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"Die Mitarbeiter sind ratlos"

Rankweil - Der Automobilzulieferer Hirschmann Automotive wird am Stammsitz in Rankweil-Brederis 120 angelernte Arbeitskräfte abbauen.  | Geschäftsführer im Interview  | Betriebsrat im Interview  | LR Rein  | LR Stemer  | Unternehmensinfos | Reaktion Arbeiterkammer | Umfrage bei Hirschmann-Mitarbeitern

Das hat am Donnerstag Geschäftsführer Volker Buth bekanntgegeben. Die entsprechenden Produktlinien werden in die Hirschmann-Werke in Tschechien und Rumänien verlegt. Gleichzeitig werde man Rankweil mit Investitionen von rund acht Mio. Euro zum Hochtechnologiestandort ausbauen, erklärte Buth.

Bis Ende 2008 müssten insgesamt 120 angelernte Arbeitskräfte in mehreren Etappen das Unternehmen verlassen, in Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat wird ein Sozialplan erstellt. Hirschmann unterstütze die Mitarbeiter, sich im Unternehmen weiterzubilden und künftig in Rankweil eine höherqualifizierte Tätigkeit auszuüben, so Buth. Zum Ausbau des Rankweil-Standorts erklärte der Geschäftsführer: “Wir werden allein im laufenden Jahr mindestens 15 bis 20 neue Arbeitsplätze schaffen und suchen dafür dringend technische Facharbeiter sowie Ingenieure”. Im laufenden Jahr plant Hirschmann Investitionen von insgesamt 17 Mio. Euro.

“Die Restrukturierung ist ein notwendiger Schritt, den wir für die betroffenen Mitarbeiter bedauern, der jedoch für die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und für die Zukunft von Hirschmann Automotive lebensnotwendig ist”, stellte der Geschäftsführer fest. Ohne die Auslagerung hätte Hirschmann laut Buth bestehende mehrjährige Aufträge und letzten Endes ein Drittel des Auftrag-Volumens verloren.

Betriebsrat Gert Fessler reagierte gegenüber VOL Live wütend auf diese Bekanntgabe. Es hätte zwar in den letzen Tagen Gerüchte geben, aber die Mitarbeiter seien erst am Mittwoch kurzfristig über die Entwicklung informiert worden, so Fessler. „Jetzt sind die Mitarbeiter ratlos, weil niemand genau weiß, wer davon eigentlich betroffen ist.“

Die Maßnahme wäre eigentlich aufgrund der hohen Lohnnebenkosten am Standort Vorarlberg schon seit drei Jahren notwendig gewesen, wäre aber von der Firmenführung bisher hinausgezögert worden. “Der Hochtechnologie-Standort Rankweil bleibt aber auf jeden Fall erhalten und ist auch nicht gefährdet. Wir werden auch weiterhin Lehrlinge ausbilden”, so Buth.

In einem ersten Schritt wird die gesamte Achs-Produktion inklusive der Spritztechnologie von Rankweil ins Hirschmann-Werk nach Vsetin (Tschechien) verlagert. Einfachere Tätigkeiten wiederum wandern von Tschechien ins neue Hirschmann-Werk Tirgu Mures (Rumänien), das in den nächsten Wochen eröffnet wird. “Hirschmann ist der einzige Kabelsatzkonfektionär, der sich den Luxus geleistet hat, diese einfachen Produktlinien noch in einem Hochpreisland wie Vorarlberg fertigen zu lassen”, sagte Buth. Der wachsende Preisdruck in der internationalen Autoindustrie könne nur durch eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit in der Produktion aufgefangen werden.

Hirschmann beschäftigt in Rankweil, Tschechien und Rumänien insgesamt rund 1.400 Mitarbeiter, davon 740 in Vorarlberg. Laut Recherchen der “Vorarlberger Nachrichten” erzielte das Unternehmen 2006 einen Umsatz von 94,23 Mio. Euro, für 2007 wurde ein 15-prozentiger Umsatzanstieg erwartet. Gemäß Gewinn- und Verlustrechnung im Firmenbuch wurde 2006 ein Betriebserfolg von 5,24 Mio. Euro erreicht (2005: 6,31 Mio. Euro). Seit 2003 gehört Hirschmann der Privatstiftung der Brüder Franz und Roman Rauch, den bekannten Fruchtsaft-Herstellern


Vorbericht aus den “VN”.

Volker Buth, seit acht Monaten Geschäftsführer bei Hirschmann Automotive, hielt sich am Mittwoch im Gespräch mit den „VN“ mit Details zurück: „Vieles ist noch nicht spruchreif.“ Er bestätigte jedenfalls die Größenordnung von bis zu 120 betroffenen Festangestellten am Standort Rankweil. „Das aber ist die obere Grenze, wir arbeiten derzeit noch an Konzepten“, so Buth. In diesen Zahlen scheinen Leasingarbeiter aber noch nicht auf. Diese werden flexibel je nach Auftragslage eingesetzt, sind nicht direkt bei Hirschmann beschäftigt. Wie viele Leasingarbeiter derzeit in den Werkshallen in Brederis arbeiten, wurde am Mittwoch nur umrissen: „Wir haben deutlich weniger als 100 Leasingarbeiter im Unternehmen beschäftigt“, sagt Geschäftsführer Buth. Es ist damit zu rechnen, dass rund 200 Menschen im Lauf dieses Jahres ihren Arbeitsplatz in Rankweil verlieren werden. Der Geschäftsführer betonte im Gespräch mit den „VN“, dass es der Anstand gebiete, „zunächst mit den Mitarbeitern in die Diskussion zu gehen und sie zu informieren, bevor Informationen an die Presse gegeben werden.“

Betriebsversammlung

Die nach einer „VN“-Anfrage eilig einberufene Betriebsversammlung fand noch am Mittwochnachmittag in Brederis statt. Ursprünglich wollte das Unternehmen erst Ende Februar Mitarbeiter und Öffentlichkeit informieren. Im Hintergrund wird bereits an einem Sozialplan für die Mitarbeiter gearbeitet, auch der Betriebsrat des Unternehmens ist seit geraumer Zeit in die Gespräche eingebunden.

„Wir wollten erst eine Lösung für die Mitarbeiter ausarbeiten und nicht verunsichern“, so Buth. Bis Mai verlasse „kein Hirschmann- Mitarbeiter das Unternehmen“, sagt der Manager – und lässt somit durchblicken, dass wohl zunächst der Anteil an Leasingarbeitern reduziert wird. Betroffen sind vor allem lohnintensive Produktionsreihen – dort wird es Mitarbeiter mit durchwegs niedrigerem Qualifikationsniveau treffen. Die im Firmenbuch zuletzt hinterlegte Bilanz deutet Gründe für die nötige Verschlankung am Standort Rankweil an. So war 2006 der Betriebserfolg beispielsweise geringer als 2005 – während der Umsatz zweistellig wuchs. Anfang 2007 gab es mit dem Ausscheiden von Anton Schwab und der Verpflichtung von Volker Buth und Thomas Mayer einen Komplettwechsel in der Geschäftsführung des Unternehmens, das seit 2003 der Privatstiftung der Brüder Franz und Roman Rauch gehört.

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