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Doskozil will Aus für Eurofighter

Umstieg auf "Ein-Flotten-System" ab 2020
Umstieg auf "Ein-Flotten-System" ab 2020 ©APA
Die Eurofighter stehen vor ihrem Ende: Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) will aus dem umstrittenen Abfangjäger-System aussteigen und stattdessen einen neuen Flieger anschaffen.

Künftig soll es nur mehr eine statt zwei Jet-Flotten geben, die aktive Luftraumüberwachung soll dadurch militärisch effektiver und kostengünstiger werden, hieß es am Freitag bei einer Pressekonferenz.

Derzeit wird der Luftraum von zwei Flugzeugtypen – den Überschallfliegern Eurofighter und Unterschall-Jets Saab 105 überwacht. Die seit 1970 eingesetzten Saab 105-Flieger sind aus Altersgründen spätestens 2020 Geschichte, müssten also bald ersetzt werden. Im Lichte der Diskussion um die ungeliebten, weil teuren Eurofighter nutzte Doskozil die Gelegenheit, um im Frühjahr eine Sonderkommission zu beauftragen, sich die aktive Luftraumüberwachung als Ganzes genauer anzuschauen.

Die Sonderkommission legte nun ihren Bericht vor und empfiehlt darin einen Umstieg auf ein “Ein-Flotten-System”. Künftig soll es demnach eine Flotte von 15 einsitzigen und drei doppelsitzigen Überschallflugzeugen geben. Doskozil entschied sich anhand zweier empfohlener Varianten gegen den Eurofighter und für ein neues System. Das bedeutet, die derzeit 15 Eurofighter Typhoon der Tranche 1 sollen ab 2020 schrittweise ersetzt und das Heer soll gleichzeitig auf neue Flieger umsteigen. Welches Modell das sein wird, steht noch nicht fest. Innerhalb von drei Jahren könnte der Umstieg dann abgeschlossen sein.

Eurofighter-Nachfolger noch unklar

Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) will nun den Generalstab anweisen, ab sofort alle Vorbereitungen zum Umstieg auf einen neuen Flieger ab 2020 einzuleiten. Welches Überschall-Flugzeug den österreichischen Luftraum in Zukunft statt den Eurofightern und den Saab 105 sichern soll, ist aber noch unklar, Doskozil wollte sich noch nicht auf ein Modell festlegen.

Es sei die Entscheidung gefallen, dass “ein Abgehen vom Eurofighter stattfindet”, erklärte Doskozil bei der Pressekonferenz. “Der Eurofighter ist also Geschichte.” Ein Umstieg auf ein neues Flugzeug-System sei militärisch effektiver und deutlich kostengünstiger, betonte der Minister.

Der Beschaffungsprozess soll ab sofort eingeleitet werden, wobei man statt einer klassischen, länger dauernden Ausschreibung ein Regierungsgeschäft (“Government to Government”) anstrebt, wie es auch die Kommission empfiehlt. Am wahrscheinlichsten scheint aus heutiger Sicht eine Leasing-Variante. Herauskommen können dabei übrigens neue wie gebrauchte Flugzeuge.

Zu 100 Prozent mit überschall-schnellen Abfangjägern

Ursprünglich war der Plan, die seit 1970 eingesetzten Saab 105 durch einen bewaffneten Trainer zu ersetzen und die 15 einsitzigen Eurofighter weiter zu betreiben wie bisher. Allerdings gelten die Betriebskosten des Eurofighters als sehr hoch, eine Flugstunde kostet zwischen 70.000 und 80.000 Euro. Das Bundesheer hätte alleine für die Eurofighter in den nächsten 30 Jahren in Summe zwischen 4,4 und 5,1 Milliarden Euro aufzuwenden, obwohl sie im Vergleich zu alternativen Flotten schlechter ausgerüstet seien, hieß es. Dazu komme noch ein spezifisches Kostenrisiko der Tranche 1, also der ältesten Eurofighter-Ausführung, die ständig nachgerüstet und upgedatet werden muss, wie Brigadier Karl Gruber, Chef der Luftstreitkräfte und Leiter der Sonderkommission, erläuterte. Auch die Kosten für den Ersatz der Saab 105 seien dabei noch gar nicht berücksichtigt.

Die Kommission empfiehlt in ihrem Bericht, “den österreichischen Eurofighter Typhoon der Tranche 1 in seinem aktuell beschränkten Ausrüstungsstand, wie er derzeit genutzt wird, nicht weiter zu betreiben”. Die Experten der Luftwaffe und des Ministeriums raten in dem Papier dazu, die aktive Luftraumüberwachung künftig zu hundert Prozent mit überschall-schnellen Abfangjägern abzudecken. Sie sollen uneingeschränkt auch in der Nacht und bei schlechter Sicht einsetzbar sein und für den Fall des Falles auch über ein “zeitgemäßes Selbstschutzsystem und Allwetterlenkwaffen” verfügen.

Eurofighters dem Steuerzahler “nicht mehr zumutbar”

Umgesetzt werden könne dies, schreibt die Kommission, durch den Betrieb einer einzigen bewaffneten Abfangjägerflotte mit 15 Einsitzern plus drei Doppelsitzern (sie werden vor allem zur Ausbildung gebraucht, Anm.) an den zwei Standorten Zeltweg und Hörsching. Laut Kommission gäbe es dazu zwei Möglichkeiten: Die vorhandenen Eurofighter nachrüsten und zusätzlich drei gebrauchte Doppelsitzer kaufen oder eben eine leistungsfähige alternative Abfangjägerflotte anschaffen. Zweiteres wäre laut Kostenschätzungen der Kommission am günstigsten – im Vergleich zur bisher geplanten Nachfolge für die Saab 105 und dem Weiterbetrieb der Eurofighter werden im besten Fall Einsparungen von bis zu zwei Milliarden Euro im Lebensdauerzyklus von etwa 30 Jahren erwartet.

