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donaufestival 2016: Das war das erste Wochenende

Großer Andrang auch diesmal am donaufestival.
Großer Andrang auch diesmal am donaufestival. ©David Visnjic / donaufestival
Der Abschluss des ersten donaufestival-Wochenendes stand am gestrigen Sonntag ganz im Zeichen musikalischer Grenzerfahrungen: Während die schottische Postrock-Band Mogwai mit ihrer Soundtrackarbeit "Atomic" das nukleare Zeitalter in vibrierende Tonfolgen übersetzte, gab sich ihr britischer Kollege Blanck Mass mit nichts weniger als der totalen klanglichen Physis zufrieden.

Mogwai stehen seit mittlerweile 20 Jahren für qualitative, gleichermaßen den Geist wie den Körper ansprechende Rockmusik, die sich vorzugsweise in instrumentalen Sphären bewegt und gerne einen Umweg zum Ziel macht.

Galt es früher vorwiegend, mittels einer Laut-leise-Dynamik und massiven Gitarrenwänden dem Publikum kathartische Momente zu gönnen, hat sich in den vergangenen Jahren eine subtilere Note in das Schaffen der Gruppe gemischt. “Wenn wir einen Song schreiben, der uns zu bekannt vorkommt, dann werfen wir ihn weg”, umriss Keyboarder Barry Burns folglich die Herangehensweise.

“Atomic” in Krems

Das wurde auch in der Live-Darbietung von “Atomic” – im Kremser Stadtsaal gab es diesbezüglich sogar eine Premiere – spürbar: Während auf der hinter der Band angebrachten Leinwand Mark Cousins gleichnamige BBC-Dokumentation lief, gingen die Musiker behutsam vor, ließen sich für ihre eruptiven Momente ausreichend Zeit und zogen allen voran aus dem spannungsgeladenen Verhältnis zwischen Synthies und schwebenden Gitarren die Energie für ihre Songs. Dass diese Stücke in nur elf Tagen entstanden sind, macht Staunen ob ihrer Komplexität. “Es ist sogar ein bisschen frustrierend”, lachte Burns. “Oft verwendet man für etwas viel Zeit – und dann merkst du, dass es auch in elf Tagen funktionieren kann. Aber diese Spontanität, dieses Gespür für Momentaufnahmen wollen wir auch für die nächste Platte mitnehmen.”

Man darf sich freuen darauf, verstehen es die Schotten doch nach wie vor, große Erzählbögen aufzuspannen. Für “Atomic” galt dabei: Der Klang hatte mehr Aussagekraft als die Bilder. Cousins Collage aus Archivmaterial, von Atombombentests über Reaktorkatastrophen bis zu den Nachwirkungen von Strahlenunfällen, ist zwar geschickt montiert, gerät auf Dauer aber eher eintönig und tendenziös. Lautet der Untertitel “Living in Dread and Promise”, so sind die Versprechungen, die sich aus atomarer Forschung ergeben, bei ihm mit der Lupe zu suchen. Es schien eine Spaltung zwischen klanglicher und visueller Seite zu geben. Dann doch lieber Augen schließen und den eigenen Film ablaufen lassen, wenn Mogwai den Lautstärkepegel aufdrehen.

Weitere Highlights am donaufestival

Letzteres war auch bei Blanck Mass der Fall: Benjamin John Power hat unter diesem Pseudonym zwei sehr unterschiedliche, aber gleichermaßen überzeugende Platten zwischen atmosphärischer Elektronik und durchschlagenden Beatsalven vorgelegt. In der Minoritenkirche konzentrierte sich der Brite mit einer ohrenbetäubenden Intensität auf das jüngere Futter für die Tanzbeine: Sein “Dumb Flesh”, erschienen im Vorjahr bei Sacred Bones, ist ein Rundumschlag in Sachen Industrial, unterkühlter Ästhetik und verschachtelt angelegten Songstrukturen. Gerne breitet er dabei die Grundzutaten für den einzelnen Track schon früh aus, sorgt aber mit einer immer neuen Anordnung für überraschende Momente.

“Die Dynamik ist der Schlüssel”, verriet er nach dem gelungenen Auftritt. “Natürlich gibt es für mich und hoffentlich auch den Zuhörer die emotionale Bandbreite, die da drinnen steckt. Aber im Zentrum steht die Dynamik. Man muss es im ganzen Körper spüren, als ob man für eine gewisse Zeit reingezogen wird.” Das ist Power in jedem Fall gelungen: Ergänzt um teils sehr retrohafte, teils durchaus körperliche Visuals, gab es über eine Stunde lang kein Entkommen aus diesem elektronischen Kochtopf. Da rührte der Musiker mit Genuss in den Innereien seiner Fans, fuhren die Klänge durch Mark und Bein und garnierte Power seine Darbietung mit einer ausreichenden Menge an Melodie und Wahnsinn, um Nachvollziehbarkeit und Unvorhergesehenes in das richtige Verhältnis zu bringen.

Zweite Runde folgt

“Ich will eigentlich keine Bilder vorgeben. Aber erzeugen möchte ich sie schon, und zwar im Kopf der Leute. Mir geht es dabei um ein bestimmtes Narrativ”, meinte Power. “Dabei teile ich natürlich gerne meine Sicht, aber genau so wichtig ist es, dass sich jeder selbst etwas ausmalen kann.” Wobei eine gesunde Portion Egoismus für ihn als Künstler durchaus angebracht sei. “Es geht letztlich um mich”, beschrieb er schmunzelnd sein Live-Setting. Fühle er sich wohl, dann lasse sich das dementsprechend transportieren. Folglich dürfte dieser Krems-Ausflug definitiv auch für ihn ein Highlight gewesen sein.

>> Die zweite Festival-Runde findet vom 05. bis 07. Mai statt. Mehr Infos hier.

(APA)

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