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Dürre in Afrika: Sind Hilfsorganisationen Segen, Geschäft oder Fluch?

Alle Jahre wieder, wenn eine neue humanitäre Katastrophe auf dem afrikanischen Kontinent über die westlichen Fernsehschirme flimmert, stellen sich die Zuschauer die gleichen Fragen: An wen soll ich spenden? Kommt mein Geld wirklich bei den Bedürftigen an? Und wer ist überhaupt vertrauenswürdig in dieser riesigen Hilfsmaschinerie, die seit Jahrzehnten scheinbar vergeblich versucht, Afrika auf die Füße zu helfen? All diese Fragen sind mehr als gerechtfertigt. Aber das Problem ist noch viel komplexer.
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Denn die Industriestaaten haben in all den Jahren seit der äthiopischen Hungerkatastrophe 1984 noch immer keinen brauchbaren Weg gefunden haben, um langfristig etwas zu bewirken. Dabei fehlt es nicht unbedingt an Geld, davon gab es fast immer reichlich. “Wir haben in den vergangenen 45 Jahren schon 600 Milliarden Dollar (420 Milliarden Euro) für Hilfe in Afrika ausgegeben, und nach all dem bekommen Kinder immer noch keine Malaria-Medizin für zwölf Cent”, schreibt William Easterly, Wirtschaftsprofessor der University of New York, in einem Kommentar.

Was vielmehr fehlt, ist schlicht und einfach der richtige Ansatz. Einer der Gründe für das Versagen ist kulturell-historischer Natur. “Viele von uns glauben, dass humanitäre Hilfe ein moralisch reiner Weg ist, um auf das Leiden in der Welt zu antworten”, schreibt der renommierte britische Journalist Peter Gill, der sich fast seine ganze Karriere lang mit Entwicklungsländern befasst hat. “Aber was ist, wenn all unsere guten Absichten nichts anderes sind als eine neuere Version von Kolonialisierung?”

Die meisten Organisationen in Afrika treten tatsächlich mit einer “Wir wissen alles besser”-Mentalität in Afrika auf, wie auch David Rieff von der “New York Times” bestätigt: “Hilfe ist per Definition, wenn Außenstehende den Menschen an einem Ort sagen, wie sie Dinge tun müssen, während sie gleichzeitig damit drohen, ihre Hilfen wieder zurückzuziehen, wenn sich die Leute nicht dementsprechend verhalten.” Freunde macht man sich damit nicht.

Komplexe Traditionen in Afrika

Ein weiteres Problem ist die weitgehende Unkenntnis westlicher Helfer, wenn es um die komplexen afrikanischen Traditionen und Gesellschaftsformen geht. Während fleißig Lebensmittel verteilt werden, hat man es an den meisten Orten verpasst, die Menschen über Geburtenkontrolle zu informieren. Fast überall in Afrika ist das Bevölkerungswachstum in den letzten Jahrzehnten explodiert, und ein Ende ist nicht in Sicht. Und so muss die Hilfsmaschinerie immer mehr in äußerster Armut lebende Menschen versorgen und bekämpft somit die Symptome, nicht aber eine der Ursachen der Misere.

Skandale erschüttern Hilfsorganisationen

Hinzu kommen die zahlreichen Skandale, die die Welt der Hilfsorganisationen erschüttern. Immer wieder heißt es, die meisten Gelder flössen in völlig falsche Kanäle und unterstützten Bürgerkriege, Rebellen oder Diktatoren. In Sierra Leone sollen Friedenstruppen und Helfer jungen Mädchen “Aid for Sex” – also Hilfen für Sex – angeboten haben. Eine französische Organisation bot bis 2007 angebliche Waisenkinder aus dem Tschad und aus Sudan zur Adoption an, obwohl diese sehr wohl Vater und Mutter hatten.

Warnung vor Spenden-Werbung

Dass die Helfer nicht ganz ohne Verwaltungskosten auskommen, ist auch klar, denn sie müssen etwa ihr Personal bezahlen und Werbung machen, um Spender erst zu mobilisieren. Durchschnittlich beliefen sich diese Kosten bei den geprüften Organisationen auf 14 Prozent ihrer Jahresausgaben, sagt DZI-Geschäftsführer Burkhard Wilke. Er warnt daher vor Werbung mit “Jeder Cent kommt an”-Slogans.

Afrika braucht Hilfe

Bei allen Bedenken, Skandalen und Verfehlungen bleibt eines klar: Afrika braucht Hilfe. Aids, Malaria, Dürren, Hunger – der Kontinent hat mit unzähligen Problemen zu kämpfen. Aber Afrika braucht neue Ansätze, weg von der Mentalität der Kolonialherren, hin zu neuen Ideen, langfristigen Investitionen und vor allem Infrastruktur- Projekten. Ohne brauchbare Straßen, Bewässerungssysteme und Strom kann kein Land funktionieren. “Hilfe zur Selbsthilfe” lautet das Rezept, das Veränderung möglich macht. “Es ist wichtig, dass alle Hilfsorganisationen darauf hinarbeiten, die einzelnen Programme den jeweiligen Regierungen zu übergeben”, sagt Judith Schuler vom Welternährungsprogramm (WFP) Äthiopien.

Sind die Hilfsorganisationen nun ein Segen, ein Riesengeschäft oder gar ein Fluch für den gebeutelten Kontinent? Sie sind letztlich ein bisschen von allem, eine bunte Mischung. So wie die 54 Staaten Afrikas selbst. APA

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