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Droge per Zustelldienst - und ganz legal

Es ist keine noble Gegend in Wien. Der zweifelhafte Ruf der Simmeringer Karl-Gunsam-Gasse begründet sich darauf, dass dort jenes als FKK-Sauna ausgeschriebene Bordell firmiert, das dem Spitzenkriminalisten Ernst Geiger die Karriere gekostet haben dürfte.

Das Rotlicht-Etablissement erstrahlt in gleißendem Licht. Der Parkplatz davor ist dicht besetzt. Auf der anderen Straßenseite verläuft die Trasse der Südosttangente. Gestank von verbranntem Benzin liegt über der Gasse.

Wer die Sauna rechts liegen lässt und den Straßenzug weiter verfolgt, kommt zu einer richtigen “Gstettn”. Hinter einem elektronisch zu öffnenden Metalltor stapeln sich in zwei Etagen gelb gestrichene Container. Bei einem ist die Tür offen, und ein heller Lichtschein dringt in die kalte Nacht. Aus dem Inneren ist Stimmgemurmel zu hören. Das Telefon-Gespräch dreht sich um Spice, jene Räucherkräutermischung, die wegen der berauschenden Wirkung gerne geraucht wird.

“Wir haben Silver, Gold, Diamond, Arctical und Tropical. Silver ist das billigste und Diamond das Teuerste”, sagt Walter in das kleine Mobiltelefon. Er verkauft nicht Schmuck. Doch auch Spice ist im Moment eine kleine Goldgrube. Wer es raucht, wird high – wie bei Marihuana, nur legal, noch zumindest. Dafür sorgen Zutaten wie “Indian Warrior”, Blauer Lotus, Meeresbohne oder Marihuanilla und andere. Walter beendet das Gespräch: “Einmal Spice Gold, eine Dose Red Bull, ein Bier und einmal Zigaretten – kommt sofort.”

Er und seine Mitarbeiter haben den Nachtlieferdienst “wirbringens.at” gegründet, der seit 1. Oktober in Betrieb ist. Wem das Bier für die Party ausgeht, ruft bei Walter an. Dass dabei auch die legale Droge zugestellt wird, ist wieder einmal eine Facette für den Slogan “Wien ist anders”. Woanders wird das Räucherkraut nicht mit dem Auto ausgeliefert.

Der kleine Container ist Büro und Lager zugleich. Wer zu Walter will, muss vorbei an Kühlschränken, gefüllt mit Bier, Mineralwasser und Fruchtsäften, und an Kisten, in denen die Packungen Kondome neben den Feuerzeugen und die wieder neben den Futterdosen für Hund und Katz’ liegen. Auch die Drei-Gramm-Sackerln Spice – Kostenpunkt je nach Qualität und Stärke 21 bis 31 Euro – liegen offen auf dem Tisch, derzeit die Cash-Cow des Zustelldienstes. “Der Spice-Anteil am Gesamtumsatz beträgt sicher 50 Prozent. Minimum”, sagt der Zusteller.

Die Klientel geht quer durch die Gesellschaftsschichten: “Vom Arzt bis zum Schulabbrecher ist alles dabei”, so Walter. Spice ordern jene genauso, denen die illegalen Substanzen ausgegangen sind, wie jene, die wegen ihres Drogenkonsums mit der Polizei zu tun haben und ihre Urinprobe abliefern müssen. Auf Spice werden sie nicht untersucht, weil es ja legal ist.

Als Drogendealer sieht sich Walter nicht: “Wir verkaufen es ja nur, solange es legal ist. Und wenn man sich die Menschheitsgeschichte ansieht, ist sie ja eine Geschichte des Rausches.” Kritik übt der Zusteller am Staat: “Mir kann keiner erzählen, er weiß nicht, was mit den ganzen Stecklingen passiert, die in den Head- und Grow-Shops verkauft werden. Und der Staat schneidet brav mit, über die Mehrwertsteuer. Hinterher werden die Leute kriminalisiert.” Und das bei einem Produkt, dessen Auswirkungen um vieles besser erforscht seien als bei Spice.

Bitterkalt ist es im Container, trotz des leise vor sich hinsummenden Heizstrahlers. Ein Besucher testet eine kleine Packung Spice Gold. “Das ist ja stärker als Marihuana”, meint er. Doch die Wirkung lasse schneller nach, meint er bald darauf. Ihm wird es zu frostig, und er begibt sich mit dem letzten Rest Spice auf den trostlosen Rückweg vorbei an der Sauna zur Straßenbahn, die in der Geiselbergstraße hält. Walter seufzt: Er muss bis 2.00 Uhr früh im Container aushalten.

 

 

 

 

 

 

Karl Gunsam Gasse, 1110 Wien, Austria

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