Der Weiterbetrieb des Eurofighters sei dem Steuerzahler “nicht mehr zumutbar”, befand Doskozil. Es sei deshalb die Entscheidung gefallen, “dass wir aus dem System Eurofighter aussteigen” und man ab sofort die Ausrichtung auf eine neues System in die Wege leiten werde.

Zeichnung, Factbox Eurofighter, Angeschaffte Maschinen, Reduktionen 2002 und 2007 GRAFIK 0176-17, 88 x 176 mm Interaktiv/responsive: Diese Grafik ist auch in einer fŸr alle EndgerŠte optimierten Online-Version verfŸgbar. RŸckfragen unter grafik@apa.at
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Weist Zusammenhang mit Wahlkampf zurück

Dass es sich bei der Verkündung der Stilllegung der umstrittenen Eurofighter um eine Wahlkampf-Aktion handle, wies Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) zurück: “Das kann und darf kein Wahlkampfthema sein”, betonte er auf eine entsprechende Frage. Er habe auch schon Gespräche mit dem – ÖVP-geführten – Finanzministerium geführt, die Koalition gehe hier “einen Weg”.

Das Ende des Eurofighter-Systems hatte sich zuletzt schon abgezeichnet. Die SPÖ wollte den Flieger ohnehin nie, konnte aber ihr Wahlversprechen aus 2006 (Stichwort: “Sozialfighter statt Eurofighter”), den Ausstieg aus dem korruptionsumwitterten schwarz-blauen Eurofighter-Deal, nicht einlösen. Der heutige rote Verteidigungsminister machte die Jets wieder zum medialen Top-Thema, als er heuer im Frühjahr anhand eines Taskforce-Berichts eine Betrugsanzeige gegen den Hersteller einbrachte und anordnete, die aktive Luftraumüberwachung zu evaluieren. Immer wieder kritisierte Doskozil seither öffentlich die hohen Betriebskosten der Eurofighter.

Einen Zusammenhang mit dem de facto laufenden Wahlkampf wies Doskozil am Freitag aber zurück: Als er die Sonderkommission Mitte Februar angekündigt habe, habe “niemand von Neuwahlen gesprochen” und es habe niemand gewusst, dass im Herbst gewählt werde. Es gebe auch Gespräche mit dem ÖVP-geführten Finanzministerium und es sei dokumentiert, “dass wir in dieser Frage in der Koalition einen Weg gehen”. Das Thema eigne sich nicht, in den Wahlkampf hineingezogen zu werden.

Beschaffungsprozess wird eingeleitet

Auch, dass sich der Umstieg von den Eurofightern auf ein neues System mit einer etwaigen neuen Regierung gleich wieder erledigen könnte, sieht der Minister nicht so: Er könne sich nicht vorstellen, dass eine zukünftige Regierung über den “nachhaltigen” Bericht der Experten einfach “hinweggehen kann”.

Der Umstieg auf ein neues Flugzeug-System sei militärisch effektiver und deutlich kostengünstiger, als die alten Saab 105 zu ersetzen und die 15 einsitzigen Eurofighter im aktuellen Ausrüstungsstand weiter zu betreiben. Daher sei die Entscheidung gefallen, dass “ein Abgehen vom Eurofighter stattfindet”. Ab sofort werde der Beschaffungsprozess eingeleitet, und er habe auch schon Gespräche mit Kanzler und Finanzminister geführt, betonte Doskozil, er sei mit beiden eng abgestimmt und beide würden den Weg mitgehen. Die Typenentscheidung für die Nachfolger werde gemeinsam und in enger Abstimmung mit dem Finanzministerium fallen, versicherte Doskozil.

Kein Ministerratsbeschluss notwendig

Für die aktuelle Entscheidung zum Ausstieg aus dem Eurofighter war freilich kein Ministerratsbeschluss notwendig, was die Sache in Zeiten der scheidenden Koalition wohl leichter gemacht hat. Allerdings muss am Ende des Beschaffungsprozesses der neuen Flieger die Finanzierung im Budgetgesetz sichergestellt werden.

Auf einen Nachfolger wollten sich weder Doskozil noch Luftstreitkräfte-Chef Karl Gruber festlegen. Bezüglich möglicher Staaten, mit denen man verhandle, bestehe derzeit keine Einschränkung. Infrage kämen alle Überschall-Modelle, die die Anforderungen erfüllen, etwa entsprechende Waffensysteme oder Einsatztauglichkeit auch bei schlechter Sicht.

Dass viele Mängel der derzeitigen Eurofighter auf den Verzicht von Ausrüstung im umstrittenen Vergleich des früheren Ministers Norbert Darabos (SPÖ) zurückzuführen sind, wollten weder Doskozil noch Gruber direkt bestätigen: “Im Nachhinein kann man das leichter beurteilen”, meinte Doskozil. Er räumte aber ein, “es ist aus meiner Sicht nicht glücklich gewesen, auf Nachtflugfähigkeit zu verzichten”.

Was dann mit den Eurofightern passiert, ist noch offen. Doskozil verwies auf die eingebrachte Betrugsanzeige, wo die Republik sich als Privatbeteiligte Schadenersatz erhofft. Es sei aber auch denkbar, die Flieger zu verkaufen. Laut Bundesheer ist es nicht unrealistisch, dass sie jemand kauft – sei es nur als Ersatzteillager, wie es Österreich selbst mit einer Hercules-Transportmaschine schon gemacht hat.

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