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Deutsche Entwicklungshilfe für den türkischen Fußball

Der deutsche Ex-Teamchef Jupp Derwall steht als Mastermind hinter dem Aufstieg der Türkei. Jogy Löw dazu: "Sie haben gelernt, nie aufzugeben."

Dreimal Gary Lineker, zweimal John Barnes und dazu je einmal Bryan Robson, Peter Beardsley und Neil Webb. Eine 0:8-Pleite hatte die türkische Fußball-Nationalmannschaft am 14. Oktober 1987 in der EM-Qualifikation im Londoner Wembley-Stadion kassiert. Mit dem gleichen Resultat waren die Türken den Engländern schon drei Jahre davor in der WM-Quali unterlegen – vor 40.000 Zuschauern in Istanbul. Die Zeichen der Zeit wurden erkannt. Es musste sich etwas ändern im türkischen Fußball.

Große Talente hatte die Türkei immer hervorgebracht, doch sie hatten stets als Primadonnen gegolten. Ergebnisorientiertes Spiel war ihnen fremd. War es in Rückstand, konnte das Team schnell auseinanderfallen – nachzulesen am 14. Oktober 1987. Heute wäre das undenkbar. Zu groß sind in der Türkei der Stolz und der Glaube an sich selbst geworden. Auf dem Weg ins Halbfinale der EURO 2008 haben die Türken nicht weniger als drei verloren geglaubte Spiele in der Schlussphase noch umgedreht.

14. Oktober 1987 – damals war der Deutsche Jupp Derwall Trainer von Galatasaray Istanbul, hatte gerade seinen ersten von zwei Meistertiteln mit dem Traditionsclub gewonnen. In der Krise wandte sich der türkische Verband an den deutschen Ex-Teamchef, der fortan als dessen Berater fungierte. Den Teamchef-Posten in der Türkei hatte Derwall 1990 abgelehnt, stattdessen seinen Landsmann Sepp Piontek eingesetzt. Als Assistent und U21-Trainer vertrauten sie einem damals 37-Jährigen – Fatih Terim.

Das Trio hatte maßgeblichen Anteil an der Revolution, der Professionalisierung der Strukturen in der Türkei. In allen Landesteilen wurden Stützpunkte errichtet, dazu ein europaweites Scouting-Netzwerk, um türkischstämmige Talente im Ausland ausfindig zu machen. Spieler wie Yildiray Bastürk, Ümit Davala oder Ilhan Mansiz waren 2002 mit der Türkei WM-Dritter geworden. Auch im aktuellen EM-Kader stehen mit Hamit Altintop und Hakan Balta zwei Spieler, die in Deutschland geboren worden sind.

Als Mastermind hinter dem Aufstieg gilt Derwall, der nach dem EM-Aus 1984 als DFB-Teamchef davongejagt worden war. Sein Wirken in der Türkei war weit über den Fußball hinausgegangen. 1989 erhielt er das Ehrendoktorat der Universität Ankara für die völkerverbindende Arbeit, die er geleistet hatte. Zum Begräbnis des 80-Jährigen war im Vorjahr nicht nur die gesamte deutsche, sondern auch die türkische Fußball-Prominenz erschienen. Der Europameister von 1980 war ein Wegbereiter – auch für viele Kollegen.

Nach Derwall haben viele bekannte deutsche Trainer in der Türkei Aufbauarbeit geleistet – Christoph Daum, Karl-Heinz Feldkamp, Werner Lorant, Horst Hrubesch, Friedel Rausch, Neo-Galatasaray-Coach Michael Skibbe und nicht zuletzt auch Joachim Löw. Der deutsche Bundestrainer hatte 1998/99 Fenerbahce Istanbul und 2000/01 für einige Monate auch den Club Adanaspor betreut. “Der türkische Fußball hat sich in den vergangenen Jahren sehr stark weiterentwickelt”, sagte Löw vor dem EM-Halbfinale in Basel.

Löw meinte damit vor allem die Einstellung, die sich geändert habe. “Vor 10 oder 15 Jahren wären die Türken vielleicht noch nicht in der Lage gewesen, drei Spiele umzudrehen”, meinte der 47-Jährige. “Sie haben immer gute Fußballer gehabt, aber auch gelernt, nie aufzugeben. Das ist der größte Qualitätssprung, den sie gemacht haben.” Es sind gewissermaßen deutsche Tugenden, die die spielstarke Mannschaft 1996 zu ihrer ersten EM-Endrunde, 2002 ins WM-Halbfinale und 2008 ins EM-Halbfinale geführt haben.

Die starke Persönlichkeit an der Spitze, der es dafür bedarf, ist Terim. “Imperator” nennen sie ihn in der Türkei. Terim hat seiner Mannschaft schier unglaubliches Selbstvertrauen eingeimpft. Er glaube nicht an Wunder, betonte der 54-Jährige. “Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied. Es geht nur durch harte Arbeit.” Sein Team hat dadurch bisher sogar die zahlreichen Ausfälle kompensiert, ohne sich auch nur ansatzweise aufzugeben. Doch ein kleines Wunder, blickt man 20 Jahre zurück – auf den 14. Oktober 1987.

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