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Die Ziesel von Floridsdorf: Interview mit der Bürgerinitiative Marchfeldkanal

Eines der Ziesel von Floridsdorf
Eines der Ziesel von Floridsdorf ©Andreas Gruber
Viele Freunde haben die Ziesel von Floridsdorf unter der Bevölkerung am Marchfeldkanal. 4000 Unterschriften wurden gesammelt, jenes Bauprojekt, das die süßen Nager aus ihrem Lebensraum vertreiben würde, schon jahrelang verzögert. Wir haben uns mit Helmut Bauer von der Bürgerinitiaive IGL-Marchfeldkanal unterhalten.
Pechtag für die Ziesel?
Kampf um die Ziesel

Die IGL Marchfeldkanal kämpft schon seit Jahren gegen den Neubau von Wohnhäusern auf einer Wiese nördlich des Heeresspitals in Floridsdorf. Dort lebt eine Relikt-Kolonie von rund 850 Ziesel, die auf Platz eins der gefährdeten Arten in Österreich stehen. Der vorgeschlagene Ausweich-Lebensraum auf einem schmalen, stark frequentierten Wiesenstreifen hält Helmut Bauer für Nonsens, wie er uns im Interview erklärt.

Vienna.at: Wie geht es den Zieseln von Floridsdorf? 
Helmut Bauer: Am Freitag, 13. April, wurden einige eingefangen und markiert.  Damit möchte man feststellen, ob sie wandern; sprich, ob sie den Marchfeldkanal auf einer nahen Brücke überqueren. Tun sie das, so unser Verdacht, möchte man sie auf die andere Seite des Marchfeldkanals übersiedeln.

Die IGL-Marchfeldkanal ist ja sehr aktiv. Erfahren Sie eigentlich auch Ablehnung? 
Man sagte uns zum Beispiel beim Umweltschutzverband, ihr wollt ja nur nicht, dass euch die Aussicht verbaut wird und ihr verwendet die Tiere für eure eigenen Zwecke. Und es stimmt, diese Wohnhäuser würden direkt vor unseren Fenstern entstehen. Das wissen wir allerdings, seit wir dort eingezogen sind. Für mich geht es darum, Tierschutz direkt vor der eigenen Haustür zu leben. Es ist schön, wenn man sich Sorgen um den sibirischen Tiger macht, aber hier kann man ganz persönlich und direkt vor der Haustür etwas unternehmen, um eine gefährdete Tierart zu schützen.

Der Verkauf des Grundstückes nördlich des Heeresspitals ging seinerzeit im März 2008 recht schnell. Wie ist es dazu gekommen? 
Es wurde schon jahrelang versucht, diesen Grund den einzelnen Bauern abzukaufen. Erfolglos, weil einige einfach nicht wollten. Doch dann ging alles sehr schnell. Das 70.000 Quadratmeter große Grundstück wurde um 13 Millionen Euro an ein Konsortium verkauft, wobei der Vermittler 700.000 Euro Provision eingesteckt hat. Rechtzeitig vor der letzten Gemeinderatswahl wurde  im Eiltempo eine großzügige Umwidmung gegen die Stimmen der Opposition durchgeführt. Wie uns von Expertenseite versichert wurde, könnte der Widmungsgewinn bei ca. 70 Millionen Euro liegen.

Sehen Sie einen politischen Hintergrund?
Das erklärte Ziel von Stadtrat Michael Ludwig sind 20.000 neue Wohnungen innerhalb von drei Jahren. Das ist gut für die Stimmung, die Mietpreise und die Bauindustrie. Ich vermute, dass deswegen nicht ganz so genau hingeschaut wird bei manchen Dingen.

Wie ist die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Stellen, die dafür verantwortlich sind – MA22, Umweltanwaltschaft und Co?
Ganz schlecht. Es will nämlich niemand zuständig sein. Das Argument ist, der Bauträger hat das Grundstück erworben und ist damit verantwortlich. Die MA22 kann oder will erst aktiv werden, wenn ein konkreter Bauplan vorliegt und fühlt sich nur verantwortlich dafür, dass der Gesamtbestand der Ziesel erhalten bleibt. Organisationen wie der WWF engagieren sich eher für exotische, bedrohte Tierarten, die weit weg sind.

Sind die Ziesel eigentlich sichtbar oder weiß man nur, dass sie da sind? 
Ziesel werden als die Diven der Natur bezeichnet. Sie kommen nur heraus, wenn es sonnig, warm, windstill und ruhig ist. Dann kann man sie schon beobachten, wenn man sich lang genug auf die Lauer legt.

Es ist ja ein Streifen entlang des Marchfeldkanals als Ausweichquartier angedacht. Können die Ziesel dorthin? 
Das ist kein Ziesel-Lebensraum. Erstens führt der stark frequentierte Radweg direkt vorbei. Dann fällt der Schatten der geplanten Gebäude auf diese Fläche. Und drittens, sobald verbaut wurde, werden dort wohl auch Kinder spielen und Anrainer spazieren gehen. Dort können die Ziesel nicht leben. Daher wird jetzt auch geprüft, ob sie sich über den Marchfeldkanal bewegen.

Wie geht es weiter für die Ziesel von Floridsdorf?
Wir werden Beschwerde bei der EU-Kommission einreichen, da die geplante Vorgehensweise der Flora-Fauna-Habitatsrichtlinie widerspricht. Den Baubeginn ist zurzeit für Ende 2013 geplant, bis dahin werden wir uns mit voller Kraft für den Schutz der Ziesel einsetzen.  

Mehr zu den Zieseln von Floridsdorf

Vienna.at bleibt an den Zieseln von Floridsdorf dran. Ab Dienstag, 24. April, lesen Sie an dieser Stelle ein Interview mit der Ziesel-Expertin und Autorin beider Gutachten (PDF) zum Lebensraum am Marchfeldkanal, Dr. Ilse Hoffmann von der Uni Wien.

(PFR)

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