile Überschüsse aus und hat sich positiv auf das Wachstum der österreichischen Wirtschaft ausgewirkt.

Auch die Wirtschaftsaussichten für 2005 und 2006 sind für die neuen EU-Länder ermutigend: Das WIIW rechnet mit Wachstumsraten von 4 bis 5 Prozent, und auch der vorübergehende Preisanstieg wurde rasch unter Kontrolle gebracht – die Inflationsraten nähern sich schrittweise dem Niveau der Eurozone an. Die Netto-Transfers aus dem EU-Budget waren im Beitrittsjahr zwar marginal, der Zufluss ausländischer Investitionen ist jedoch wieder gestiegen.

Der Währungsunion dürften Estland, Litauen und Slowenien 2007 als erste der neuen EU-Mitglieder beitreten. Sie haben die Maastricht-Kriterien bereits erfüllt und sind seit Juni 2004 im europäischen Wechselkursmechanismus (WKM II). Die Hochdefizit-Länder Polen, Ungarn, Tschechien und die Slowakei werden dem Euro erst später einführen können – die Ersten frühestens 2008, manche vielleicht erst 2010.

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