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E-Scooter in Wien: Gar nicht so umweltfreundlich, wie man denkt

Die in Wien zahlreich vertretenen E-Scooter werden häufig umweltfreundlicher eingestuft, als sie es tatsächlich sind.
Die in Wien zahlreich vertretenen E-Scooter werden häufig umweltfreundlicher eingestuft, als sie es tatsächlich sind. ©APA/AFP (Sujet)
E-Scooter boomen derzeit in allen Großstädten der Welt und werden dabei als besonders umweltfreundliches Fortbewegungsmittel vermarktet. VIENNA.at hat mit allen in Wien vertretenen Leihanbietern Rücksprache gehalten und erklärt, weshalb die E-Scooter gar nicht so umweltfreundlich sind, wie sie scheinen.

Es kommen keine unangenehm riechenden Abgase heraus, also ist es umweltfreundlich - so lautet häufig die Ökobilanz-Rechnung der Menschen, die sich noch nicht weiter mit nachhaltigem Konsum beschäftigt haben. Allerdings ist diese Rechnung etwas zu einfach gehalten. Betrachtet man die Herstellung eines E-Scooters, den Strommix, der in Wien zum Betrieb der Leih-Fahrzeuge eingesetzt wird, und ihre durchschnittliche Lebensdauer, sind die Trendgeräte gar nicht mehr so umweltfreundlich, wie sie auf den ersten Blick erscheinen. Eines sei aber bereits an dieser Stelle erwähnt: Ökologischer als Kraftfahrzeuge mit Verbrennungsmotor sind sie allemal.

Umweltprobleme bei der Herstellung

Für die Herstellung der E-Scooter-Akkus werden Seltene Erden wie Lithium und Kobalt benötigt. Daraus resultieren große Probleme für die Umwelt, da beim Abbau dieser Rohstoffe giftiger Schlamm und giftige Abfälle entstehen, die häufig nicht korrekt gelagert werden und so zu Grundwasserverschmutzung und anderen Umweltproblemen führen. Wie zu Beginn der wiederaufladbaren Batterien, gibt es auch an ihrem Lebensende Probleme: Oftmals werden sie unsachgemäß entsorgt - wegen starker Brandgefahr dürfen Lithium-Akkumulatoren keinesfalls im Restmüll landen, sondern müssen an einer Müllsammelstelle abgegeben werden.

Auch der Rest eines E-Scooters wird meist nicht in Europa angefertigt, sondern ist, wie bereits von diversen Artikeln im Handel gewohnt, made in China. So beispielsweise auch die Geräte der in Wien vertretenen Anbieter Bird, Wind und Lime, deren E-Scooter von der chinesischen Firma Ninebot Limited hergestellt werden. Tier hat gerade umgestellt und bezieht seine Geräte nicht mehr von Ninebot, sondern von Okai Vehicles - einer anderen chinesischen Firma. Hier kommt es also bereits zu einem CO2-verursachenden Transport der Produkte an ihren Einsatzort.

Einsatz fossiler Energie für Betrieb der Wiener Leih-E-Scooter

Nun zum Gebrauch der E-Scooter. Ausschlaggebend ist hier der Strommix, der zum Betrieb der kompakten Fahrzeuge eingesetzt wird. Um dieser Frage nachzugehen, hat VIENNA.at bei allen derzeit in Wien vertretenen Anbietern nachgefragt. Das Ergebnis ist ernüchternd. Keines der Unternehmen gab an, ausschließlich erneuerbare Energien zum Laden der Akkus einzusetzen.

Der Anbieter "Circ" etwa antwortet „wie viele andere Unternehmen, kaufen wir derzeit Strom zu, von dem wir nicht genau sagen können, aus welchen Quellen dieser kommt“. Man sei aber bestrebt, in den nächsten Monaten komplett auf Strom aus erneuerbaren Energiequellen umzustellen. Außerdem wird darauf verwiesen, dass die Müllproduktion des Unternehmens so gering als möglich gehalten wird und man auf Wiederverwendung der Einzelteile setze.

Die Firma "Tier" versichert "unsere Roller werden zu einem großen Teil mit Ökostrom ausgeladen". Auch hier wird angegeben, man möchte bald die gesamte Flotte mit Ökostrom betreiben. Die Nachfrage nach konkreten Zahlen des Ökostrom-Anteils bleibt unbeantwortet.

"Lime" möchte ebenfalls keine genauen Zahlen zum Anteil des Ökostroms nennen. Allerdings seien "alle Fahrten durch Austauschprogramme CO2-neutral" und auch hier wird angegeben, man sei bestrebt, bald ausschließlich erneuerbare Energien einzusetzen.

Noch unbefriedigender fallen die Reaktionen der anderen Wiener Anbieter aus: "Hive" entschließt sich dazu, trotz mehrmaliger Nachfrage, gar keine Antwort zu geben. Das Unternehmen "Wind" antwortet lediglich, man überprüfe derzeit seine Marktposition in Wien, um Machbarkeiten zu beurteilen und bei der Firma "Bird" kann sich jede Privatperson als "Charger" anmelden, wodurch es nicht möglich ist, hierzu Angaben zu machen.

Bei den Wiener Leih-E-Scootern wird demnach zwar nicht unmittelbar CO2 ausgestoßen, jedoch werden andernorts zur Herstellung des Stroms zumindest teilweise fossile Energieträger verbrannt, was ebenso zu Treibhausgasemissionen führt.

Auch, dass die E-Scooter zum Laden der Akkus häufig per PKW eingesammelt werden, soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben.

Lebensdauer bessert Ökobilanz nicht auf

Betrachtet man nun abschließend noch die Lebensdauer der Produkte, bessert dies die Ökobilanz wohl kaum auf: Wie Der Standard Ende Mai 2019 aus einer Studie der Boston Consulting Group (BCG) zitiert, beträgt die durchschnittliche Lebensdauer der Leihgeräte gerade einmal drei Monate. Das liege daran, dass die Geräte ursprünglich für den Privatgebrauch konzipiert wurden und nicht für den verschleißintensiveren Verleih.

Wichtig ist allerdings auch, zu betrachten, welches Fahrzeug die neuen E-Scooter im individuellen Fall ersetzen. Wird der Elektro-Scooter statt einem Auto mit Verbrennungsmotor eingesetzt, ist dieses Fortbewegungsmittel definitiv zu bevorzugen. Noch umweltfreundlicher wäre es jedoch, die Wege zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückzulegen. Eine Studie dazu, auf welche Fortbewegungsalternative durch die Nutzung der E-Scooter in Wien zumeist verzichtet wird, ist derzeit erst in Arbeit.

E-Scooter sind also nicht die ultimative Lösung, wenn es um Klimakrise verursachende Probleme geht - definitiv jedoch als umweltfreundlichere Alternative zum fossil betriebenen Kraftfahrzeug zu sehen.

(Red.)

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