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Die Rolle der toten Anwälte

Feldkirch/VN - Was taten die toten Anwälte Gernot Sch. und Walter D.? Ein mutmaßlicher Fälscher belastet sie schwer.
Testaments-Ermittler sind fertig
Fall Ratz: Abschlussbericht
Sie kam den Fälschern auf die Spur
Kriminalfall von gigantischer Dimension

„Zwischenzeitlich habe ich Gernot Sch., das Patenkind von Walter M., kennengelernt. [..] Sch. sprühte vor Ideen; ,machen wir es, bevor es die anderen tun‘, war sein Spruch. [..] Die Informationen hatte er von Walter M.“ Diese Sätze sagt Jürgen H., Schlüsselfigur bei der Aufklärung der Testamentsaffäre. Die Ermittler notieren sie auf Seite 29 seines 81-seitigen Geständnisses, das der VN-Redaktion vorliegt.

Großer Kreis an Beschuldigten

13 Personen werden in den Ermittlungen als Beschuldigte geführt, darunter die ehemaligen Dornbirner Bezirksgerichtsmitarbeiter, die suspendierte Vizepräsidentin des Landesgerichts, Kornelia Ratz, deren Tante und Mutter und Jürgen H.s Bruder Markus, sowie weitere Personen aus dem familiären und privaten Umfeld. Die nächsten Wochen werden zeigen, gegen wie viele Anklage erhoben wird. Aus gut unterrichteten Justizkreisen wird verlautet, dass gegen die in Frage kommenden Beschuldigten – das inkludiert auch die Vizepräsidentin des Landesgerichts – wenn, dann gleichzeitig Anklage erhoben wird. Ein guter Teil der Testamentsaffäre dürfte aber für immer im Dunkeln bleiben, da maßgeblich Beschuldigte – darunter zwei Rechtsanwälte – bereits in jungem Alter gestorben sind. Und gegen Tote wird nicht ermittelt.

Lustenau als Vorbild?

„Sch. brachte mir ein Beispiel von einem gewissen Herrn Bösch, der in Lustenau in den 90er-Jahren verstarb und dessen Erbschaft derart manipuliert worden sei, dass das ganze Gemeindeamt mitgeschnitten habe; Wer das gemanagt haben soll, hat er mir nicht gesagt; Sch. war von diesem geglückten Coup aber derart ,inspiriert‘, dass er so etwas Ähnliches unbedingt auch inszenieren wollte.“ Mit Sätzen wie diesen will Jürgen H. den 2008 im Alter von erst 37 Jahren verstorbenen Rechtsanwalt in seiner Aussage zum Drahtzieher machen. „Sch. hat mir gegenüber immer geprahlt, dass er ein Haus bauen und dieses aber in zwei Jahren zurückbezahlen möchte“, schilderte Jürgen H. den Ermittlern. Jürgen H.s Lebensbeichte gewinnt durch die Nachprüfung der Staatsanwaltschaft weiter an Gewicht. Die Ermittler waren wie berichtet zum Schluss gekommen, dass die Aussagen ihrer Ansicht nach zu größten Teilen nachvollziehbar sind, also stimmen. Und so belastet H. (er erschien beim Zivilprozess am Freitag in Hauspatschen vor Gericht) den krankheitsbedingt verstorbenen Anwalt Gernot Sch. schwer: „Sch. war ein brutaler ,Wirbler‘. Er war spitz darauf, Geld zu machen. [..] 2003 oder 2004 war eine Verlassenschaft zum Erbenaufruf an der Amtstafel angeschlagen; [..] er ist in ein Büro gestürmt, hat auf der Schreibmaschine ein Testament auf diese Verlassenschaft erfunden, hat sich am Gang damals wartende Tabledancerinnen aus der Calypso-Bar, die er glaub ich vertreten hat, geschnappt und ihnen Unterschriften auf das Testament (als Zeugen) abverlangt. Dann hat er mir grinsend das Ergebnis gezeigt.“ Andere Testamente soll er auf einer alten mechanischen Schreibmaschine „mit zwei Fingern auf das Papier mit den Blankounterschriften geklopft“ haben. „Er hatte nur noch Bauplätze im Kopf“, sagte Jürgen H. dem ermittelnden Staatsanwalt Manfred Bolter beim Verhör.

Anwalt starb bei Unfall

Ein weiterer, bereits 1997 tödlich verunglückter Anwalt aus Dornbirn, Manfred D., wird ebenso belastet: „Von ihm wusste ich, dass er offen war für so eine Schieberei“, sagt Jürgen H. an einer – und „RA Dr. D. hat mir das Testament diktiert, und ich habe es geschrieben“ an einer anderen Stelle des Protokolls. Mag. Sch. habe dann als Patenkind des verdächtigen Gerichtsmitarbeiters Walter M. (71), nach dem frühen Unfalltod von Dr. D. dessen „Geschäfte“ übernommen. Jürgen H. ist bisher der einzige Hauptverdächtige, der ein so umfassendes Geständnis abgelegt hat. Während seine mutmaßlichen Komplizen derzeit die Freiheit genießen können, sitzen er und Immobilienkaufmann Peter H. in U-Haft. Der Strafprozess soll im Frühjahr 2011 beginnen, die Anklageerhebung wurde von Oberstaatsanwalt Kurt Spitzer in den VN noch für diesen Herbst angekündigt.

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