AA

"Die setzen das aufs Spiel"

Im "VN"-Interview sprach der Chef der Österreichischen Grünen, Alexander Van der Bellen, über die ÖVP, seine Partei und die Wahlkampf-Themen.

VN: Die Grünen haben ein deklariertes Ziel: Platz drei bei der Nationalratswahl.

Van der Bellen: Das wäre ein wichtiges Signal. Für die Offenheit des Landes, für die Ablehnung der primitiven Ausländerfeindlichkeit von Strache und Westenthaler. Platz drei zu erreichen, wird schwer. Aber die Chance war noch nie so hoch wie jetzt.

VN: So? Wie will man denn ohne Themen Platz drei erreichen?

Van der Bellen: Wir sind die einzige Partei, die versucht, einen Themenwahlkampf zu führen. Bildungsreform, Gleichberechtigung, Schutz vor Armut, energiepolitische Wende, Menschen- und Bürgerrechte – das sind unsere Kernbotschaften.

VN: Trotzdem: Die FPÖ hat die Ausländer, die ÖVP die Bawag. Nur die Grünen haben kein zentrales Thema für den Wahlkampf . . .

Van der Bellen: Nein. Beispiel Bildung: Hunderttausende Lehrer und Eltern haben gespürt, was es heißt, wenn 5000 Lehrer im Pflichtschulbereich eingespart und 120.000 Unterrichtsstunden gestrichen werden. Das verstehen die Leute hautnah, was das heißt, für die Zukunft der Kinder.

VN: Um auf den Wahlkampf zurückzukommen . . .

Van der Bellen: Die ÖVP glaubt, dass der Bawag-Skandal ein Thema ist? Das soll ein Zukunftsthema sein, aus dem wir schließen können, was die ÖVP in den nächsten vier Jahren vorhat? Auf die Plakate schreiben ÁEr kannsÑ und man weiß nicht, was? Wenn wir mit dieser Selbstzufriedenheit weitermachen, die die ÖVP signalisiert, wird es noch ein böses Erwachen geben.

VN: Sie haben sich zuletzt ohnehin auf die VP eingeschossen. Noch vier Jahre Gehrer halte das Bildungssystem nicht aus, sagten Sie. Was muss denn passieren?

Van der Bellen: Ende mit dem Kaputtsparen, vor allem im Bereich der Pflichtschulen, der Volksschulen und der Hauptschulen. Änderung der Philosophie. Es darf kein Kind verloren gehen. Ein Fünftel aller 15-Jährigen kann nicht ausreichend lesen. So schafft man die Arbeitslosen der Zukunft.

VN: Großparteien fahren Schlitten mit Juniorpartnern. Und trotzdem wollen die Grünen in die Regierung.

Van der Bellen: Wir wären auch in der Regierung ein selbstbewusster, autonomer Partner. Wir tun aber alle so, als sei dies eine ausgemachte Sache. Das ist es nicht.

VN: Ja? Laut Strache sind Sie bereit, die Hainburger Au zu roden, nur um Vizekanzler zu werden. Van der Bellen: Genau. Das war ein guter Gag (lacht). Zum ersten Mal musste ich herzlich lachen über einen Witz des Herrn Strache.

VN: Apropos Strache: Was ist denn grüne Linie in Sachen Ausländer?

Van der Bellen: Das ÁAusländer-RausÑ der FPÖ ist wirtschafts- und sozialpolitischer Quatsch. Vom Humanitären ganz zu schweigen. Übrigens: Die größte Zuwanderungsgruppe ist seit zwei, drei Jahren die deutsche. Wollen Strache und Westenthaler, dass die den Koffer packen und wieder nach Sachsen fahren? Das ist doch absurd. Und Westenthaler tut so, als wäre ein Drittel aller Ausländer kriminell. So wird Rassismus geschürt. Und das bei dem bis jetzt geradezu liebenswürdigen Zusammenleben der Religionen in Österreich. Das setzten die aufs Spiel. Und weswegen?

VN: Und welche Antwort haben die Grünen? Ungebremste Zuwanderung?

Van der Bellen: Wir hatten 40 Jahre Zuwanderung, haben jetzt eine und werden die nächsten 40 Jahre eine haben. Die Frage ist nur, ob wir in den Bereichen, in denen das überhaupt geht, zu steuern versuchen. Da unterscheiden wir zwischen dem Asylverfahren, dem Familiennachzug – einem Menschenrecht – und der wirtschaftlichen Migration. Nur in letzterem Bereich kann man steuern. Da könnten Kriterien definiert werden, wie Qualifikation, Berufserfahrung, Alter.

VN: Die Grünen haben lange Jahre polarisiert. Heute tun das andere Parteien . . .

Van der Bellen: Polarisieren ist ja kein Selbstzweck. Es kann manchmal ganz lustig sein. Aber wenn ich nur 4,8 Prozent aller Wähler erreiche und am Existenzminimum der politischen Parteien dahindümple, dann muss ich mir etwas überlegen.

VN: Kaspanaze Simma forderte die Grünen auf, wieder mehr nach links zu rücken.

Van der Bellen: Echt? Der Kaspanaze? Nach meinem Selbstverständnis waren die Grünen immer eine linksliberale grüne Partei. Eine Umweltschutzpartei, in erster Linie und in gesellschaftspolitischen Fragen im Wesentlichen links.

VN: Wie wollen die Grünen eigentlich den Pflegenotstand beenden? Kurzfristig?

Van der Bellen: Entkriminalisierung der Angehörigen. Legalisierung der ausländischen Pflegekräfte. Vermeidung eines Lohndumpings. Es wird Bund und Länder mehr Geld kosten. Ich rechne da mit einem Betrag von 300 bis 500 Millionen Euro pro Jahr. Das ist kein Schreckensszenario. Es geht um die Würde des Alterns. Und die Frage, was uns das wert ist.

VN: Sie sind starker Raucher. Wollen Sie ein Rauchverbot in der Gastronomie?

Van der Bellen: Ich bin für die Nicht-Belästigung der Nicht-Raucher. Man kann Räume abtrennen, man muss Belüftungen renovieren. Ich bin ein starker Raucher. Aber ich hasse verrauchte Caf-s. Ich hasse sogar mein eigenes verrauchtes Wohnzimmer.

  • VIENNA.AT
  • Vorarlberg
  • "Die setzen das aufs Spiel"
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen