Die große Koalition bekommt noch eine Chance. Die ÖVP hat am Donnerstag ihre bisherige Haltung modifiziert und sich in einer Vorstandssitzung bereit erklärt, doch auch während der laufenden parlamentarischen Untersuchungsausschüsse mit der SPÖ über die Bildung einer gemeinsamen Regierung zu verhandeln.
Wichtigste Bedingung dafür ist, dass man einander während dieser Zeit im Parlament nicht überstimmt. Die SPÖ zeigte sich an sich erfreut, ließ aber offen, ob sie auf die jüngste Forderung der Volkspartei auch tatsächlich eingeht.
Die Entscheidung der ÖVP hatte sich schon vor der letztlich nur rund zweistündigen Vorstandssitzung angedeutet. Die deklarierten Großkoalitionäre, Tirols Landeshauptmann Herwig Van Staa und Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl kündigten vernünftige Beschlüsse an, die dem Staatsganzen und der Republik dienten.
Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer meinte, die ÖVP habe immer das Staatswohl über das Parteiwohl gestellt und Innenministerin Liese Prokop deponierte ihren Willen, ernsthaft und intensiv im Interesse der Republik miteinander zu arbeiten.
Herausgekommen ist letztlich ein Rückzieher der ÖVP, von Parteichef Wolfgang Schüssel als Modifikation der eigenen Position nach Rücksprache mit dem Bundespräsidenten und unter Bedacht auf den Willen der Bevölkerung verkauft.
Die Volkspartei verhandelt doch weiter, obwohl die U-Ausschüsse laufen, will aber wenigstens nicht mehr von Rot-Grün-Blau überstimmt werden.
Eher vage gehalten sind die anderen Forderungen. Beim Banken-Ausschuss pocht man unverändert auf die Einhaltung des Bankengeheimnisses und in Sachen Eurofighter will man ein (ohnehin schon mehrfach erfolgtes) SPÖ-Bekenntnis zur Luftraumüberwachung sowie zur Vertragstreue.
Letzteren Punkt sieht man bei der ÖVP aber offensichtlich nicht als Bedingung an die SPÖ, dem Eurofighter zuzustimmen. Vielmehr richtet man in einem nebenbei verabschiedeten Positionspapier den Sozialdemokraten aus, sie mögen doch Alternativen vorliegen, wenn ihnen welche einfielen.
Die SPÖ macht jedenfalls fürs Erste gute Miene zum neuen Spiel und zeigte sich geradezu euphorisch über die schwarze Rückkehr. Er begrüße diesen Beschluss sehr, entspreche er doch sowohl dem Auftrag des Bundespräsidenten als auch seinen Intentionen, erklärte Parteichef Alfred Gusenbauer schriftlich. Schon morgen wollen die beiden Parteichefs am Rande der Nationalratssondersitzung die Modalitäten für die Gespräche ausmachen, auch eine gemeinsame Erklärung wird zumindest von Schüssel gewünscht. Anfang kommender Woche soll es mit den seit elf Tagen unterbrochenen Verhandlungen wieder losgehen.
Noch ist es freilich nicht fix, dass man sich tatsächlich wieder am Verhandlungstisch niedersetzt. Denn fürs Erste zeigte zumindest der geschäftsführende SPÖ-Klubchef Josef Cap wenig Laune, dem von der ÖVP gewünschten parlamentarischen Nichtangriffspakt zuzustimmen. Bei den U-Ausschüssen ginge das soundso nicht, und bei allen anderen Materien werde seine Fraktion ihr Stimmverhalten ausschließlich an sachlichen Kriterien im Interesse Österreichs orientieren.
Bei der morgigen Sondersitzung des Nationalrats gibt es dabei gleich eine erste atmosphärische Probe aufs Exempel, sind doch diverse unverbindliche Entschließungsanträge in Sachen Pensionserhöhung zu erwarten. Richtig ernst wird es jedoch erst am 29. November, wo das Pensionsplus endgültig abgesegnet werden soll. Bisher will die ÖVP neben der schon feststehenden Erhöhung von 1,6 Prozent nur noch eine 40-Euro-Einmalzahlung gewähren, die SPÖ jedoch gleich auf 1,9 Prozent aufstocken.
Die Grünen fanden die Bedingung des Nicht-Überstimmens jedenfalls bedenklich. Bundessprecher Alexander Van der Bellen vermutete zudem, dass es sich beim VP-Beschluss bloß um ein weiteres taktisches Spielchen handelt, mit dem erneut Zeit vergeudet werden soll.
Für FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache muss sich erst zeigen, ob ÖVP-Obmann Schüssel mit seinem gelebten Verweigerungskurs tatsächlich die Luft ausgegangen sei oder ob es sich wieder nur um taktische Spielchen handle. BZÖ-Chef Peter Westenthaler höhnte über eine therapeutische Selbstfindung der Volkspartei als Ergebnis der permanenten Demütigungsstrategie der SPÖ und wandte sich neuerlich gegen die Bildung einer großen Koalition.